Ein fast quadratischer Teich inmitten von Weinstöcken ist fast vollständig mit schwimmenden Solarmodulen bedeckt.
Schwimmende Photovoltaik – hier auf einem Bewässerungsteich eines kalifornischen Weinguts – gehört auch zum neuen grünen Repertoire in den USA. (Foto: SPG Solar/​Wikimedia Commons)

386 Milliarden Dollar will die US-Regierung in erneuerbare Energien, E-Autos und Batterie-Technologien sowie in hochmoderne grüne Wasserstoffindustrien investieren. Es ist die größte Summe an staatlichen Geldern, die je ein Land in Öko-Technologien investiert hat.

Dadurch sollen bis 2030 die CO2-Emissionen der USA um 40 Prozent gesenkt werden. Ist das eine Politik mit der "ökologischen Brechstange", wie die Süddeutsche Zeitung vermutet? Oder ist es das, was die westliche Führungsmacht der Umwelt und der Menschheit ganz einfach schuldet?

US-Präsident Biden hat ein klares Ziel: Seine Regierung will, dass die USA zur Weltmacht Nummer eins bei klimagerechten, grünen Technologien werden.

Das ist ökologisch sinnvoll und notwendig, stärkt zugleich die heimische Wirtschaft und schafft Millionen zukunftsfähiger Jobs, wie es Biden bereits in seinem Wahlkampf angekündigt hatte. Ein mögliches ökologisches Wirtschaftswunder für die USA.

Bis 2010 war Deutschland Vorreiter bei ökologischen Technologien, seither ist es China und nun wollen die USA Öko-Weltmeister werden. Endlich, sagt das Öko-Herz. Und endlich, sagen die Umweltverbände.

Doch für die EU-Europäer hat die Sache einen Haken. Präsident Biden verbindet den Öko-Aufbruch in seinem Land mit der doppelten Aufforderung an seine Landsleute: "Kauft amerikanisch und grün."

Die Europäer befürchten Wettbewerbsnachteile gegenüber der US-Wirtschaft. Viele Zukunfts-Unternehmen in Europa könnten wegen der günstigen Bedingungen und der Verlockungen staatlicher Steuergelder in die USA abwandern und mit ihnen Hunderttausende Arbeitsplätze.

Deutschland hat die Erneuerbaren China überlassen

Das könnte gerade für den deutschen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck ein Problem werden. Einerseits begrüßt er als grüner Minister die Öko-Investitionen in den USA, andererseits hat er als Wirtschaftsminister Sorgen um Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland. Zudem sollen Bidens Pläne gegen das Welthandelsabkommen verstoßen.

Besorgt zeigt sich auch die deutsche Industrie. Der BDI befürchtet massive Vorteile für die US-Kollegen und eine Abwanderungswelle deutscher Firmen in die USA. Schon der frühere Präsident Trump hatte mit seiner "America first"-Politik gegen die europäische Wirtschaft gekämpft, so ist zu hören, und nun könnte Präsident Biden ein "grüner Trump" werden.

Auch die französische Regierung ist besorgt. Präsident Macron befürchtet schon einen "Handelskrieg" zwischen der EU und den USA wegen der riesigen staatlichen US-Förderung für eine grüne Wirtschaft. Er wirft der Konkurrenz jenseits des Atlantiks eine aggressive Wirtschaftspolitik zulasten der Europäer vor.

Probleme könnte auch die deutsche Autoindustrie bekommen. Sie hat die Entwicklung der Elektromobilität um mindestens ein Jahrzehnt verschlafen. Erst Tesla und die chinesischen und japanischen Autofirmen haben die deutschen Nachzügler aufgeweckt. Die Aufholjagd in einer zentralen Branche wie der Automobilwirtschaft in Deutschland ist schwer.

Es war ein Riesenfehler der Bundesregierungen, den Ausbau von Solar- und Windenergie seit 2010 China überlassen zu haben. Etwa 150.000 Arbeitsplätze sind so ins Reich der Mitte abgewandert. Heute muss Deutschland 95 Prozent seiner hier installierten Solaranlagen aus China importieren, obwohl es sich meist um deutsche Technologie handelt. So rächen sich politische Fehler.

Wir sollten uns freuen – und selbst handeln

Wie kann der drohende Handelskrieg um die grünen Technologien aufgehalten werden?

Die Europäer sollten nicht darüber jammern, dass die USA nach Trump beim Klimaschutz endlich aufgewacht sind, sondern sich darüber freuen und selbst handeln.

In der EU müssen so rasch wie möglich mindestens 100 große Solarfabriken gebaut werden, damit nach der Energieabhängigkeit vom fossilen Zaren Putin nicht eine neue Abhängigkeit vom imperialen China oder vom erzkapitalistischen Amerika entsteht. 

Franz Alt

ist Journalist und Buchautor. Er leitete 20 Jahre das politische Magazin "Report" beim Südwest­rundfunk, danach bis 2003 die Zukunfts­redaktion des SWR. Sein jüngstes Buch mit Ernst Ulrich von Weizsäcker heißt: "Der Planet ist geplündert. Was wir jetzt tun müssen".

Macron und Biden haben bei ihrem Treffen in Washington immerhin beschlossen, alles zu tun, um den drohenden Öko-Handelskrieg abzuwenden. Ab sofort soll eine Kommission zwischen der EU und den USA darüber beraten, wie das gehen soll.

Ein weiterer Handelskrieg hätte in der Tat nur Verlierer – einschließlich des Klimas. Statt die USA bei der Energiewende zu bremsen oder ihnen eine Politik mit der "ökologischen Brechstange" vorzuwerfen, sollten die Europäer alles daran setzen, selbst mehr in Zukunftstechnologien zu investieren.

Eine vernünftige Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden, ist die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe der nationalen und der internationalen Politik im 21. Jahrhundert.

 

Anzeige