Für den heutigen Donnerstag erwartet der Deutsche Wetterdienst zunächst im Südwesten und Westen schwere Gewitter mit heftigem Starkregen, mit Hagel und Sturm – bis hin zu Orkanböen. Auch ein "erhöhtes Tornadopotenzial" sei nicht ausgeschlossen, warnt der DWD. Später ziehen die Unwetter bis in den Nordosten.
Wetter und Klima sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Attributionsforschung hat inzwischen aber auch gezeigt, wie ein wärmeres Klima Wetterphänomene direkt verstärken kann. Insofern fragt sich, ob die gegenwärtigen Rekord-Wassertemperaturen in mehreren Ozeanen auch für Mitteleuropa Folgen haben.
Der Nordatlantik ist derzeit 1,1 Grad wärmer als im Schnitt der vergangenen 40 Jahre. Und selbst das wärmste dieser 40 Jahre war nur um 0,55 Grad wärmer als der Mittelwert, umreißt Till Kuhlbrodt vom britischen National Centre for Atmospheric Science in Leeds die extreme Lage. Die jetzige Erwärmung ist damit doppelt so hoch wie im wärmsten Jahr zuvor, betont der Klimawissenschaftler.
"Die Hitzewelle im Nordatlantik ist außergewöhnlich stark", bestätigt Nicolas Gruber von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Ihn erinnere das an ein von ihm selbst beschriebenes Phänomen, den sogenannten "Blob" im nördlichen Pazifik.
2015 erlebte der Nordpazifik die bisher größte jemals aufgezeichnete marine Hitzewelle, auch als "Blob" bekannt. Sie führte unter anderem zu einer verbreiteten Korallenbleiche und zum Absterben von Korallenriffen. In der Spitze bedeckte der "Blob" ein Gebiet von vier Millionen Quadratkilometern, das sich von Alaska bis Mexiko erstreckte – ein Gebiet vergleichsweise größer als Indien.
Stärkere Erwärmung oberer Wasserschichten
Für Gruber ist es derzeit noch zu früh, die genauen Ursachen des Atlantik-"Blobs" zu kennen. Rückkopplungsprozesse würden dabei eine Rolle spielen.
So führten eine intensive Sonneneinstrahlung und die daraus folgende Erwärmung der Oberfläche dazu, dass die obersten Wasserschichten der Meere stärker geschichtet sind. Das verhindere, dass die Wärme in tiefere Bereiche gelangen kann, und begünstige wiederum die Erwärmung der Luft, erläutert Gruber.
Wirklich überrascht sind die Klimawissenschaftler aber nicht. Eine starke Zunahme mariner Hitzewellen werde auch in den Klimamodellen so vorausgesagt, bekräftigt Nicolas Gruber.
Dass die Oberflächentemperaturen der Weltmeere so hoch sind wie noch nie, sei in erster Linie eine Folge der menschengemachten globalen Erwärmung. Zwar erwärmten sich die Ozeane langsamer als die Landflächen, die Folgen würden nun aber immer deutlicher sichtbar, sagt der Experte.
Tatsächlich ergibt sich die derzeitige globale Erwärmung von rund 1,2 Grad aus einem "Temperaturmix": Um etwa 0,7 Grad haben sich die Weltmeere bisher erwärmt, etwa zwei Grad beträgt die bisherige Erwärmung über den Landmassen.
Vielzahl weiterer Einflussfaktoren
Klimaexperten haben noch weitere Prozesse im Blick, die den Atlantik-"Blob" speisen könnten.
So kommt für Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) auch das inzwischen offiziell festgestellte El-Niño-Ereignis infrage. Das großräumige Wetterphänomen treibt die Temperaturen im tropischen Pazifik nach oben und schlägt wegen der davon betroffenen riesigen Fläche auf die globale Mitteltemperatur durch.
Zudem wird vermutet, dass die kühlende Wirkung der zum Schutz von Umwelt und Gesundheit reduzierten Schwefelmengen in den Schiffstreibstoffen abgenommen hat. Den Effekt kennt man auch von Land: Der Einbau von Katalysatoren in Autos ließ die Luft in den Städten sauberer werden, wodurch die Sonneneinstrahlung zunahm.
Allerdings wurden die Schiffsemissionen, wie andere Fachleute einwenden, nach und nach über Jahre reduziert. Dies könne nicht unbedingt eine plötzliche extreme Wirkung auf die Erwärmung erklären.
Des Weiteren soll auch durch schwächere Passatwinde weniger Saharastaub in die Luft über dem östlichen Atlantik gelangt sein. Das hat dieselbe Wirkung auf Sonnenstrahlen wie fehlende Schwefel-Aerosole aus Schiffsabgasen.
Schließlich werden in der Klimawissenschaft auch abgeschwächte Meeresströmungen als Ursache diskutiert, speziell der von Passatwinden angetriebene atlantische Subtropenwirbel. Dieser bewegt eigentlich kühleres Wasser auf der Ostseite des Atlantiks nach Süden und dann weiter nach Westen in Richtung Karibik. Schwächt sich der Subtropenwirbel ab, kommt weniger kaltes Wasser in diese Meeresregionen – und diese werden wärmer.
Aus Sicht von PIK-Forscher Rahmstorf ist gegenwärtig noch nicht klar, wie stark all diese Phänomene zur Erwärmung beitragen. Das sei "noch nicht quantifiziert".
Auch Till Kuhlbrodt vom britischen National Centre hält die gleichzeitige extreme Erwärmung verschiedener Ozeanregionen für besorgniserregend, glaubt aber nicht, dass schon verstanden wird, warum dies geschieht.
Den Atlantik-"Blob" jedenfalls werden wir so schnell nicht loswerden. Er wird wahrscheinlich noch ein paar Monate bleiben, sagt Nicolas Gruber.
Stabile Omega-Wetterlagen im Sommer wahrscheinlich
Der "Blob" schädigt aber nicht nur marine Ökosysteme. Die hohen Temperaturen im Nordatlantik fördern auch die Bildung und Verstärkung tropischer Wirbelstürme und haben die Tendenz, sogenannte Omega-Wetterlagen zu schaffen, erläutert Gruber.
Als Omega-Lagen gelten stabile Wettersituationen, bei denen ein Hochdruckgebiet von zwei Tiefdruckgebieten flankiert wird. Für Europa bedeutet das dann einen heißen und trockenen Sommer – bis in den August hinein.
Die ungewöhnliche Wärme hat aber auch zur Folge, dass die Luft mehr Wasser aufnimmt, das dann nach Europa getragen werden kann. Das wiederum fördert Starkregen.
Die Wetterextreme werden uns also offenbar weiter begleiten, solange es den "Blob" gibt.