Das Wichtigste aus 52 Wochen: Sonst befragen wir die Mitglieder unseres Herausgeberrats im Wechsel jeden Sonntag zu ihrer klimapolitischen Überraschung der Woche. Zum Jahresende wollten wir wissen: Was war Ihre Überraschung des Jahres? Heute: Oliver Hummel, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom.
"Winter is coming", hieß es in der beliebten Serie Game of Thrones, in der die Jahreszeiten unvorhersehbar lange dauern. Im echten Leben kommt eher die Klimakrise – und zwar mit Siebenmeilenstiefeln. Denn 2024 geht als das erste Jahr in die Geschichte ein, in dem die global gemittelte Temperatur mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt.
Damit gilt das 1,5-Grad-Ziel der Pariser Klimakonferenz zwar noch nicht als verfehlt, weil hierzu die Daten aus mehreren Jahren in die Berechnung einfließen. Dennoch ist dieser Temperaturrekord für die Weltgemeinschaft ein ernster Warnschuss.
Dass wir diese Negativ-Marke so schnell reißen werden, hat mich überrascht und nachdenklich gemacht. Denn ob der Warnschuss tatsächlich überall gehört wird, ist alles andere als sicher.
Die Energiewende ist ein riesiges Innovationsprogramm
Politische Veränderungen wie die erneute Wahl von Donald Trump oder der Bruch der Ampel-Regierung bestimmen das Tagesgeschehen und lenken den Blick auf die eher kurzfristigen Herausforderungen. Internationale Kriege und Krisen, Industrie- und Handelspolitik stehen im Vordergrund.
Die Klimakrise wirkt demgegenüber seltsam weit weg. Dabei ist sie längst da. Im Vergleich zu Trump kommt sie allerdings auf leisen Sohlen, sie wirkt sich regional und in ihrer Intensität sehr unterschiedlich aus.
Und das Tückische: Ob wir es in den nächsten wenigen Jahren schaffen, sie im Zaum zu halten, werden womöglich erst unsere Kinder und Enkel wirklich beurteilen können. Um das Blatt noch zu wenden, müssen wir 2025 zu einem Jahr der Chancen machen. Und alle folgenden am besten auch.
Bedingt durch die Energiepreiskrise 2022 und hausgemachte Probleme der Bundesregierung ist der Blick auf die Chancen in der Energie- und Klimadebatte in den letzten Jahren zu sehr aus dem Blickfeld geraten.
Dabei gibt es sie, für den einzelnen Haushalt wie für unsere Volkswirtschaft. Die Energiewende ist und bleibt ein riesiges Investitions- und Innovationsprogramm für unser Land.
Manches ruckelt noch sehr, aber der Zug rollt
Viel wurde in den letzten drei Jahren auf der politischen Bühne bewegt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien spürbar zu steigern – mit Erfolg. Und so ist der Umbau unseres Energiesystems längst in vollem Gange. Vieles läuft dabei richtig gut, manches ruckelt noch sehr. Das Negative stand zuletzt quasi allein im Fokus.
Dabei ist es fast egal, mit welcher Parteibrille man auf die Situation blickt: Eine Rückabwicklung der bisherigen Erfolge kann es ebenso wenig geben wie ein Zurück zu den energiepolitischen Schlafwagen-Jahren der Merkel-Ära. Der Zug rollt. Die kommende Bundesregierung, wer auch immer ihr angehört, muss daher ambitionierte Ziele für den weiteren Transformationspfad verfolgen.
Und damit aus Rahmenbedingungen auch Realität wird, brauchen wir den Blick auf die Chancen: Das Elektroauto wochenlang im Sommer kostenlos laden. Mit dem Steckersolargerät in der Mietwohnung unkompliziert sparen. Emissionsfrei und zugleich günstig heizen. Alles möglich!
Der fatale und falsche Kurzschluss, dass Klimaschutz Bevormundung bedeutet, sobald er konkret wird, muss wieder raus aus den Köpfen.
Wenn das gelingt, hilft es nicht nur der Stimmung im Land, sondern auch dem Klima.