Mit Steinen ausgekleideter Zufluss zum Tagebaurestloch, aus dem einmal ein See werden soll, der aber erst zu einem Viertel gefüllt ist. Aufnahme von Januar 2020.
In den letzten Jahren musste die Flutung des Cottbuser Ostsees immer wieder wegen Wassermangel gestoppt werden. (Bild: Jörg Peter Rademacher/​Pixabay)

Mitunter ist der Klimawandel ein Freund der Kohle. Nach den Dürre-Jahren erfreute sich zuletzt auch die Lausitz reichlicher Niederschläge. Anfang Februar bildete sich so erstmals eine nahezu geschlossene Wasserfläche auf dem Ostsee bei Cottbus. Den launigen Namen trägt das ehemalige Restloch des Braunkohletagebaus Cottbus-Nord.

Mit fünf Kubikmetern pro Sekunde habe seit Mitte Dezember die maximal mögliche Flutungsmenge zur Verfügung gestanden, freute sich der zuständige Energiekonzern Leag und teilte mit: Derzeit betrage der Wasserstand 60,2 Meter, Ziel seien 62 Meter.

Die knapp zwei Meter werden möglicherweise die am schwersten zu erreichenden, selbst ohne neue Dürren. Zum einen werden bei voller Seefläche auch die Verdunstungsverluste maximiert.

Zum anderen nimmt mit steigendem Wasserstand der Zufluss von Grundwasser ab, wie die Grüne Liga anmerkt. Der Umweltverband schließt daraus: Die weitere Flutung des Ostsees hängt mehr denn je vom Oberflächenwasser ab, dort also vom Flüsschen Spree.

Politik entschied sich für neues Wassermodell

Um das Wasser der Spree und ihrer Zuflüsse ging es im Februar dieses Jahres auch bei einer Anhörung des Umweltausschusses im Bundestag. Anlass dafür war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion. In diesem lobt sich die Unionsfraktion zunächst ausgiebig selbst. Auf ihr Betreiben sei die Studie "Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz" verfügbar geworden.

 

Die vom Umweltbundesamt (UBA) verantwortete Studie schlägt vor, die Lausitzer Wasserspeicher – frühere Tagebaue vor allem – auf ein Volumen von insgesamt rund 180 Millionen Kubikmeter aufzustocken. So könnte die Lausitzer Seenkette viel von den bei Starkregen sowie im Herbst anfallenden Überschuss-Niederschlägen speichern, um übers Jahr die absehbaren Wasserdefizite der Spree und anderer Flüsse zu kompensieren.

Zusätzlich, so das UBA-Gutachten, müssten den Speichern noch um die 60 Millionen Kubikmeter Fremdwasser jährlich zufließen – aus Neiße, Oder oder Elbe, letzteres per Fernwasserleitung.

Die Studie war und ist allerdings fachlich stark umstritten. Die sich zeigenden Mängel waren so groß, dass die Länder Brandenburg und Sachsen sowie die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt schließlich entschieden, vorerst nicht den Empfehlungen der UBA-Studie zu folgen. Stattdessen gaben sie fürs strategische Wassermanagement ein eigenes "Grundwassermodell Lausitz" in Auftrag.

Wasser als Spielball politischer Interessen

Das soll 2027 fertig sein, federführend sind die beiden Ost-Kohleländer. Deren Fachbehörden sollen das Grundwasser-Modell erarbeiten. Die beiden in der Lausitz tätigen Bergbau-Unternehmen sollen eingebunden werden, heißt es. Gemeint sind die noch Braunkohle fördernde Leag sowie die seit 20 Jahren Braunkohleflächen sanierende LMBV. Die Politik eroberte sich also hier ihr Primat zurück.

Das Lausitzer Wasser ist längst zum Spielball politischer Interessen geworden. In Brandenburg und Sachsen stehen schließlich entscheidende Landtagswahlen an, da kommt es gut an, in Richtung Hauptstadt Flagge zu zeigen.

Beim Wasser helfe Sachsen den flussabwärts gelegenen Ländern Brandenburg und Berlin gern, aber Sachsen dürfe das nicht allein zu tragen haben, zitierte eine Boulevardzeitung im Oktober letzten Jahres den sächsischen Staatssekretär Conrad Clemens.

