Daniel Křetínský
Der bald wohl neue mächtige Mann in der Lausitz: Daniel Křetínský, Chef der EPH. (Bild: EPH)

Über den Mann, der bald einen großen Teil der Braunkohlebranche Deutschlands in die Zukunft führen soll, ist nicht viel bekannt. Daniel Křetínský, der Chef des tschechischen Energieunternehmens EPH, ist Multimilliardär, Fußballfan – und als solcher Mitbesitzer des Vereins Sparta Prag –, er spielt Golf und soll ein Faible für italienische Sportwagen haben. Sein Jungengesicht und sein schelmisches Lächeln indes täuschen – ihm wird nachgesagt, ein zäher Verhandler zu sein.

Und ein zäher Verhandler muss Křetínský auch sein, ist er doch seit ein paar Jahren mit seinem Unternehmen EPH – das in der edlen Prager Einkaufsstraße Pařížská seine Zentrale hat – auf Einkaufstour durch Europa. Křetínský hat ein klares Beuteschema: Er sammelt kreditfinanziert Kohle- und Gaskraftwerke ein, überall wo er sie kriegen kann: in Tschechien, in der Slowakei, in Großbritannien und in Italien. "Wir haben Hunger auf Investitionen", erklärte Křetínský vor ein paar Jahren.

In Deutschland hat seine Energetický a průmyslový holding bereits das Braunkohle-Unternehmen Mibrag übernommen. Und nun soll die Vattenfall-Braunkohlesparte in der Lausitz folgen.

Chance zur Geldvermehrung

Mit Vattenfall gibt es seit April eine Einigung, auch die schwedische Regierung hat inzwischen grünes Licht gegeben, nur das Kartellamt muss noch zustimmen. EPH war gemeinsam mit dem Finanzpartner PPH Investments als einziger Bewerber übrig geblieben.

Alle anderen sind abgesprungen – zu unsicher war ihnen der Betrieb von Braunkohle-Kraftwerken und Tagebauen: Was, wenn die Börsenstrompreise im Keller bleiben, die CO2-Preise in Zukunft wieder hochgehen und Deutschland sich doch zu einem baldigen Kohleausstieg durchringt? Was, wenn sich mit den Kraftwerken und Tagebauen nicht nur kein Geld verdienen lässt, sondern in ein paar Jahren viel Geld für die Rekultivierung und die Abwicklung des Geschäfts nötig sein wird?

Für Křetínský wohl alles kein Problem: Er sieht im Vattenfall-Deal eine Möglichkeit zur Geldvermehrung. Damit kennt sich der 40-Jährige aus – er gehört zu den reichsten Tschechen. Seine Lehrjahre hatte der Jurist beim slowakischen Finanzinvestor J&T, aus dem heraus Křetínský im Jahr 2009 die EPH gründete und daraus einen Konzern mit heute etwa 12.000 Beschäftigten schmiedete. Was aber will er ausgerechnet mit den Braunkohle-Kraftwerken und Tagebauen in Deutschland?

Auf der Suche nach einer Antwort landet man bei der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft, kurz Mibrag. Im Jahr 2012 übernahm Křetínský zusammen mit seinem Partner Petr Kellner, laut Forbes der reichste Tscheche, den deutschen Energiekonzern.

"Massiv Gewinne abführen"

Claudia Dalbert hat seitdem ein genaues Auge auf EPH geworfen, erst als Grünen-Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt, dann als Umwelt- und Energieministerin. In wenigen Jahren habe die Mibrag an die EPH "so massiv Gewinne abgeführt", sagt Dalbert im Gespräch mit Klimareporter°, dass der Kaufpreis wieder eingespielt worden sei.

Die "Gewinne" flossen laut einer Greenpeace-Studie vor allem aus den einstigen Rückstellungen für die Umweltfolgen der Tagebaue. Von den ursprünglichen 230 Millionen Euro habe die EPH um die 130 Millionen Euro abgebaut – ohne dass ein ersichtlicher Grund vorlag, dass der Rückbau der Tagebaue billiger werde. "Will EPH vielleicht schnell Kasse machen, ohne dabei ausreichend für die Abdeckung der Folgekosten zu sorgen? Dieser Eindruck lässt sich beim Blick in die Bücher gewinnen", heißt es bei Greenpeace.

