Luftbild von Davos in der Schweiz, im Hintergrund schneebedeckte Berge
Im Schweizer Skiort Davos findet jährlich das Weltwirtschaftsforum statt. (Foto: Flyout/​Wikimedia Commons)

Beim World Economic Forum in Davos teilzunehmen ist immer etwas Besonderes. Es ist dieses Treffen der Weltspitzen aus Politik und Wirtschaft, das ihm sein besonderes Image gibt.

Zweimal hatte ich vor Jahren Gelegenheit zur Teilnahme. Es bleibt schon in Erinnerung, wenn man plötzlich beim Burda-Empfang mit Gerhard Schröder – Zigarre rauchend – ins Gespräch kommt oder auch mit Gastgeber Burda plaudert, während im Hintergrund Bill Gates vorbeischlendert.

Aber genau diese Treffen der Großen sind die Highlights: die privaten Empfänge der großen Medien-Mogule, der Banken, der Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften und der Beratergruppen. Dazu die Gespräche auf den Gängen und das Gefühl, dabei und damit etwas Besonderes zu sein.

Es sind nicht die Fachvorträge und Sitzungen, die für die Besucher im Mittelpunkt stehen, es sei denn, eine der profilierten Berühmtheiten spricht. Die vielen Sessions der "weltverbessernden" Beispiele tun sich da eher schwer. Hier bleiben die wenigen wirklich nachhaltigkeitsorientierten Besucher unter sich in schwach gefüllten Sälen.

Anfänge als Management-Kongress

In diesem Jahr wiederholt sich das Treffen mit seinen 3.000 Teilnehmern zum 50. Mal, ein erstaunlicher Erfolg, ursprünglich von Klaus Schwab – damals neu berufener Professor an der Universität Genf – als kleiner Management-Kongress gestartet.

Der deutsche Maschinenbau-Verband VDMA hatte ihn gebeten, ein Buch über "moderne" Unternehmensführung zu schreiben. Zur allgemeinen Überraschung stellte es – entgegen dem zunehmenden nur finanziell orientierten Shareholder-Trend – den Stakeholder-Ansatz in den Mittelpunkt und predigte die Verantwortung des Unternehmens als Teil einer Gemeinschaft. Dieser Widerspruch gab den Anlass zum ersten Kongress.

Klaus Schwab hatte an der Harvard-Universität Wirtschaftswissenschaften studiert und konnte deren Dekan als Präsident des ersten Kongresses gewinnen. Damit war die Weiche gestellt für die seither starke Beachtung des Davos-Forums in den USA.

Systematisch baute Schwab von Anfang an die Kontakte zu Politikern und Medien in den USA aus. Er wollte beeinflussen – und das ist ihm gelungen. Wenn eine meiner häufigen USA-Reisen in den Januar fiel, konnte ich mich immer wieder überzeugen, dass alle großen Fernsehstationen ausführlich aus Davos berichteten. Schwabs Freundschaften wie die zu seinem Studienkollegen Henry Kissinger mögen geholfen haben.

Davos will Trendsetter sein

Statt eines Managementforums wurde das Weltwirtschaftsforum bald ein Treffen führender Wirtschaftsbosse mit den politischen Spitzen der Welt. Den Wunsch des VDMA , den Kongress nach Deutschland zu verlegen, lehnte Schwab schon frühzeitig ab. Sein Gefühl sagte ihm wohl, dass die Faszination des kleinen Bergdorfes zu einem Teil des Mythos dieser Veranstaltung werden könnte. Und Schweizerdeutsch ist ihm lieber als Hochdeutsch, wie er gerade der Neuen Züricher Zeitung gestand.

Porträtaufnahme von Peter H. Grassmann.
Foto: privat

Peter Grassmann

ist promovierter Physiker und war lange der technische Vorstand im Bereich Medizin­technik der Siemens AG. Später übernahm er die Sanierung von Carl Zeiss in Oberkochen und Jena, dort zusammen mit Lothar Späth. Heute tritt er für eine stärkere Werte­orientierung der Markt­wirtschaft ein, so auch in seinem Buch "Zähmt die Wirtschaft!". Er ist Mitglied in zahlreichen Gremien, unter anderem im Beirat von Scientists for Future.

Heute nimmt das World Economic Forum für sich in Anspruch, nicht nur ein hochkarätiges Treffen, sondern auch Trendsetter der weltweiten Meinungsbildung zu sein und Prioritäten der weltweiten Gesellschaftspolitik für das laufende Jahr zu setzen. Dass Schwab allerdings eher umgekehrt den aktuellen Prioritäten folgt, hat er nun wieder bewiesen: Erst in diesem Jahr wurde der Klimawandel zum zentralen Thema.

