Auch für Haushalte mit geringem Einkommen soll die Wärmewende kein Kostentreiber werden – das droht aber, wenn der CO2-Preis nicht sozial flankiert wird. (Bild: Astrostar/​Shutterstock)

Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen. Dieser Leitsatz, geprägt vom renommierten Umweltforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker, leuchtet unmittelbar ein – gerade auch beim Klimaschutz.

Denn wird die Atmosphäre als kostenlose Deponie für Treibhausgase benutzt und werden die so entstehenden Schäden – wie mehr Wetterextreme, höhere Sterblichkeit durch Hitze, geringere Agrarproduktion – bei den fossilen Energien nicht eingepreist, führt das zu deren Übernutzung und zu einer Verschärfung der Klimakrise.

Doch bei der Einführung der "wahren Preise" braucht es ein stufenweises Vorgehen und eine soziale Abfederung, sonst droht das Instrument an mangelnder Akzeptanz zu scheitern.

Das Öko-Institut und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben dieses Problem jetzt am Beispiel der CO2-Bepreisung durchdekliniert. Diese soll nach den Vorstellungen der wahrscheinlichen nächsten Kanzlerpartei CDU, aber auch der FDP, die zentrale Lösung für die überfällige Energiewende im Gebäudebereich und das Erreichen der Klimaziele in diesem Sektor sein.

So heißt es im Unions-Wahlprogramm, man werde sie hier – wie auch im Verkehr – zum "Leitinstrument" ausbauen. Dafür wollen Friedrich Merz und Co auf jeden Fall das von der Ampel nach heftigen Debatten eingeführte Heizungsgesetz kippen, das den Übergang zu klimafreundlichen Heizarten regelt, etwa der Wärmepumpe.

"Heizen würde zum Luxus"

Die Fachleute des Instituts und der Sozial-NGO warnen nun davor, dass eine reine Marktlösung über CO2-Preise bei einem noch nicht genau bestimmten sozialen Ausgleich "drastische Mehrkosten für Haushalte" bedeuten könnte. "Heizen würde zum Luxus", lautet ihr Fazit.

Das zentrale Ergebnis der gemeinsamen Studie: Es wäre ein CO2-Preis von 524 Euro pro Tonne erforderlich, damit die Klimagas-Emissionen genauso stark sinken, wie sie es durch das Heizungsgesetz bis 2030 voraussichtlich tun. Derzeit beträgt der CO2-Preis 55 Euro pro Tonne, im nächsten Jahr soll er auf bis zu 65 Euro ansteigen.

Die finanziellen Folgen für die Haushalte wären laut der Berechnung enorm. Bei Erdgas entsprechen die 524 Euro pro Tonne danach einem zusätzlichen CO2-Kostenaufschlag von 10,5 Cent pro Kilowattstunde, was in etwa einer Verdopplung des aktuellen Gaspreises entspricht.

Die Studie rechnet vor: Im Schnitt wären für Haushalte mit Gasheizung im eigenen Haus jährliche Mehrkosten von fast 1.500 Euro zu erwarten. Ein Haushalt im Wohneigentum mit bisher 1.000 Euro Heizkosten jährlich müsste mit einem Aufschlag von 887 Euro rechnen. Bei einer vierköpfigen Familie mit Heizkosten von 3.000 Euro pro Jahr wären es sogar 2.660 Euro zusätzlich.

Doch auch Mieter:innen hätten Mehrkosten zu tragen. In einem Gebäude der (schlechten) Effizienzklasse G mit 3.000 Euro Heizkosten pro Jahr fielen zusätzliche CO2-Kosten von 532 Euro an. Hier ist der Aufschlag geringer, weil die Vermieter:innen nach den bisherigen Regelungen bei unsanierten Altbauten einen Großteil der CO2-Kosten übernehmen müssen.

Hoher CO2-Preis belastet mehr Menschen als Heizungsgesetz

Das Studien-Team betont außerdem, dass die Vorgaben des derzeit gültigen Gebäudeenergiegesetzes zum Einbau von Ökoheizungen mit Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien nur diejenigen betreffen, die ihre Heizung erneuern müssen, ein hoher CO2-Preis dagegen alle Haushalte belasten würde. Es träfe also auch jene, die ihre Heizung erst kürzlich ausgetauscht haben und daher keine kurzfristige Wechselmöglichkeit haben.