Auch Dalbert befürchtet, dass sich die tschechischen Investoren im Falle der Lausitz nicht sonderlich um die Aufräumarbeit kümmern werden. "Ich habe große finanzielle Zweifel", sagt sie. "Meine Sorge ist, dass die Steuerzahler auf den Kosten für die Rekultivierung sitzen bleiben."

Křetínský in den Panama Papers

Křetínský indes hat ein großes Interesse, schnell Profite einzufahren. Laut Medienberichten soll sein Unternehmen hoch verschuldet sein. Das undurchsichtige Firmengeflecht soll auch in den Panama Papers auftauchen.

Steht vor einem Eigentümerwechsel: Der Braunkohletagebau Welzow-Süd II. (Foto: von Brackel)

Wie aber will Křetínský in Deutschland mit der Lausitz-Kohle Geld machen, wo doch der Börsenstrompreis im Keller ist? "Mein Eindruck ist: Sie hoffen, dass der Kohlestrompreis wieder steigt", sagt Dalbert. "Sie warten auf den goldenen Handschlag."

Laut der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny aus Prag setzt EPH darauf, dass die Energiewende nicht so glatt über die Bühne läuft wie geplant. Spätestens wenn im Jahr 2022 die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen, könnte die Braunkohleverstromung wieder gefragt sein und der Strompreis steigen. Die Zeitung spricht von einer "Wette auf die Zukunft" und der Möglichkeit eines "Schnäppchens".

Auf Anfrage von Klimareporter° erklärt EPH-Sprecher Daniel Častvaj: "Wir glauben, dass die Braunkohle weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird, da sie als Brückentechnologie eine sichere und als einzige heimische Energiequelle eine kontinuierliche Energieversorgung bietet."

Nach fünf Jahren die Möglichkeit zum Ausstieg

Was aber passiert, wenn die Kohlestrompreise niedrig bleiben, wenn womöglich schärfere Klimavorgaben kommen und sich das Geschäft nicht mehr lohnt? "Sobald es sich für sie nicht mehr rechnet, gehen sie raus", glaubt die Grünen-Politikerin Dalbert. "Wer soll sie hindern?"

Tatsächlich sei die EPH nur für fünf Jahre gebunden, in denen sie die ersten drei Jahre keine Dividende abschöpfen dürfe, die folgenden zwei Jahre nur "betriebsübliche Renditen", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Das beinhaltet auch die knapp zwei Milliarden Euro, die EPH von Vattenfall für die Rückstellungen für den Rückbau bekommen haben soll.

Nach fünf Jahren gibt es keine Auflagen mehr. Wer die jüngere Geschichte der Mibrag studiert, kann sich ausmalen, was passieren dürfte. Firmensprecher Častvaj drückt es so aus: Die EPH habe in Deutschland durch die Übernahme von Mibrag schon Erfahrung sammeln können.

Er spricht allerdings von einer "nachhaltigen Präsenz" und nennt sein Unternehmen "einen hoch vertrauenswürdigen Eigentümer in Sachsen und Sachsen-Anhalt", der etwa eine halbe Milliarde Euro in die Region investiert habe und sich strikt an die deutschen Regeln zur Rekultivierung halte.

Das sagt auch Vattenfall: "Ich kann versichern, dass die Rückstellungen für die Rekultivierung ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werden", erklärt Unternehmenssprecher Stefan Müller gegenüber Klimareporter°. Die Kaufverträge seien dementsprechend angepasst worden.

Claudia Dalbert hingegen hält es nach ihren Erfahrungen für "nicht glaubwürdig", dass sich die EPH um die Einleitung eines Strukturwandels und einen verantwortungsvollen Rückbau der Braunkohle-Tagebaue und Kraftwerke kümmern wird, wenn die Gewinnaussichten nicht mehr so gut ausschauen. Deshalb sollten sich die Landesregierungen intensiv darum kümmern, dass die Rückstellungen auch tatsächlich im Topf bleiben.