Schon im Koalitionsvertrag von SPD und BSW in Brandenburg kommt Klimaschutz nur in Form von Verweisen vor, und zwar auf den Klimaplan von Anfang März sowie auf klimarelevante Papiere wie die Energie- oder Wasserstoffstrategie.

Den Klimaplan für Brandenburg hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) überhaupt erst auf großen Druck hin veröffentlicht. Die jetzt getroffenen Entscheidungen der Landesregierung erwecken den Eindruck, der Klimaplan solle zum geduldigen Papier werden und als Feigenblatt dienen.

 

Offiziell wurde der Klimaschutz aus dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium ausgegliedert und beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz angesiedelt. Die Klimapolitik ist damit strukturell von der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik getrennt.

Und erst seit Kurzem ist bekannt, dass eine neue Abteilung namens "Klimaschutz, Schwarzarbeitsbekämpfung, Geldwäscheprävention" die Klimapolitik im Land verwalten soll.

Der stiefmütterliche Umgang mit dem Thema erschreckt. Auch wirft die Vermischung von Klimaschutz mit der Bekämpfung illegaler Geschäftspraktiken die Frage auf, ob das Ministerium tatsächlich verstanden hat, was Klimaschutz bedeutet, und ob es bereit ist, die drängenden Herausforderungen anzunehmen.

Der Energiekonzern Leag schuf sich eine "Bad Bank"

Dabei könnte der Wechsel ins neue Haus sogar Chancen bieten – etwa neue Perspektiven für den Arbeitsmarkt, eine resiliente und zukunftsfähige Wirtschaftsentwicklung und die Energiewende. Mit der Energiesparte tut man sich aber schwer, dabei wäre hier eine Zusammenschau mit der Bekämpfung fragwürdiger Geschäftspraktiken von Vorteil.

Denn die Zeit um die Landtagswahl nutzte die Lausitzer Energie AG (Leag) für eine Umstrukturierung mit gravierenden Folgen. Der Konzern lagert seine Braunkohleverstromung in eine "Bad Bank" aus. Damit wird de facto die finanzielle Verantwortung der Leag für die Rekultivierung ausgehebelt.

Bild: privat

Magdalena Eder

ist Koordinatorin und Projekt­leiterin beim Klima­bündnis Branden­burg. Zuvor war sie unter anderem Nach­haltig­keits­managerin im Kommunikations­bereich und befasste sich im Studium mit affektiver Meinungs­veränderung im Hinblick auf E‑Mobilität und mit der Akzeptanz von Klima­schutz­maßnahmen.

Umweltverbände wie die Grüne Liga warnen, dass diese Konstruktion darauf abzielt, profitable Geschäftszweige vor finanziellen Nachforderungen zu schützen. Brandenburg droht auf den immensen Folgekosten der Braunkohle sitzenzubleiben, während sich der tschechische Mutterkonzern EPH aus der Verantwortung stiehlt.

Die Konsequenz: Die Öffentlichkeit bleibt über die tatsächliche finanzielle Lage im Unklaren und Brandenburg könnte in kommenden Jahrzehnten Milliardenbeträge für die Beseitigung der Tagebaufolgen aufbringen müssen, während Leag und EPH Subventionen und Gewinne aus dem Geschäft mit erneuerbaren Energien abschöpfen.

Auch der Abschlussbetriebsplan für den Braunkohletagebau Jänschwalde nördlich von Cottbus wurde eilig genehmigt – ohne einen Erörterungstermin für Verbände und betroffene Bürger:innen. Hier wird versucht, die Öffentlichkeit auszuschließen, auch wenn das zuständige Landesbergamt argumentiert, eine Erörterung sei verfahrensrechtlich nicht nötig.

Angesichts der Bedenken bei der geotechnischen Sicherheit und Wasserverfügbarkeit für die geplante Jänschwalde-Folgelandschaft mit drei Seen ist eine Beteiligung der Betroffenen dringend erforderlich. Die schweren Böschungsrutschungen am Cottbuser Ostsee haben gezeigt, dass eine sorgfältigere Prüfung im Fall Jänschwalde gerechtfertigt ist.

Sozialer Druck in der Lausitz steigt

Auch muss das Nachbarland Polen ins Verfahren einbezogen werden, da Wasser aus der Neiße benötigt wird. Einziger Hoffnungsschimmer: Die öffentliche Erörterung könnte im wasserrechtlichen Verfahren noch stattfinden.

Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde geht 2028 planmäßig vom Netz. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium setzt sich für ein neues Gaskraftwerk am selben Standort ein. Doch die Zeit läuft und bislang gibt es keine Pipeline, die den Betrieb eines solchen Kraftwerks ermöglichen würde. Ihr Bau ist ungewiss.

Ein Scheitern von Jänschwalde als Energiestandort wäre eine herbe Niederlage für Ministerpräsident Woidke, der keine alternativen Strukturwandelpläne für die Region vorweisen kann. Ein klares Konzept für die Zukunft der Region nach dem Kohleausstieg 2028 fehlt. Der soziale Druck in der Lausitz steigt. Doch statt auf tragfähige Zukunftsszenarien setzt man weiterhin auf fossile "Brückentechnologien" und auf Abwarten.

In der Erdölraffinerie Schwedt wird derweil sogar vom Hochfahren wie in alten Zeiten mit russischem Öl geträumt. Von tragbaren Zukunftsperspektiven und Investitionen in eine Wasserstoffinfrastruktur ist man hier noch weit entfernt.

