Noch über viele Jahrzehnte wird die Sanierung und Rekultivierung der Braunkohle-Tagebaue massive Kosten verursachen. Dabei steht die Befürchtung im Raum, dass die ostdeutschen Tagebaubetreiber Lausitzer Energie AG (Leag) und Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag), beides Tochterunternehmen der transnationalen Holding EPH, sich durch geplante Insolvenzen aus der Verantwortung stehlen könnten.

 

Diese Warnungen erhielten im Juni neue Nahrung. Die Leag gab bekannt, ihre Erneuerbaren-Sparten säuberlich vom Kohlegeschäft zu trennen.

Angesichts der zugleich angeschobenen massiven Investitionen des Unternehmens in erneuerbare Energien auf den riesigen Tagebauflächen ist absehbar, dass dort für die Leag die Haupteinnahmequelle der Zukunft liegt. Diese wird auch für die langfristige Absicherung der Rekultivierungskosten entscheidend sein. Interne Haftungsverpflichtungen zwischen den Konzernteilen scheinen jedoch nicht sichergestellt.

Vorsorgegesellschaften als "Verschlusssache"

Zwar wurden, nicht zuletzt durch zivilgesellschaftlichen Druck, in den letzten Jahren Vorsorgegesellschaften für die Braunkohle-Altlasten eingerichtet, um die vorgeschriebenen Bilanzrückstellungen der Unternehmen insolvenzfest zu ergänzen. Die Zweifel bleiben jedoch: Beide Konzerne halten ihre Sanierungskonzepte samt der daraus resultierenden Kostenannahmen als "Geschäftsgeheimnisse" unter Verschluss.

Blick über den riesigen Tagebau Nochten. Ganz hinten am Horizont ist am Bildrand das Braunkohlekraftwerk Boxberg zu sehen.
Im Kraftwerk Boxberg in Sachsen wird Braunkohle aus dem Tagebau Nochten verstromt. (Bild: Marcel Kade/​Shutterstock)

Gleichzeitig wächst angesichts des klimabedingt verschärften Wassermangels in der Region die Kritik an der bisher verfolgten Billiglösung, alle Kohlegruben zu fluten und künstliche Seen zu schaffen. Ökologischere Konzepte wären für die Konzerne erst mal teurer.

Geheim sind weiterhin auch die Ansparkonzepte und Anlagerichtlinien der Vorsorgegesellschaften. Diese sollen die Gelder gewinnbringend anlegen. Die Öffentlichkeit erfährt aber weder, welche Summen wann eingezahlt werden sollen, noch, wie riskant damit gewirtschaftet wird.

Kann man das langfristige Schicksal der Tagebauregionen wirklich den Kohlekonzernen überlassen? Längst wird angesichts der Risiken von verschiedenen Seiten die Eigentumsfrage in den Revieren gestellt.

Tagebaue in öffentliches Eigentum – aber richtig

Die Ampel-Regierung möchte laut ihrem Koalitionsvertrag von 2021 eine Stiftungs- oder Gesellschaftslösung für die Braunkohle-Altlasten prüfen. Für eine Braunkohlefolgen-Stiftung haben die Grünen-Fraktionen der ostdeutschen Kohleländer vor einiger Zeit auch ein Konzept vorgelegt.

Danach sollen die auf den Tagebauflächen erwirtschafteten Einnahmen – beispielsweise aus erneuerbaren Energien – die Sanierungskosten querfinanzieren.

Auch Bewohner:innen des geretteten Ortes Pödelwitz bei Leipzig forderten kürzlich die Vergesellschaftung der von der Mibrag aufgekauften und jetzt verfallenden Immobilien im Ort, um eine Wiederbelebung zu ermöglichen.

Tagebaue in öffentliches Eigentum zu überführen, ist eine gute Idee – sie muss aber richtig umgesetzt werden.  Entscheidend sind dabei drei Aspekte.

Erstens müssen ertragreiche Flächen und Erneuerbaren-Anlagen in einer ausgewogenen Lösung mitvergesellschaftet werden, um eine einseitige Sozialisierung der Kosten in einer Art öffentlichen "Bad Bank" zu vermeiden.

