Leuchtende Reklamewände in Osaka.
Beleuchtete Reklametafeln in Osaka: Japan gibt der Wirtschaft Vorrang vor Klimaschutz. (Foto: Jason Goh/​Pixabay )

Die G20-Staaten sind die Top-Einheizer des Planeten. Die 20 großen Industrie- und Schwellenländer emittieren zusammen rund 80 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in die Atmosphäre. Um Fortschritte beim Klimaschutz zu erreichen – und die Sache brennt, bekanntermaßen –, ist ein G20-Gipfel das richtige Forum.

Zumindest in der Theorie. Denn in dieser überschaubaren Gruppe ließe sich viel schneller eine Einigung über die notwendigen Treibhausgas-Reduktionen erreichen als auf den UN-Klimakonferenzen, bei denen seit 1995 zehnmal so viele Staaten miteinander verhandeln.

Könnte, hätte, würde. Der G20-Gipfel, der am Wochenende im japanischen Osaka stattfindet, droht das Thema völlig zu vergeigen. Der Entwurf von Gastgeber Japan für die Abschlusserklärung fällt in der Weltfrage Klimaschutz weit hinter die Positionen früherer Gipfel zurück. In dem Text heißt es nur, die G20 wolle sich den globalen Herausforderungen stellen, "unter anderem dem Klimawandel".

Beim letzten Gipfel hatte immerhin noch ein Bekenntnis zum Pariser Klimavertrag und zum 1,5-Grad-Limit der Erderwärmung im Abschlusskommuniqué gestanden; nur US-Präsident Trump ließ seinen Nach-mir-die-Sintflut-Kurs als abweichende Meinung hineinschreiben.

Nun also das Rollback. Die Japaner haben Angst, Trump zu vergrätzen, mit dem sie ein Handelsabkommen abschließen wollen. So gießen sie Weichspüler über den Text, und statt einen Fokus auf erneuerbare Energien zu legen wie beim letzten Mal, kommen nun "alle Technologien in Betracht", also auch Trumps geliebte "saubere Kohle".

Ein Fiasko, denn es ist nicht zu erwarten, dass  die Trump-Gegner auf dem Gipfel den großen Konflikt mit dem Gastgeber und dem Zampano aus USA wagen, um klimapolitisch das Gesicht zu wahren.

Amnesie im Angesicht der Klimakrise

Eigentlich hätte Japan Grund genug, ganz anders zu agieren. Experten der japanischen Wetterbehörde zeigten erst kürzlich in einer Studie, dass die Hitzewelle, die das Land im Sommer 2018 in Griff hielt und laut Gesundheitsministerium 1.032 Tote forderte, "ohne den menschengemachten Klimawandel niemals passiert wäre".

Doch auch die anderen G20-Staaten hätten Grund genug, endlich umzusteuern. Im vergangenen Jahr gab es auf fast allen Kontinenten dramatische Klimaveränderungen, darunter der Dürresommer in Europa und die Waldbrand-Serie in Kalifornien. In diesem Jahr setzt sich das nahtlos fort, mit extremen Hitzewellen in Australien und Indien.

Diagnose: Bei der G20 herrscht Klima-Amnesie. Und diese Krankheit korrespondiert mit dem Kriechgang bei der turnusmäßigen UN-Klimakonferenz, die gestern in Bonn zu Ende ging. Hier ging es um Streitpunkte, die bis zum Inkrafttreten des Paris-Abkommens im nächsten Jahr gelöst werden müssen.

Doch die Verhandler in Bonn kamen kaum vorwärts, ja, wiederholt wurden von notorischen Bremserstaaten sogar die breit abgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel in Frage gestellt. Treffend kommentierte die Umweltstiftung WWF: "Die Klimakrise rast mit der Wucht eines Orkans auf uns zu – und wir debattieren, ob wie die Fenster lieber zunageln oder zuschrauben sollen."

Wäre man Zyniker, man würde hier nur mit den Schultern zucken. Das kennt man schließlich schon seit fast 30 Jahren. Rio, Kyoto, Paris – tolle Beschlüsse zum Treibhausgas-Sparen, gefolgt von real steigenden Emissionen.

Es ist dramatisch: Heute liegt der CO2-Ausstoß über 60 Prozent höher als 1992 bei der Unterzeichnung der Weltklimakonvention, die eine gefährliche Störung des Klimasystems verhindern sollte. Selbst die Mitte des Jahrzehnts aufgekeimte Hoffnung, der globale CO2-Ausstoß habe seinen "Peak" erreicht, trog. Seit drei Jahren geht es damit wieder aufwärts.

Der Druck von unten wächst

Die wirkliche Hoffnung liegt darin, dass die Zyniker nicht die Oberhand behalten. Der offensichtliche Unwille der "Staatenlenker", den Klimawandel in noch erträglichen Bahnen zu halten, erzeugt in der Öffentlichkeit weltweit Widerstand. Vor allem in der jungen Generation, die ihre Zukunft zu Recht bedroht sieht und den Klimaschutz nicht mehr den "Profis" überlassen will, die ihn drei Jahrzehnte lang verschleppt haben.

In vielen Ländern ist der Druck auf die Politik im letzten Jahr enorm gewachsen, nun wirklich umzusteuern. In Großbritannien zum Beispiel, wo das Parlament den "Klimanotstand" ausgerufen hat. In Australien, wo das Klima den jüngsten Wahlkampf beherrschte. In Finnland, das bereits bis 2035 "klimaneutral" sein will.

Auch Deutschland steht, wenn die Zeichen nicht trügen, nach einem Jahrzehnt des Stillstands vor einer Renaissance als Klimaschutz-Vorreiter. Die Schülerstreiks und der Aufschwung der Grünen haben die Bundesregierung extrem unter Druck gesetzt. Sie muss in den nächsten Wochen und Monaten liefern – mit einem radikalen Klimakonzept für 2030 inklusive CO2-Preis.

Das wäre dann auch eine gute Voraussetzung, um international auch innerhalb der G20 neue Vorreiter-Allianzen etwa mit China zu schmieden, bei denen man auf Trumps Launen keine Rücksicht nehmen muss.

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