Porträtaufnahme von Tim Meyer.
Tim Meyer. (Foto: Naturstrom)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Tim Meyer, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom.

Klimareporter°: Herr Meyer, das Weltwirtschaftsforum war durch Gegensätze geprägt: Während Greta Thunberg eindrücklich vor der Klimakrise warnte, erwähnte Donald Trump sie nicht einmal. Welches Signal kommt insgesamt aus Davos?

Tim Meyer: In Davos kommt ja nicht gerade die ökologische Elite der Weltwirtschaft zusammen, dennoch war Klimaschutz diesmal das vorherrschende Thema dort. Das ist für sich genommen schon viel wert und ein gutes Zeichen dafür, dass etwas in Bewegung gerät: Investitionen in saubere Technologien lohnen sich, Öl und Kohle werden von den Treibstoffen der Weltwirtschaft zu globalen Risikofaktoren. Das scheinen einige der in Davos geladenen Wirtschaftslenker und Politiker schon verstanden zu haben, etliche aber immer noch nicht.

Es wäre daher zu viel verlangt, vom Weltwirtschaftsforum entscheidende Impulse zu erwarten. Viel gewonnen wäre schon, wenn auch der wirtschaftspolitisch reaktionäre Flügel der Unionsparteien endlich wahrnimmt, dass bedeutende Teile der Wirtschaft Klimaschutz längst als Chance und nicht mehr als Bedrohung sehen. Dann bekämen wir hierzulande vielleicht eine Energiepolitik hin, die nicht der Veränderungsbereitschaft der Branche um etliche Jahre hinterherhinkt.

Acht Mitglieder der Kohlekommission sind sauer: Sie werfen der Bundesregierung vor, den mühsam ausgehandelten Kohlekompromiss aufzukündigen. Wie bewerten Sie den Plan von Bund und Ländern zum Kohleausstieg?

Ich bin schwer enttäuscht, dass die Bundesregierung jeden Interpretationsspielraum nutzt, um die Empfehlung der Kohlekommission zu verwässern. Denn schon diese Empfehlung war für die Umweltverbände und die Verfechter einer zügigen Energiewende nur unter großen Bauchschmerzen zustimmungsfähig und Ergebnis komplizierter Verhandlungen in langen Nachtsitzungen.

Und nun wird der Ausstieg aus der Braunkohle entgegen allen Zusicherungen größtenteils auf die Jahre nach 2030 verschoben und muss dafür dann umso plötzlicher kommen. Ob ein früherer Ausstieg aus der Steinkohle diese zusätzlich anfallenden CO2-Emissionen wird kompensieren können, wurde vonseiten der Wissenschaft bereits angezweifelt. Ich bin da mittlerweile auch grundskeptisch.

Mindestens so tragisch wie der zusätzliche Schaden für das Klima ist für mich ein weiterer Punkt: Die Bundesregierung zerstört erneut mühsam errungenes Vertrauen, indem sie einseitig Zusagen kassiert und unbequeme Schritte weiter aufschiebt. Die Energiewende wird nur als Gemeinschaftsprojekt gelingen – aber wer mag mit dieser Regierung überhaupt noch Vereinbarungen treffen oder an Zusagen glauben?

Ein Punkt aus dem Bund-Länder-Plan, der Umweltschützer besonders erzürnt, ist Datteln 4 – ein neues Kohlekraftwerk für Deutschland im Jahr 2020, klimapolitisch kontraproduktiv. Ist es unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen aus unternehmerischer Sicht verständlich, dass Eon und Uniper den Bau immer weiter vorangetrieben haben – oder war das betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, der jetzt belohnt wird?

Ja, klimapolitisch und für die Energiewende ist Datteln 4 ein echter Tritt vors Schienbein. Aber Sie haben nach der unternehmerischen Bewertung gefragt.

2007 war Baubeginn für Datteln 4 – sieben Jahre nach Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromerzeugung lag damals bei 16 Prozent, war aber seit 2000 schon deutlich gestiegen.

Brauchte es da noch ein neues Kohlekraftwerk, das noch Jahrzehnte in Betrieb sein soll? Und das im günstigsten Fall ab 2021 Strom produziert? Ende der 2000er Jahre waren Dutzende Kohlekraftwerke in Deutschland in Planung – fast alle Projekte wurden aus wirtschaftlichen Überlegungen komplett beerdigt oder auf Gas umgeplant.

Eon und Uniper haben bei Datteln 4 irgendwie den Absprung verpasst. Ob das Kraftwerk die enormen Summen, die das Projekt in all den Jahren verschlungen hat, jemals wieder einspielen kann, wage ich zu bezweifeln.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Überrascht hat mich die Warnung des Deutschen Wetterdienstes, dass die Böden bis in eine Tiefe von 1,80 Metern immer noch viel zu trocken sind. Die Wälder und Felder in einigen Bundesländern können also schnell wieder einer Dürre ausgesetzt sein. In einzelnen Regionen ist anscheinend in den beiden letzten Jahren zusammen nur so viel Niederschlag gefallen wie sonst in einem einzelnen Jahr, sodass der Boden als Speicher noch nicht wieder voll ist.

Intuitiv hätte ich solche Alarmsignale eher in glutheißen Sommermonaten erwartet und nicht im Januar. Das hat mir doch sehr zu denken gegeben. Der Klimawandel ist uns näher, als viele glauben wollen.

Vielleicht sickert diese Erkenntnis ja auch bei den Landesregierungen in Sachsen und Brandenburg durch. Beim Kohleausstieg treten sie verlässlich auf die Bremse, während die Böden gerade in diesen Bundesländern besonders trocken sind. Wenn Deutschland und die anderen Industrieländer ihre Klima-Emissionen nicht schnell und drastisch reduzieren, werden wir es immer häufiger mit Trockenheit und Wetterkapriolen zu tun bekommen.

Fragen: Susanne Schwarz

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