Ausgetrockneter Gewerbekanal und verdorrter Rasen im Hitzesommer 2018 in Freiburg. Am linken Bildrand die Universitätsbibliothek.
Kein Wasser, kein Rasen, kein kühles Fleckchen: Hitzewellen wie 2018, hier im südbadischen Freiburg, wird es öfter geben. (Foto: Andreas Schwarzkopf/​Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Hamburg mit einem ⁠Klima⁠ wie an der Adria, Frankfurt am Main witterungsmäßig mit Kroatien vergleichbar, in der Lausitz das ganze Jahr Temperaturen wie in Nordspanien. So könnte es Ende des Jahrhunderts aussehen, wenn der Klimaschutz weltweit nicht Fahrt aufnimmt. Klingt erstmal nicht so schlimm – oder, Herr Messner?

Dirk Messner: Doch, das wäre schon schlimm, weil die Ökosysteme, wir Menschen und unsere Infrastrukturen – wie Wasserversorgung, Gesundheitssystem oder auch unsere Städte – an das hier herrschende Klima angepasst sind.

Wenn es zu einem starken Klimawandel kommt, müssten wir all das in den nächsten Jahrzehnten umbauen, um uns auf radikal andere Wetterbedingungen vorzubereiten. Das ginge grundsätzlich zwar – aber unsere Ökosysteme können sich so schnell nicht anpassen.

Wie oft werden Hitze- und Trockenheitssommer, wie wir sie 2018 bis 2020 erlebt haben, dann auftreten? Oder Flutereignisse wie an Ahr und Erft im vorigen Jahr?

So genau kann das niemand vorhersagen. Heute gibt es in Deutschland im Schnitt etwa neun heiße Tage im Jahr. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten es bei einem starken Klimawandel in einem durchschnittlichen Sommer bis zu 15 werden. Bei Dürre und Starkregen ist die Unsicherheit der Modellergebnisse höher.

Wir wissen aber ganz sicher: Die Wahrscheinlichkeit solcher Extreme steigt durch den Klimawandel.

Der Weltklimarat IPCC warnt, dass vor allem Städte und Ballungsgebiete von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und sein werden. Wie wird man da künftig leben?

Je stärker der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten wird, desto größer wird der Hitzestress für Menschen. Der Wärmeinseleffekt in Städten hat zusätzlich direkte Folgen für die menschliche Gesundheit.

Auch auf die Wirtschaft kann es schnell direkte Auswirkungen geben. Bei sehr hohen Wasserständen oder Sturmfluten können Häfen nicht mehr angelaufen werden und beeinträchtigen dann die Güterversorgung für die Wirtschaft und die Bevölkerung.

Wir müssen davon ausgehen, dass solche Situationen in Zukunft zunehmen.

Welche Temperaturerhöhung erscheint denn noch tolerabel?

Aktuell ist die Welt insgesamt schon etwas mehr als ein Grad heißer geworden, in Deutschland etwa 1,6 Grad seit 1880. Und wir sehen und spüren bereits viele Veränderungen und Beeinträchtigungen für Menschen und Ökosysteme aufgrund des Klimawandels.

Ab etwa 1,5 Grad globaler Erwärmung werden die Folgen stärker. Zum Teil werden unwiderrufliche Prozesse angestoßen wie das Abschmelzen der Eismassen auf Grönland und in Teilen der Antarktis.

In Deutschland können wir uns aufgrund unserer vergleichsweise günstigen klimatischen Bedingungen besser auf einen Temperaturanstieg vorbereiten als viele andere Regionen in dieser Welt. Daher sollten wir dort Unterstützung leisten, denn wir leben in einer vernetzten Welt.

Global werden die 1,5 Grad bereits um 2040 erreicht sein, auf was steuern wir zu?

Wir sprechen hier über Szenarien, die je nach Treibhausgasemissionen variieren. Nach einer Analyse von letztem Herbst kämen wir zum Ende des Jahrhunderts auf einen weltweiten Temperaturanstieg von im Mittel plus 2,1 Grad, wenn alle Staaten ihre derzeitigen Ziele erreichen.

Wenn wir nur die geplanten Maßnahmen betrachten, sind wir sogar bei ungefähr plus 2,7 Grad. Über den Landmassen ist der Temperaturanstieg höher als über den Ozeanen, der Temperaturanstieg in Deutschland wäre also voraussichtlich höher als der mittlere weltweite Temperaturanstieg.