Zweitens braucht es die politische Bereitschaft zum Konflikt mit der EPH und ihrem Eigentümer, dem Milliardär Daniel Křetínský. Falls die EPH tatsächlich auf geplante Insolvenzen hinarbeitet, wird sie sich kaum auf eine etwa von den Grünen angestrebte einvernehmliche Lösung im öffentlichen Interesse einlassen.

Drittens muss die Bevölkerung vor Ort starke demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten in der neu geschaffenen Struktur erhalten, um eine soziale Energiewende vor Ort mitgestalten zu können.

Transparenz ist der erste Schritt

Um solche Entscheidungen informiert und demokratisch abwägen zu können, gehören wiederum zuerst alle relevanten Zahlen zu bisherigen Rücklagen, zu Kostenannahmen, Sanierungskonzepten und Ertragserwartungen auf den Tisch. Transparenz ist in jedem Fall der erste Schritt.

Das ist umso dringender, als in den Kohleländern Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen anstehen. Nach dem Verzicht auf einen vorgezogenen, politisch beschlossenen Kohleausstieg im Osten ist ein chaotischer, "marktgetriebener" Ausstieg ab etwa 2030 zu erwarten.

Foto: Diana Neumerkel

Lasse Thiele

ist promovierter Politik­wissen­schaftler und arbeitet beim Leipziger Konzept­werk Neue Ökonomie, unter anderem zu strategischen Ansätzen für eine sozial-ökologische Trans­formation. Schon länger ist er in der Klima­gerechtigkeits­bewegung aktiv.

Die kommende Legislaturperiode der beiden Landtage könnte damit die letzte Gelegenheit für vorausschauendes Handeln sein. Dabei verbinden sich Sanierungs- und Energiewendestrategien, Finanzierungsverantwortung und Wasserpolitik zu äußerst wichtigen Zukunftsfragen für die betroffenen Regionen.

Das Konzeptwerk Neue Ökonomie hat die Lage kürzlich in einem frei verfügbaren Dossier zusammengefasst. Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen ruft es zudem in einer öffentlichen Stellungnahme zu einem Kurswechsel in der Vorsorgepolitik auf.

Ist ein solcher Kurswechsel nach den Wahlen zu erwarten? Um das einschätzen zu können, hat das Konzeptwerk Wahlprüfsteine an die relevanten demokratischen Parteien in beiden Ländern verschickt und die Antworten im Dossier dokumentiert.

Kohlekonzerne haben weiter lokale Macht

Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Kritik am bisherigen Umgang mit den Kohlelasten kommt vor allem von Grünen und Linken, die aber in beiden Ländern mit der Fünfprozenthürde kämpfen. So scheint ein deutlicher Kurswechsel in der Vorsorgepolitik momentan eher unwahrscheinlich.

Aus dem vorsichtigen Ton der meisten Antworten lässt sich auch die lokale Macht der Kohlekonzerne ablesen, deren Rolle als vermeintlich unverzichtbare Partner in der Energiewende vor Ort vor allem von den Regierungsparteien CDU und SPD kaum hinterfragt wird.

Das zeigt sich auch an die Antworten zur Vergesellschaftungsfrage: Dafür gibt es erstaunlich viel Offenheit im Parteienspektrum, aber jenseits der Linkspartei wenig Konfliktbereitschaft.

Dennoch bieten sich Druckpunkte für zivilgesellschaftliche Arbeit. Das Interesse an mehr Transparenz ist unter den Oppositionsparteien verbreitet. Selbst die mitregierenden Grünen beklagen sich in Sachsen über das intransparente Vorgehen des Oberbergamts unter SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig.

Das BSW als neue Akteurin in der Parteienlandschaft deutet in Sachsen zumindest Bereitschaft zu Reformen an, etwa für mehr Transparenz und zusätzliche Sicherheitsleistungen durch die Konzerne.

Auch für die Wiederbelebung des Ortes Pödelwitz als sozial-ökologisches Modelldorf gibt es bei den Parteien viele Sympathien – auf die nun Taten folgen müssten. Dafür wird es auch nach den Wahlen auf Druck von unten ankommen.