Unterwasseraufnahme eines Fischschwarms im blauen Pazifik.
Lange Zeit galten die Tropenmeere als die artenreichsten Meere. Das wird sich nun bald ändern. (Foto/​Ausschnitt: Jeff Tilde/​Wikimedia Commons)

Unter dem Meeresspiegel erstreckt sich eine dem Menschen weitestgehend unbekannte Welt. Rund 240.000 Meerestierarten sind bekannt. Forscher:innen schätzen den tatsächlichen Artenreichtum allerdings auf zwischen zwei und zehn Millionen.

Wie unbekannt und rätselhaft die Weltmeere auch sein mögen, vor dem Klimawandel sind sie nicht gefeit. Neue Untersuchungen zeigen, dass die Ökosysteme der Meere sogar schneller auf den Klimawandel reagieren als die an Land.

Dabei sind vor allem die tropischen Meere betroffen. Wenn die ohnehin schon hohen Wassertemperaturen weiter steigen, können einige Arten dort nicht mehr überleben. Sie reagieren, wenn möglich, mit der Abwanderung in höhere Breiten.

Die Biodiversität der Tropenmeere nimmt als Konsequenz ab, die Biodiversität in den höheren Breiten steigt dafür an.

Eine kürzlich im Journal Global Change Biology erschienene Studie unternahm eine Abschätzung der zukünftigen Verbreitung von über 33.500 Arten unter verschiedenen Emissionsszenarien. Die Forscher:innen prognostizierten, inwiefern sich die Eigenschaften der aktuellen Verbreitungsgebiete verändern und geeignet sind für die entsprechenden Arten.

In einem Szenario mit besonders hohen Treibhausgasemissionen werden laut Studie die tropischen Meere für 88 Prozent der dort vorkommenden Tierarten unbewohnbar. Im Szenario mit niedrigen Emissionen sind es acht Prozent, bei dem mittleren 24 Prozent.

Hohe Emissionen würden außerdem dazu führen, dass die Hälfte aller marinen Arten bis 2100 die Hälfte ihres Lebensraumes verliert. Und das sei nicht unwahrscheinlich, sagt der Meeresbiologe Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel, ein Mitautor der Studie. "Mittlerweile ist das höchste Emissionsszenario auch das wahrscheinlichste."

Großflächige Veränderungen in den marinen Ökosystemen sind heute schon zu beobachten. Doch warum verändert sich der Ozean so schnell?

Große Mengen CO2 machen die Meere sauer

Die Weltmeere schlucken den allergrößten Teil der globalen Erwärmung – etwa 93 Prozent. Dennoch erwärmt sich das Meer langsamer als das Land, was an den schier unfassbaren Wassermassen liegt.

Doch Fische und andere wechselwarme Organismen reagieren extrem sensibel auf Temperaturveränderungen. Wasser ist träge und zeigt nur geringe tageszeitliche Temperaturschwankungen. Dementsprechend sind viele Meerestiere nicht an große Schwankungen angepasst.

Wenn sich ihre Körpertemperatur erhöht, beschleunigt sich auch ihr Stoffwechsel. Das heißt, die Tiere müssen unter schlechteren Bedingungen mehr Nahrung zu sich nehmen und haben einen höheren Sauerstoffbedarf.

Da wärmeres Wasser zudem weniger Sauerstoff enthält, ergeben sich relativ klare artspezifische Temperaturgrenzen. Für die meisten Tropenfische liegen diese bei um die 35 Grad Wassertemperatur. Das wird schon heute an einigen Küsten und Lagunen zeitweise überschritten. Für viele Korallen-Ökosysteme liegt die Grenze bereits bei 29 Grad.

Die Ozeane nehmen nicht nur die Wärme auf, sondern auch große Mengen CO2. Dieses reagiert im Meer und führt zu einer Versauerung des Wassers. Das ist besonders problematisch für kalkbildende Arten und Ökosysteme, wie Muscheln, Seeigel und auch wieder Korallen.

Bisher gebe es noch keine Belege dafür, dass der sinkende pH-Wert großen Schaden im Meer anrichtet, sagt Meeresbiologe Froese. Aber das Wasser wird von Jahr zu Jahr saurer. "Wir wissen nicht, wo der Kipppunkt liegt, aber wir wissen, dass er nah ist", erklärt Froese.

Haie wandern in die Polarmeere

Die großen Wanderbewegungen unter Wasser führen zu neuen Artenkonstellationen und Ökosystemen. Daraus können auf lange Sicht neue, ausbalancierte Systeme entstehen. Vor allem aber stellt dies unmittelbar eine Gefahr für bestehende Ökosysteme dar.

Raubfische erschließen sich neue Gebiete mit unangepassten Beutetieren. Lange Zeit wanderten etwa Haie kaum in die kalten Polarmeere. Durch den Temperaturanstieg dort passiert das mittlerweile aber immer öfter – mit möglicherweise katastrophalen Folgen.

"Wir kennen das von Inseln mit flugunfähigen Vögeln. Als dort Katzen oder Hunde eingeschleppt wurden, dauerte es wenige Jahre und diese Vögel waren ausgerottet", sagt Froese.

Ebenso ist der Fischfang betroffen. Fischpopulationen werden kleiner und besonders für tropische Küstengemeinden schwindet Jahr für Jahr die Lebensgrundlage.

Gleichzeitig setzt der industrielle Fischfang den Meeresökosystemen zu. Stress und unnatürlich kleine Populationen als Folge der Überfischung führen zu einer geringeren Anpassungsfähigkeit betroffener Arten.

Kabeljau schwimmt im Wasser.
Der Dorsch verschwindet langsam aus der Ostsee. (Foto: Hans-Petter Fjeld/​Wikimedia Commons, CC BY‑SA)

In der Ostsee zeigen Studien, dass Hering und Dorsch stark unter dem Klimawandel leiden, während Plattfischarten wie die Scholle kaum Probleme haben. Der einzige Unterschied zwischen den Arten: Hering und Dorsch werden seit Jahrzehnten überfischt.

Es gäbe zwar noch viel zu erforschen, sagt Froese, aber für die Politik reichen die bisherigen Kenntnisse aus. Man wisse, was zu tun ist, und ganz oben auf der Liste stünden die Klimaziele. Klimaschutz sei Meeresschutz. Wir müssten alles daransetzen, die Temperaturziele einzuhalten.

Aber die Erderwärmung ist nicht die einzige Baustelle. Die Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik und eine unersättliche Fischereiindustrie kommen obendrauf.

Gerade die Überfischung ließe sich schnell und einfach stoppen, argumentiert Froese. "Wir müssen die Subventionen an die Fischerei beenden. Das kostet uns nichts und es wäre ein riesiger Beitrag, um unsere Meere zu schützen und ihren Bewohnern die Möglichkeit zu geben, sich an den Klimawandel anzupassen."

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