Doch auch wenn die Temperaturerhöhung gebremst wird, braucht es Anpassung an das veränderte Klima. Welche Maßnahmen sind am wichtigsten?

Zunächst gilt es den Klimaschutz voranzutreiben, weil wir ohne einen solchen auch in Deutschland in vielen Bereichen an die Grenzen unserer Anpassungskapazität kommen können.

Porträtaufnahme von Dirk Messner.
Foto: Aileen Orate/​UNU-EHS

Dirk Messner

ist seit 2020 Präsident des Umwelt­bundesamtes (UBA). Vorher war der Politik­wissenschaftler Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungs­politik in Bonn.

In Deutschland müssen wir unsere besonders bedrohten und sensiblen natürlichen Lebensgrundlagen schützen und nachhaltig nutzen. Das betrifft Böden, Wasser und Ökosysteme wie Wälder oder Feuchtgebiete.

Zudem müssen wir unsere Städte gegenüber Hitze und Starkregen widerstandsfähiger gestalten. Auf dem Land müssen wir uns auf häufigere Starkregen und auf vermehrte Trockenheit einstellen, an den Küsten auf den steigenden Meeresspiegel.

Naturbasierte Maßnahmen sind dabei wichtig für die Klimaanpassung, aber auch für den Klimaschutz und die Biodiversität. Das sind zum Beispiel mehr Grünflächen in den Städten, Renaturierungsmaßnahmen an Gewässern, Wiedervernässung von Mooren oder Küstenschutzmaßnahmen wie der Schutz von Salzwiesen.

Aber wird in diesem Sektor auch genug getan?

Deutschland ist in der Klimaanpassung seit gut 15 Jahren schon sehr aktiv. Der Bericht des IPCC hat uns aber auch gezeigt: Deutschland muss genau wie alle anderen Staaten die Anstrengungen zur Klimaanpassung intensivieren, weil Risiken durch den Klimawandel zunehmen werden.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung packt die notwendigen Schritte an. Die rechtlichen Grundlagen werden weiter verbessert, die Finanzierung von Klimaanpassung wird langfristig und dauerhaft gesichert. Und: Die Ziele der Klimaanpassung werden immer weiter konkretisiert und mit angemessenen Maßnahmen unterlegt.

Das mit den Zielen hört sich im ersten Moment unspektakulär an, ist aber sehr wichtig, damit wir kontinuierlich prüfen können, ob die Maßnahmen auch so wirken, wie sie sollen.

Die Deutschen sind in den vergangenen Jahren sehr klimabewusst geworden, hat jüngst eine UBA-Auswertung von Umfragen ergeben. Aber beim konkreten Handeln hapert es. Stichworte: SUV, Flugreisen, Fleischkonsum. Gibt es überhaupt eine Chance, diesen Widerspruch aufzulösen?

Dieser Widerspruch ist vor allem dann schwierig aufzulösen, solange wir Rahmenbedingungen haben, die die falschen Anreize setzen und ein nachhaltiges Leben eher erschweren als erleichtern.

Es greift zu kurz, hier den Bürgerinnen und Bürgern den schwarzen Peter zuzuschieben. Letztlich sind die Gründe dafür, dass die Bereitschaft, mehr für Umwelt- und Klimaschutz zu tun, nicht immer mit dem entsprechenden Verhalten einhergeht, vielfältig. Hier sehen wir einerseits Alltagsanforderungen wie Zeitmangel, fehlende finanzielle Mittel oder Belastung in Familie beziehungsweise Beruf – aber auch den Mangel an Angeboten und entsprechenden Infrastrukturen.

Deshalb muss es darum gehen, es den Menschen einfacher zu machen, nachhaltig zu leben und ihre Alltagsroutinen anzupassen.

Was muss konkret passieren?

Wir brauchen anspruchsvolle Energie- und Umweltstandards für Gebäude, Verkehrsmittel, Produkte und Lebensmittel sowie Preise, die stärker die ökologische Wahrheit sagen. Gleichzeitig müssen wir soziale Härten vermeiden, beispielsweise in Form eines "Klimagelds" für die Bürgerinnen und Bürger, das aus den CO2-Einnahmen zurücküberwiesen wird.

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