Wobei Klimaneutralität für 2050 gepredigt wird – nicht nur ambitionslos, sondern eine Provokation, nimmt man das Leitmotiv des Forums als Maßstab: "Den Zustand der Welt verbessern."

Dennoch blieben die Demonstrationen, die die Treffen in den letzten Jahren mitgeprägt haben, diesmal gemäßigt, zumindest bis jetzt. Die Möglichkeiten, medienwirksam zu demonstrieren, sind inzwischen eben auch andernorts geboten.

Greta Thunbergs Hartnäckigkeit hat sich gelohnt

Greta Thunberg, vergangenes Jahr noch kein Gast, sondern aus eigenen Stücken nach Davos gereist, war nun geladen als Sprecherin und als Podiumsteilnehmerin zusammen mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten. Man wollte "den Personenkult reduzieren", wie Klaus Schwab in dem Interview mit der Neuen Züricher Zeitung sagte.

Man merkte allerdings, dass Thunberg diese Einbindung in eine Podiumsdiskussion nicht so wirklich lag. Und unüberhörbar war ihr Frust, dass der jugendliche Protest zwar beachtet werde, "ihr hört uns", aber "euer Handeln und eure Politik hinken weit hinterher" – was überraschend auch in der Folge-Session von Oliver Bäte, dem Vorstandsvorsitzenden des Versicherungskonzerns Allianz, bekräftigt wurde.

Welch ein Kontrast zum vorigen Jahr, bei der Die Welt noch getitelt hatte: "In Davos stößt das Greta-Prinzip an seine Grenzen" und von einem Misserfolg sprach. Die Bemerkung, dass sich Klaus Schwab am Tag nach dem letztjährigen Kongress mit Thunberg traf, dürfte allerdings der Schlüssel sein, warum es in diesem Jahr ganz anders lief.

Ihre Hartnäckigkeit – sie war damals von Schweden mit dem Zug nach Davos angereist und hatte im "Arctic Base Camp" bei minus zehn Grad am Rande des Kongresses übernachtet – hat sich gelohnt. Wer weiß, ob ohne solchen persönlichen Einsatz die Appelle zur Reduktion der klimaschädlichen Emissionen schon fester Teil der Agenda von Davos gewesen wären.

Trump trampelt

Ob es Taktik war? Thunbergs Botschaft ist für einen der Großen der Weltbühne ganz besonders störend und so wurde seine Rede zum Kontrapunkt: Donald Trump predigte Wachstum, Wachstum über alles. Überraschend war, dass er als erster US-Präsident zum zweiten Mal innerhalb einer Amtszeit nach Davos kam.

Der Wahlkampf in den USA beginnt. Entsprechend betonte Trump seine wirtschaftlichen "Erfolge". Er nannte als Beispiel die enorme Steigerung der Erschließung von Gasvorkommen – im Klartext durch das bei uns verbotene Fracking – und empfahl Energielieferungen aus den USA als Alternative zu Nord Stream 2, der Pipeline durch die Ostsee nach Russland.

Und unüberhörbar wandte er sich gegen all die "bevormundenden" Strömungen, die "apokalyptischen Reden" und stellte sie mit sozialistischen Ideen gleich, vermied aber das Wort Klimawandel in seiner gesamten Rede. Der einzige Lichtblick war die Ankündigung, sich an der Aktion "Eine Billion Bäume pflanzen" zu beteiligen – was mit kräftigem Applaus bedacht wurde.

In Summe eine Wahlkampfrede, die Graubereiche und Nachdenklichkeit nicht duldet und alle Gefahren des Klimawandels von sich weist – so als wären die infernalen Feuer in Australien nur eine Folge schlechter Waldpflege.

Die neue von der Leyen

Erfrischender Gegenpol war da die Festrede von Ursula von der Leyen am Vorabend beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen. Die Brillanz der Rede und die fast jugendliche Ausstrahlung der EU-Kommissionspräsidentin zeugten von Optimismus und Überzeugungskraft und geben Hoffnung, dass ihr das Billionen-Euro-Projekt "Green Deal" tatsächlich gelingt.

Ein Projekt, dessen Priorität von der Leyen heute in ihrer Rede zur Europäischen Union in Davos nochmals bekräftigte. Sie scheint aufgeblüht im neuen Amt, in dem sie ihre Vielsprachigkeit und ihre internationalen Erfahrungen voll einbringen kann. Das zeigt: Die Politik, sie bewegt sich doch.

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