Moore bedecken nur drei Prozent der Landoberfläche, speichern aber doppelt so viel CO2 wie alle Wälder. (Foto: Anja Osenberg/​Pixabay)

Wiedervernässte Moore tragen seit einiger Zeit ein neues Öko-Etikett. Sie gehören zu Maßnahmen des sogenannten natürlichen Klimaschutzes, ebenso wie belebte Mischwälder, renaturierte Auen oder entsiegelte Böden.

Will Deutschland auf einen Klimapfad, der bis 2045 zu netto null Emissionen führt, müssten jährlich etwa 50.000 Hektar Moorflächen wiedervernässt werden, wiederholte Jan Peters, Geschäftsführer der Succow-Stiftung, am gestrigen Montag auf der Tagung "Moorschutz ist Klimaschutz" in Berlin eine bekannte Zielmarke.

"Im Moment schaffen wir gerade einmal 1.000 bis 2.000 Hektar im Jahr", so Peters weiter. Entsprechend müssten die Anstrengungen "exponentiell" verstärkt werden.

Ihren Auftritt auf der Konferenz nutzte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zu der Ankündigung, für das geplante Aktionsprogramm "Natürlicher Klimaschutz" werde der neu eingerichtete Naturschutzfonds mit zusätzlich vier Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre ausgestattet.

Die Milliardensumme sei von der Regierung bereits beschlossen, sagte Lemke. Zwar liege die Hoheit über den Haushalt beim Bundestag, aber sie habe dort große Unterstützung und rechne nicht damit, dass die Mittel infrage gestellt werden.

Für die zusätzlichen Gelder würden dann, so die Ministerin weiter, bis zum Sommer entsprechende Förderprogramme aufgelegt. Dabei gehe es besonders um Maßnahmen, die eine Win-win-Situation zwischen Klimaschutz und biologischer Vielfalt schaffen könnten.

Der Schutz der Moore und ihre Wiedervernässung stellen den ersten und wichtigsten Punkt des kommenden "Natürlicher Klimaschutz"-Programms dar. Damit sollen nicht nur wieder intakte Moore geschaffen, sondern auch Landwirte dabei unterstützt werden, Moorflächen angepasst zu bewirtschaften. Die bisherigen Landnutzer bräuchten eine Zukunftsperspektive, betonte die Ministerin dann am heutigen Dienstag bei der Präsentation der Programm-Eckpunkte.

Weitere der zehn Eckpunkte betreffen einen naturnahen Wasserhaushalt mit lebendigen Flüssen, Seen und Auen oder marine Ökosysteme wie Seegraswiesen, Salzmarschen und Algenwälder. Alte, naturnahe Buchenwälder in öffentlichem Besitz sollen gänzlich aus der Nutzung genommen werden, sagte Lemke.

Krisenmanagement darf nicht die nächste Krise befeuern

Die Ministerin zeigte sich schon am Montag erleichtert über die gelungene die Mittel-Aufstockung trotz der veränderten politischen Rahmenbedingungen. Diese hätten allerdings "massive Auswirkungen", räumte sie ein. So hätten Diskussionen darüber begonnen, ob Natur- und Klimaschutz möglicherweise hintenan stehen sollen.

"Wir merken an verschiedenen Ecken und Kanten, dass diese Diskussion jetzt nochmal drängender wird", sagte Lemke. Ein Zeichen sei auch, dass die EU-Kommission letzte Woche das Renaturierungsgesetz von der Tagesordnung genommen habe.

Sie halte es für "völlig falsch", so die Ministerin, wenn Deutschland nun in Muster und Politikansätze zurückfiele, "die wir inzwischen eigentlich überwunden haben". Es dürften nicht noch mehr Krisen gleichzeitig kumulieren. Deshalb habe sie sich als Ministerin auch entschieden, jetzt mit den Eckpunkten zum Aktionsprogramm an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Moorschutz sei dabei einer der wichtigsten Punkte.

Die Milliarden-Größenordnung war unter anderem vom Präsidenten des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, ins Gespräch gebracht worden. Der DNR ist der Dachverband der deutschen Umweltverbände.

Im Interview mit Klimareporter° hatte Niebert die Kosten auf rund eine Milliarde Euro jährlich geschätzt, um der Natur auf zehn Prozent vor allem agrarisch genutzter Fläche wieder mehr Raum zu geben. Das habe die Zukunftskommission Landwirtschaft schon "grob überschlagen und gutgeheißen".

Mit den jetzt von der Ministerin "organisierten" vier Milliarden werde man "größere Hebel" als in der Vergangenheit für den natürlichen Klimaschutz zur Verfügung haben, unterstützte Niebert die Ministerin am Montag auf der Tagung.

Moorschutz gilt nicht für Autobahnbau

Beim Moorschutz gehe es nicht darum, weitere Moore vor der Trockenlegung zu retten, stellte der DNR-Chef klar. Vielmehr müsse ein Prozess der Renaturierung in Gang gesetzt werden, in diesem Fall durch Wiedervernässung.

Niebert wiederholte auf der Tagung einen weiteren Satz aus dem Interview: "Beim Klimaschutz steht die Uhr auf fünf vor zwölf, aber bei der biologischen Vielfalt ist sie längst abgelaufen."

Besonders um den Moorschutz kündigen sich harte Konflikte an. Mehrfach wurde Lemke dieser Tage gefragt, wie sich ihr Programm zum natürlichen Klimaschutz damit verträgt, dass für die endgültige Fertigstellung der sogenannten Küstenautobahn A20 noch immer bestehende Moore trockengelegt werden sollen.

Allein für die ersten zwei der noch geplanten Bauabschnitte sollen wertvolle Moor- und Marschböden zerstört und 1,8 Millionen Kubikmeter Torf abgestochen werden.

Die Bundesumweltministerin sprach hier von einem "Spannungsverhältnis" und einem "Widerspruch", der im Moment "nicht aufgelöst" werden könne. Sie halte es für wünschenswert, wenn für Straßenbau- und andere Infrastrukturprojekte in Deutschland keine Moore mehr entwässert würden.

Lemke verwies dabei auch auf das bereits angelaufene Vorhaben der Ampel-Koalition, den Bundesverkehrswegeplan vor dem Hintergrund der Klimakrise noch einmal zu überdenken.

Der Beitrag wurde am 29. März um 15:20 Uhr nach der Pressekonferenz der Bundesumweltministerin aktualisiert.

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