Als griffigen Slogan dafür warf Clemens, Chef der sächsischen Landesvertretung in Berlin und Inhaber eines CDU-Parteibuchs, einen "Spree-Soli" in die Debatte.

Inhaltlich gehe es ihm darum, dass die drei Länder und der Bund gemeinsam überlegen, wie Sachsen beim möglichen Bau eines Elbe-Überleiters unterstützt werden könnte, erklärte Clemens auf Nachfrage von Klimareporter°. Das könne eine gemeinsame Finanzierung sein oder eben ein Beitrag für Sachsen, den man gerne "Spree-Soli" nennen könne. Über das Thema ist für Mitte Juni ein Wassergipfel in der Landesvertretung geplant.

Später hob die Union im Bundestag dann die eigentlich schon abservierte UBA-Studie zu der erwähnten Anhörung in den Umweltausschuss. Ob das aber wirklich klug war? Denn in der Anhörung im Februar brandmarkte Irina Engelhardt von der TU Berlin die UBA-Studie endgültig als lobbyistisch geprägtes und fachlich unzureichendes Werk.

Wasser im Untergrund und nicht in Seen speichern

In ihrer Stellungnahme listete die Hydrogeologie-Professorin nicht weniger als acht Punkte auf, die in der Studie unklar blieben oder überhaupt nicht bearbeitet wurden.

Einige Kostproben aus Engelhardts Mängelliste: Die in der Studie genutzten Klimaprojektionen sind um etwa zehn Jahre veraltet. Das verwendete Klimaszenario "RPC 8.5" ist denkbar untypisch – es sei das extremste Szenario mit der höchsten Niederschlagshöhe und maximaler Niederschlagsintensität, so die Hydrologin.

Anders gesagt: Die UBA-Studie besorgte sich so viel Regen, wie er in der Lausitz überhaupt nur fallen kann.

Weiter vermisst die TU-Professorin Analysen des Grundwassers sowie des Absenkungstrichters unter den Tagebauen. Auch fehlten "belastbare" Angaben zur Grundwasserneubildung, und Aussagen zur Niedrigwasserführung der Spree seien "nicht nachvollziehbar".

Aus Engelhardts Sicht wird auch die bisherige Praxis, Tagebau-"Restlöcher" über die Fließgewässer wie Spree und Schwarze Elster zu fluten, künftig nicht mehr möglich sein. Dafür stehe in der Lausitz nicht ausreichend Flusswasser zur Verfügung, betonte sie in der Anhörung.

Um den Wasserbedarf zu senken, plädiert die Wissenschaftlerin auch für eine alternative Rekultivierung der Tagebaue. So könne der stillgelegte Tagebau Jänschwalde mit Abraum aus den noch aktiven Tagebauen Welzow und Nochten aufgefüllt werden.

Streit um Verfügbarkeit von Grundwasserdaten

Um das Verdunstungs-Problem zu lösen, schlägt Engelhardt vor, den im Herbst und Winter sowie bei Starkregen anfallenden Wasserüberschuss per künstlicher Grundwasseranreicherung im Boden zu versenken.

Das würde das gravierende Wasserdefizit im Absenkungstrichter verringern, und dieses Wasser stünde dann auch allen Nutzern – und nicht nur den Bergbauunternehmen – zur Verfügung, erklärte sie. Und das Wichtigste: Im Untergrund ist das kostbare Nass vor der Verdunstung geschützt.

Von dem untergründigen Vorschlag ist die Lausitzer Bergbaulobby wenig begeistert. Läuft doch ihr Konzept eben darauf hinaus, die Ex-Tagebau-Restlöcher in riesige Wasserspeicher umzudeuten, die die Wasserversorgung bis nach Berlin sichern. Bei so viel Nützlichkeit müsste dann auch die öffentliche Hand die finanzielle Hauptlast für die Speicher tragen, lautet die Argumentation.

Wasserpumpe Tagebau Welzow Süd
Wasserpumpe am Braunkohletagebau Welzow-Süd in der Lausitz. (Foto: Friederike Meier)

Auf der Anhörung wehrte sich Ingolf Arnold vom "Wasser-Cluster Lausitz" vor allem gegen die von Engelhardt vorgetragene Kritik, die von Leag und LMBV für die UBA-Studie bereitgestellten Daten seien unzureichend.