Hintergrund ist hier, dass es im vorigen Jahr beim Einbau von Erdgas- und Erdöl-Heizungen wegen der Verunsicherung durch die Heizungsgesetz-Debatte noch einmal einen Boom gab – aus Klimasicht kontraproduktiv und, wegen des erwarteten CO2-Preis-Anstiegs, eine gefährliche Kostenfalle.

Dass das Heizungsgesetz CO2-mindernd wirkt, davon sind auch Klimawissenschaftler:innen überzeugt. Erst kürzlich bescheinigte der Expertenrat für Klimafragen dem Gesetz und der dazugehörigen Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) das Potenzial, deutlich zur Treibhausgasminderung beizutragen.

"Bei dem Dreiklang aus Gebäudeenergiegesetz, der Förderung und dem Wärmeplanungsgesetz handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der die Transformation des Gebäudesektors adressiert", sagte Expertenrats-Chef Hans-Martin Henning.

Gezielte Entlastungen durch Klimageld oder "Social Leasing"

Ob der CO2-Preis tatsächlich so stark ansteigt wie in der aktuellen Studie angenommen, ist offen. 2026 ist er noch gedeckelt, er soll nach dem deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetz dann in einem Korridor zwischen 55 und 65 Euro liegen. Kritisch wird es ab 2027. Denn dann etabliert die EU einen Emissionshandel für die Bereiche Gebäude und Verkehr, und der CO2-Preis wird sich frei auf dem Markt bilden, indem Emissionszertifikate an die Verkäufer von Brennstoffen versteigert werden.

Bereits seit Längerem warnen Fachleute, dass der Preis zwar nicht gleich auf über 500 Euro pro Tonne, aber doch auf 200 Euro oder mehr steigen dürfte – zuletzt auch der Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Achim Wambach. Ein Vier-Personen-Haushalt, der noch mit Gas heizt, müsste dann mit rund 1.000 Euro höheren Heizkosten pro Jahr rechnen. Noch spürbarer wäre der Anstieg beim Heizöl, wo sich die Kosten mehr als verdoppeln würden.

Die meisten Verbraucher:innen seien auf eine solche Preisexplosion nicht vorbereitet, warnte der Ökonom. Er schlägt daher vor, den EU-Zertifikatehandel nur schrittweise einzuführen und die Öffentlichkeit rechtzeitig über die Folgen zu informieren.

Die Union sieht in ihrem Wahlprogramm Entlastungen für die Haushalte vor allem durch eine Kappung der Stromkosten vor, nämlich durch eine Absenkung der Netzentgelte und der Stromsteuer. Das würde allerdings nicht ausreichen, um die erwarteten CO2-Aufschläge beim Heizen und im Verkehr auszugleichen. Ob es weitere Entlastungsschritte und, wenn ja, in welcher Höhe geben soll, ist unklar.

 

Das Öko-Institut und der Paritätische fordern derweil in ihrer Untersuchung "eine soziale Wärmewende" statt einer reinen Marktlösung über den CO2-Preis. Dazu müssten gezielte Entlastungen, etwa durch ein konsequentes Klimageld, Förderungen und Schutzmaßnahmen für Miet-Haushalte sowie Anreize für Heizungsindustrie, Stadtwerke und Kommunen kombiniert werden.

Als Beispiel führen sie das "Social Leasing" für Wärmepumpen an. Diese könnten dadurch per Ratenzahlung finanzierbar gemacht werden, wobei einkommensabhängige Förderungen gezielt Haushalte mit wenig Einkommen unterstützen sollen. Ein weiterer Vorteil hierbei sei, dass das Leasing-Modell nur das Heizgerät, sondern auch Wartung und Instandhaltung umfasst. Das senke weitere Hürden.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Joachim Rock, appellierte an die Politik: "Heizen darf nicht zum Luxus werden, deshalb Finger weg von der reinen Marktlösung!" Wer alles über den CO2-Preis regeln wolle, produziere soziale Verwerfungen und Ablehnung. Nötig sei vielmehr eine soziale Wärmewende, "die gleichermaßen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit steht".

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