Noch ist die Reform nicht beschlossen, doch in Deutschland kocht die Diskussion hoch: Die EU wolle Hauseigentümer:innen zwingen, ihre Immobilien zu sanieren. In den Medien machen Übertreibungen wie "Kosten-Schock" und "Sanierungszwang" die Runde.
Auch der Eigentümerverband Haus und Grund warnt vor weitreichenden Folgen der geplanten neuen Mindeststandards für Gebäudeeffizienz: Ein Drittel aller Gebäude müsse dann saniert werden.
Der Verband erwartet Sanierungskosten in sechsstelliger Höhe. Es werde viele geben, die sich die Sanierung nicht leisten können, die Altersvorsorge von Millionen Bürger:innen werde so vernichtet.
Liberale und konservative Politiker:innen stoßen ins selbe Horn. Der Ansatz der EU sei falsch, sagte Angelika Hießerich-Peter von der FDP im Saarland. Es sei unrealistisch, innerhalb von zehn Jahren fast die Hälfte aller europäischen Gebäude zu sanieren. Das würde die Menschen vor große Probleme stellen.
"Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen", wird der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke in den Medien zitiert.
Diese und ähnliche Statements haben zu Unsicherheit geführt. Dabei seien vor allem Aussagen zu Kosten und Machbarkeit häufig unsachlich, voreilig oder sogar irreführend, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Auch Umweltorganisationen und die Effizienzbranche sehen das so.
"Die Diskussion hängt sich am Einfamilienhaus auf", kritisiert Henning Ellermann von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff). Im Einfamilienhausbereich fielen etwa elf Prozent ins untere Einkommensdrittel, darunter seien viele Rentner:innen.
"Für diese Härtefälle müssen wir Lösungen finden, aber diese sollten nicht das Argument dafür sein, um eine Lösung, die für den Großteil funktioniert, abzulehnen", so Ellermann weiter.
Die EU überarbeitet derzeit ihre Gebäudeeffizienzrichtlinie. In der vergangenen Woche hatte das EU-Parlament seine Position festgelegt und etwas ehrgeizigere Anforderungen gestellt, als es der Vorschlag der Kommission vorsah.
"Das sind große Summen, aber es ist machbar"
Herzstück der geplanten Reform ist die Einführung von Mindestanforderungen für die Energieeffizienz von Gebäuden. Diese Sanierungsanforderungen sollen bewirken, dass die schlechtesten Gebäude mit hohen Energieverbräuchen in den nächsten Jahren auf eine bessere Effizienzklasse gebracht werden müssen.
Von den etwa 21 Millionen Gebäuden in Deutschland betrifft das etwa 30 Prozent, die dann in die beiden schlechtesten Effizienzklassen G und H fallen würden. Das wären also 6,3 Millionen Gebäude. Damit diese Gebäude in eine höhere Effizienzklasse gelangen, braucht es aber keine Komplettsanierung.
"Die Mindestanforderungen werden aller Voraussicht nach moderat ausfallen und in keinem Fall eine Vollsanierung erfordern. Eigentümer der energetisch schlechtesten Gebäude müssen sich darauf einstellen, diese – je nach Ausgangszustand – um ein bis drei Effizienzklassen aufzuwerten", heißt es in einem Faktencheck, den VZBV und Deneff zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vorgelegt haben, "um die Debatte zu versachlichen".
Schon mit einfachen Maßnahmen wie einer Einblasdämmung für durchschnittlich 4.000 Euro oder mit dem Tausch von Fenstern oder einer Fassadendämmung, die bei einem Einfamilienhaus für niedrige fünfstellige Beträge zu haben sei, lasse sich eine bessere Effizienzklasse erreichen.
"Aktuell werden jedes Jahr 300 Milliarden Euro in den Gebäudebestand investiert, das meiste davon sind Instandhaltungsmaßnahmen", sagte Ellermann von der Deneff. Nur ein Bruchteil der Summe fließe in Energie. Wenn das Bauvolumen um zehn Prozent angehoben werde, könne der Gebäudebestand klimaneutral gestellt werden, so Ellermann. "Das sind große Summen, aber das ist machbar."
Bislang ist der Gebäudesektor nicht annähernd auf Klimakurs. "Bereits zum dritten Mal in Folge hat der Gebäudesektor nicht sein Klimaziel erreicht", sagte Barbara Metz von der DUH. Es gebe ein strukturelles Problem. Die bisher angewendeten Maßnahmen, um CO2 einzusparen, wirkten nicht genug.
"Deswegen brauchen wir die Sanierung von Gebäuden – und die Einführung der Mindestanforderungen", so Metz weiter. Das Vorgehen der EU, die schlechtesten Gebäude zuerst zu sanieren, sei sinnvoll, weil dort das höchste Einsparpotenzial liege.