Immer noch bedient die ARD mit der "Börse vor acht" kurz vor der Tagesschau eine Minderheit inländischer Aktienbesitzer. Die Initiative "Klima vor acht" will das ändern und wirbt seit einem Dreivierteljahr dafür, die Investoren-Tipps durch eine aufklärende Sendung zur Klimakrise zu ersetzen.
So lange, bis sich die ARD oder möglicherweise auch der Privatsender RTL besinnen, wollte die Initiative aber nicht warten. Per Crowdfunding finanzierte sie bisher sechs "Klima vor acht"-Folgen, die im eigenen Youtube-Kanal zu sehen sind.
Die erste Folge befasst sich mit Mooren, den "besseren Wäldern", wie es im Titel heißt. Obwohl Wälder, global gesehen, zehnmal mehr Fläche als Moore einnehmen, speichern Moore doppelt so viel Biomasse, erläutert Moderatorin Nina Eichinger.
Biomasse verrottet im Moor unter Wassereinschluss nicht, sondern wandelt sich langfristig in Torf um. Und der soll künftig auch dort bleiben und nicht wie früher verfeuert oder wie heute als Blumenerde verkauft werden. So funktionieren "negative Emissionen" auf natürliche Weise.
Das Klimaschutz-Potenzial der "besseren Wälder" in Deutschland ist beachtlich. Nach Angaben des Greifswalder Moorzentrums könnten durch die Wiedervernässung von Mooren jährlich bis zu 25 Millionen Tonnen CO2 gebunden werden.
Werde außerdem die auf Moorwiesen wachsende Biomasse nachhaltig genutzt und ersetze fossile Energieträger, entstehe eine zusätzliche Emissionsminderung. Die Wiedervernässung von Mooren sei in Bezug auf CO2-Vermeidungskosten und Flächeneffizienz eine der kostengünstigsten Klimamaßnahmen in Land- und Forstwirtschaft, schreiben die Wissenschaftler.
Deutschland, Weltmeister der Moor-Zerstörung
So groß die Potenziale der Moore sind, so wenig werden sie genutzt. Im Gegenteil: Die CO2-Emissionen durch vor allem im 19. und 20. Jahrhundert trockengelegte Moore sind enorm. In Deutschland sind heute von den einst 1,8 Millionen Hektar Moorflächen 92 Prozent entwässert.
Das verursache jährlich rund 47 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, was einem Anteil von mehr als fünf Prozent am gesamten deutschen Treibhausgasausstoß entspreche, rechnet das Bundesumweltministerium in einem Papier zur geplanten Moorschutzstrategie vom vergangenen November vor. Geschichtlich gesehen nehme Deutschland bei der "Kultivierung" der Moore und ihrer landwirtschaftlichen Nutzung eine weltweite Spitzenstellung ein.
Moore, Wälder und ähnliche Flächen zählen aus Sicht des Klimaschutzes zum Bereich der Landnutzung, der international unter der Abkürzung LULUCF firmiert. Durch Landnutzungsänderungen sollen in Deutschland ab 2045 jährlich rund 40 Millionen Tonnen CO2 quasi absorbiert werden, damit das Land von da an klimaneutral wirtschaftet. So will es das neue Klimaschutzgesetz der Bundesregierung.
Die 40 Millionen Tonnen sind ohne eine Kehrtwende beim Moorschutz nicht zu erreichen. Da passt es eigentlich ganz gut, dass das Bundesumweltministerium noch einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD abzuarbeiten hat: die Vorlage einer neuen Moorschutzstrategie.
Mit diesem Plan soll ab 2030 eine Senkenwirkung von jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 erreicht werden, wie das Ministerium auf Nachfrage mitteilt. Dass "negative Emissionen" durch Landnutzungsänderung offiziell beim Klimaziel mitzählen sollen, ist ein ganz neues Element im regierungsoffiziellen Klimaschutz.
50.000 Hektar jährlich wiederzuvernässen
Was aber muss geschehen, damit Moore wieder zu "besseren Wäldern" werden? Hier hält sich das Ministerium auch auf Nachfrage eher bedeckt. Die Leistungsfähigkeit natürlicher Ökosysteme müsse verbessert werden, etwa durch die Wiedervernässung einstiger Moorböden. Dafür werde die Bundesregierung auch finanzielle Anreize geben.
Konkretere Angaben sind vom Deutschen Naturschutzring (DNR) zu bekommen. Für die fünf Millionen Tonnen CO2 müssten jährlich 25.000 Hektar wiedervernässt werden, teilt der Umwelt-Dachverband mit. Von der Fläche her ist das ungefähr ein halber Bodensee.
Für DNR-Geschäftsführer Florian Schöne ist diese Größenordnung aber "deutlich zu unambitioniert". Um spätestens 2050 auf netto null CO2-Emissionen aus organischen Böden in Deutschland zu kommen, müsse mindestens eine doppelte so große Fläche wiedervernässt werden – jedes Jahr 50.000 Hektar, also ein ganzer Bodensee.
Auf dem größten Teil der entwässerten Moorböden befinden sich heute Grünland, Äcker und Wald. Nutzungskonflikte sind aber nicht nur mit Landwirten programmiert. Hindernisse für eine Wiedervernässung seien auch vorhandene Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen, heißt es im Strategie-Papier des Umweltministeriums.
Selbst Windkraft- und Solaranlagen seien auf einigen Moorflächen errichtet worden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass nur ein Teil der Flächen wiedervernässt werden kann und Moorböden auch in Zukunft noch erhebliche Mengen an Treibhausgasen emittieren.
Neues Schutzkonzept noch im Juli?
Ob die Bundesregierung die neue Strategie zum Moorschutz in der zu Ende gehenden Legislaturperiode noch vorlegt, ist nicht sicher. Mitte Mai forderten etwa 20 Umweltorganisationen die Regierung auf, "endlich eine ambitionierte Moorschutzstrategie zu verabschieden", die mit den Zielen des neuen Klimagesetzes übereinstimmt.
Laut der Klimareporter° vorliegenden Kabinetts-Zeitplanung sollte das Umweltministerium die Strategie schon im Juni vorlegen. Der Entwurf befindet sich aber noch in der Abstimmung mit den anderen Ressorts, wie eine Sprecherin des Ministeriums mitteilte. Wie lange das dauert, sei "derzeit noch nicht absehbar". Angestrebt werde ein Kabinetts-Termin im Juli.
Selbst wenn das noch klappt, wird das neue Konzept nicht mehr als eine Hinterlassenschaft für die neue Bundesregierung sein. Im Bundestag jedenfalls verfallen alle Gesetzesvorlagen mit dem Ende der Legislatur.