Zum Grundwasser gebe es "wahnsinnig" viele Daten, insistierte der frühere Leag-Chefgeologe in Richtung Engelhardt. Die beiden Bergbau-Unternehmen würden pro Jahr fast 60.000 Grundwassermesswerte erheben und mindestens ein Drittel davon an die Behörden weitergeben. Nur seien leider in der UBA-Studie nicht alle Grunddaten aufgenommen worden, räumte Arnold ein. Diese Daten seien aber "verfügbar", versicherte er.

Zum Thema Datenverfügbarkeit sollte Arnold vielleicht bei seinen ehemaligen Leag-Kollegen nachfragen, warum der Energiekonzern letztes Jahr rund 100 Dokumente zum Lausitzer Tagebau Nochten vor der Herausgabe umfangreich geschwärzt hatte.

Geschwärzt wurden dabei auch Angaben zu den sogenannten Sümpfungswässern des Tagebaus, das zeigt eine entsprechende Klageschrift der Grünen Liga. Sümpfungswasser nennt der Bergbau das abgepumpte Grundwasser. Unter Umweltschützern gilt der Tagebau Nochten als größte Quelle der Sulfatbelastung der Spree.

Grüner warnt vor "Schnell-schnell"-Entscheidung beim Wasser

Bei der Anhörung zeigte auch Clusterchef Arnold in Richtung Berlin. Von den Abgeordneten erwarte er Initiativen, damit die Bundesregierung mit den Elbanrainern unter den Bundesländern sowie dem Nachbarland Polen Gespräche zur Wasserentnahme aus den jeweiligen Flussgebieten aufnimmt. Hier müsse der Bund handeln, forderte Arnold nahezu ultimativ. Dafür fehle den beiden Bergbauunternehmen das Mandat.

Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann von den Grünen hält es allerdings für fahrlässig, ohne ein ausgefeiltes Konzept teure Einzelmaßnahmen wie einen Elbüberleiter voranzutreiben. Auch aus seiner Sicht braucht die Lausitz zunächst ein länderübergreifendes wasserwirtschaftliches Gesamtkonzept. "Wasserspeicher müssen ausgebaut, der Wasserrückhalt in der Landschaft verbessert und der Wasserverbrauch reduziert werden", formuliert Herrmann ein Dreieck.

Durch die Anhörung fühlt sich der Grüne in seiner Sicht auf das UBA-Gutachten bestätigt. Das Papier habe für die Entscheidungen zum Wasserhaushalt keine ausreichende Datenbasis geliefert. Dies müsse jetzt mit unabhängig gewonnenen Daten und weiteren Analysen nachgeholt werden, betont Herrmann.

Zwar gebe es bei den Entscheidungen über die Zukunft der Braunkohlesanierung Grund zur Eile, räumt Herrmann ein. "Das darf uns aber nicht dazu verführen, jetzt – schnell, schnell – Dinge übers Knie zu brechen", warnt er.

Für den Grünen-Abgeordneten hat die Anhörung auch gezeigt, dass die durch den Klimawandel zunehmende Verdunstung sträflich unterschätzt wurde. Der damit einhergehende Wasserverlust betreffe auch den Cottbuser Ostsee. "Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass sich sein Füllstand in den letzten Monaten wegen der vielen Niederschläge gut entwickelt hat", sagt Herrmann.

 

Apropos guter Füllstand: Auf dem Ostsee will die Leag im Zuge ihrer geplanten "Gigawattfactory" schwimmende Photovoltaik im Umfang von 29 Megawatt installieren. Und weil das Wasser lange Zeit auf sich warten ließ, sollten die Module auf trockenem Seegrund an Gestelle geschraubt werden.

Der Plan ist jetzt buchstäblich ins Wasser gefallen. Nun muss auf die aufwendigere schwimmende Bauweise umgestellt werden, wie sie für "Floating-PV" üblich ist. Die Neuplanung des Solarprojekts sei in vollem Gange, informierte eine Leag-Sprecherin auf Nachfrage.

So kann der Klimawandel vieles sein: Freund und Feind der Kohle und von dem, was danach kommt.