Zudem zeigt der aktuelle Entwurf zum Doppelhaushalt des Landes: Bei der Braunkohle werden weiter Chancen verpasst. Für das Wassermanagement fehlen Mittel, doch Potenziale für Einnahmen wie aus der Braunkohle-Sumpfungswassernutzung werden verschenkt. Dabei könnte dieses Geld gezielt in Rückhalt und Verteilung investiert werden.

Der Neuzuschnitt der brandenburgischen Ministerien sorgt auch an anderer Stelle für Probleme: Die Trennung von Umwelt- und Klimaschutz erschwert eine abgestimmte Strategie. Naturschutz- und Umweltbelange werden in beiden Häusern vor allem unter wirtschaftlichen Verwertungsgesichtspunkten betrachtet – etwa bei der angestrebten Aufweichung des Schutzstatus von Landschaftsschutzgebieten.

Landesregierung scheut Konflikte um Moorvernässung

Besonders betroffen sind davon die Moore, die eigentlich Joker beim Klima- und Naturschutz sind. Sie bieten Lebensraum für bedrohte Arten, regulieren den Wasserhaushalt und speichern CO2 effizienter als Wälder. Ihre Wiedervernässung ist essenziell für das Erreichen der internationalen Klimaziele.

Brandenburgs Landesregierung hält wichtige Maßnahmen zur Moorrenaturierung jedoch klein oder stoppt sie sogar. Berichten zufolge zieht sich das Land bereits aus der finanziellen Unterstützung entsprechender Projekte zurück.

So ähnlich wie die aktuelle Parteienlandschaft in Brandenburg sieht auch die von der rot-lila Koalition bevorzugte Agrarlandschaft aus. (Bild: Eric Neuling/​Nabu)

Natürlich ist der Moorschutz gemeinsam mit Landnutzenden und Anwohnenden zu gestalten. Ob er überhaupt betrieben wird, darf aber nicht zur Debatte stehen. Hier scheut die Landesregierung mutige Schritte in der Auseinandersetzung mit Landnutzer:innen.

Die Landwirtschaft in Brandenburg leidet massiv unter den Auswirkungen der Klimakrise. Auch dieses Jahr ist der Frühling viel zu trocken und gefährdet Ernten, sorgt für einen frühen Start in die mittlerweile akzeptierte Waldbrandsaison und trocknet Moorflächen weiter aus, was sie von CO2-Speichern zu Emittenten macht. Dennoch betont die Landesregierung, der Sektor tue bereits genug fürs Klima.

Statt gezielt den Wandel zu klimaschonenden Praktiken zu unterstützen, setzt die Landespolitik auf mehr Pestizide, mehr Dünger und eine Intensivierung von Landwirtschaft und Massentierhaltung – entgegen allen Erkenntnissen zur Biodiversitäts- und Klimakrise.

Naturgebiete sollen künftig "Kulturlandschaft" heißen

Die Folgen sind fatal: Das Artensterben in Brandenburgs Landschaft schreitet ungebremst voran. Landwirtschaftliche Flächen mit hohem Naturwert nehmen stetig ab. Der Umwelt wird kein eigenständiger Wert mehr beigemessen.

Den Begriff "Natur" und das Ziel, die Natur zu schützen, ersetzt Agrar-Staatssekretär Gregor Beyer durch "Kulturlandschaften". Wirtschaftlichkeit und die Profitinteressen weniger scheinen die Maxime zu sein. Dass eine intakte Umwelt ein essenzieller Bestandteil des Gemeinwohls ist und ihre Erhaltung langfristig auch ökonomisch notwendig bleibt, scheint keine Rolle zu spielen.

Besonders alarmierend: Der neue Staatssekretär nutzt seine Position, um eine agrarzentrierte Agenda mit hohem Tempo voranzutreiben, und stellt sich als Retter der Landnutzenden dar – deren Interessen er in seiner Tätigkeit für das "Forum Natur" lange Zeit auch offiziell vertrat.

Gleichzeitig stehen Umwelt- und Klimaschutz im neuen Sonderausschuss für Bürokratieabbau unter Druck. Statt eine sinnvolle Vereinfachung von Prozessen und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Landnutzer:innen und Umweltverbänden zu fördern, sollen hier unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Umweltstandards aufgeweicht oder ganz ausgehöhlt zu werden. Auffällig: Anhörungen wurden bislang ausschließlich mit Agrar- und Agrarlobby-Verbänden geführt.

Laut dem Haushaltsentwurf soll auch beim Flächennaturschutz gekürzt werden: 15 Natura-2000-Stellen sind nicht mehr gesichert, die Naturwacht reduziert wegen steigender Tarife ihre Stunden – auf Kosten von Bildung und Naturschutz vor Ort.

 

Mittlerweile stellt sich die Frage: Werden Umwelt- und Klimaschutz in Brandenburg bewusst kurzfristigen Lobbyinteressen geopfert? Oder gibt es noch Hoffnung auf eine ausgewogene und sachgerechte Debatte?

Das Klimabündnis Brandenburg als Zusammenschluss von Umwelt-, Verkehrs- und Klimaschutzorganisationen steht als sachorientierter Dialogpartner und Stimme der Zivilgesellschaft für einen Austausch auf Augenhöhe weiterhin bereit.

Konferenz zum EPH-Konzern in Cottbus

Das europaweite Netzwerk Beyond Fossil Fuels veranstaltet am 12. April im Menschenrechtszentrum Cottbus eine zivilgesellschaftliche EPH-Konferenz. Dabei geht es um das fossile Geschäftsmodell des komplexen Unternehmensnetzwerks rund um den Leag-Mutterkonzern EPH und die Leag.