Die Ozeane der Erde sind in den Wechseljahren. Die erste Warnung kam schon vor zwei Monaten von der US-Wetterbehörde NOAA. Anfang April zeigten deren Daten einen Anstieg der weltweiten Oberflächentemperatur der Ozeane auf einen bisher nie dagewesenen Wert – im Mittel 21,1 Grad Celsius.

 

Aber noch mehr: Normalerweise wäre sie in den folgenden Wochen, wie in den Vorjahren, wieder abgesunken, denn über dem größeren, südlichen Teil der Weltmeere herrscht Winter. Doch die Temperaturen gingen kaum zurück.

Das schien schon dramatisch. Doch nun zog die NOAA Bilanz, und es zeigte sich: Die Temperaturen liegen mit 20,9 Grad auch jetzt immer noch um rund ein Grad über dem Durchschnittswert seit 1982 und sind damit so weit erhöht wie nie zuvor.

Für den Nordatlantik, wo die Temperaturen besonders stark in die Höhe schnellten, wurden 22,7 Grad gemeldet. In den tropischen Regionen dieses Ozeans, wo sich üblicherweise Hurrikans entwickeln, waren es sogar schon 28 Grad, ein absoluter Rekordwert für den Monat Juni.

In der Fachwelt haben die Daten große Aufregung verursacht. Es handle sich um eine "extreme Temperaturabweichung nach oben", kommentierte zum Beispiel der deutsche Ozeanograf Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

El Niño, Meereis, Schiffe oder Golfstrom?

Aber was ist die Ursache? Wahrscheinlich kommen mehrere Faktoren zusammen. So hat im Pazifik eine El‑Niño-Phase begonnen, die zu einem allgemeinen Temperaturschub führt.

Außerdem sorgt ein Rekordminimum bei der Meereisbedeckung in der Antarktis für höhere Wassertemperaturen.

Hinzu kommt eine paradoxe Entwicklung: Die Sonneneinstrahlung über Atlantik und Pazifik ist erhöht, weil dort weniger Luftverschmutzung herrscht als vor der Einführung von schwefelarmen Schiffskraftstoffen im Jahr 2020. Die kühlende Wirkung des Drecks in der Luft fällt weg.

Und es gibt noch eine weitere Erklärung. Es könnte sein, dass sich Meereszirkulationen im Atlantik abgeschwächt haben. Auch das würde höhere Temperaturen in einem Teil dieses Ozeans erklären.

Darüber, welcher Faktor welchen Einfluss hat, lässt sich nur spekulieren.

Doch Entwarnung kann leider nicht gegeben werden. Mehr als 90 Prozent der gigantischen Menge überschüssiger Energie, die durch die menschengemachte Klimaerwärmung entsteht, werden bisher von den Meeren absorbiert.

Wenn man das weiß, darf man sich eigentlich nicht wundern, wenn da, wie jetzt geschehen, etwas Unerwartetes passiert.