Ein Kraftwerk aus der Ferne im Sonnenuntergang
Das RWE-Kraftwerk Neurath ist das größte Braunkohlekraftwerk Deutschlands. Erst 2038 soll es abgeschaltet werden. (Foto: Benita Welter/​Pixabay)

Schon als das Umweltbundesamt (UBA) vor einem Jahr die Klimabilanz für 2020 vorstellte, hatte es sich abgezeichnet: Die deutschen Treibhausgasemissionen würden wohl 2021 wieder ansteigen. Genau das ist nun eingetreten.

Während der CO2-Ausstoß 2020 durch die Pandemie noch deutlich um 8,7 Prozent zurückgegangen war, legte er im zweiten Coronajahr 2021 wieder zu – auf insgesamt rund 762 Millionen Tonnen. Das sind gut 33 Millionen Tonnen CO2 oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Das geht aus den aktuellen UBA-Zahlen vom heutigen Dienstag hervor.

Seit 1990 sind die Emissionen in Deutschland damit nur um knapp 39 Prozent gesunken. Dabei müssen sie bis 2030 um 65 Prozent reduziert werden. "Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden", sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Seit 2010 seien es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent gewesen.

"Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren", so Messner. Die Ziele der Bundesregierung müssten schnellstens weiterverfolgt werden. Im Bundes-Klimaschutzgesetz hatte die Regierung Sektorenziele für die einzelnen Bereiche festgelegt.

Die Emissionen der Sektoren

Mit einem Plus von rund 27 Millionen Tonnen CO2 oder 12,4 Prozent legte die Energiewirtschaft gegenüber 2020 die größte Steigerung hin. Sie sieht sich aber keinen gesetzlichen Forderungen gegenüber, weil das Klimaschutzgesetz dem Sektor für 2021 kein Budget vorgibt. Hauptgrund ist die vermehrte Kohleverstromung, weil der Gaspreis deutlich anstieg. Zugleich nahm der Stromverbrauch zu und die erneuerbare Erzeugung, vor allem von Windstrom, ging zurück.

Mit rund 148 Millionen Tonnen CO2-Emissionen übertraf der Verkehr sein Klimaziel für 2021 um rund drei Millionen Tonnen und die Emissionsmenge von 2020 um 1,2 Prozent. Als Grund nennt das Umweltbundesamt (UBA) die Zunahme des Straßengüterverkehrs. Der Pkw-Verkehr ist dagegen weiter geringer als vor der Corona-Pandemie.

Mit 181 Millionen Tonnen blieb die Industrie 2021 nur knapp unter der Vorgabe des Klimagesetzes von 182 Millionen Tonnen. Gegenüber 2020 stiegen die Emissionen um gut neun Millionen Tonnen CO2 oder 5,5 Prozent. Gründe sind die anziehende Konjunktur, aber auch wieder mehr fossile Brennstoffe.

2021 sanken die Emissionen der Gebäude im Vergleich zu 2020 um knapp vier auf 115 Millionen Tonnen CO2. Trotz des Rückgangs reißt der Gebäudesektor erwartungsgemäß seine Klimavorgabe von 113 Millionen Tonnen. Die Minderung geht laut UBA im Wesentlichen auf verringerte Heizölkäufe zurück. Die Lager waren aufgrund günstiger Preise und im Vorfeld des nationalen Emissionshandels bereits 2019 und 2020 gefüllt worden.

In der Landwirtschaft gingen die Emissionen um gut 1,2 Prozent auf 61 Millionen Tonnen zurück und bleiben damit unter der 2021er-Zielmarke von 68 Millionen Tonnen CO2. Zwar gab es insgesamt weniger Rinder und Schweine, die deutliche Unterschreitung ist laut UBA aber vor allem methodischen Verbesserungen in der Emissionsberechnung geschuldet.

Auch im Abfallsektor sanken die Emissionen gegenüber 2020, und zwar um 4,3 Prozent auf gut acht Millionen Tonnen CO2. Sie blieben damit unter dem Sektorziel von neun Millionen Tonnen.

Die Zahlen des UBA zeigen nun, dass mit Verkehr und Gebäuden zwei wichtige Bereiche diese Ziele im vergangenen Jahr verpassten. Beide müssen nun nachsteuern.

Zunächst wird der sogenannte Klimarat bewerten, warum die Sektoren die Ziele verpasst haben. Laut Gesetz müssen die zuständigen Ministerien dann innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, damit beide Bereiche die Ziele künftig erreichen.

Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschafts- und Klimaministerium, kündigte ein Sofortprogramm der Bundesregierung an. "A und O ist ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien", sagte Graichen.

"Soziale Balance wahren"

"Wir müssen es schaffen, dreimal so viele Kapazitäten wie bisher zu installieren, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern." Die schnelle Abkehr von den fossilen Energien müsse alle Bereiche umfassen, so der Staatssekretär. Entscheidend sei dabei, "die soziale Balance zu wahren".

Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, setzt auf ein bekanntes Mittel. "Die Kohle erlebt ein globales Comeback, weil der Gaspreis schneller steigt als der Kohlepreis. Hier hilft nur eines: ein steigender CO2-Preis." Die Obergrenze im EU-Emissionshandel dürfe keinesfalls aufgeweicht werden. "Aber natürlich brauchen wir dann einen massiven Sozialausgleich für einkommensschwache Haushalte", fügte Edenhofer an.

Im Verkehr braucht es aus Sicht von Kerstin Haarmann vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) nun entschiedene Maßnahmen, die sowohl die Treibhausgasemissionen nachhaltig senken als auch die Abhängigkeit vom Erdöl verringern. "Rasch erneuerbare Energien ausbauen, auf effiziente, umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen und alle Einsparpotenziale nutzen. Nur so machen wir uns unabhängiger von Ölimporten und sichern langfristig unsere Mobilität", sagte Haarmann.

 

 

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