Wirklich schockierend ist es nicht. Aus dem klimapolitischen Katzenjammer der vergangenen Monate folgt eigentich nur logisch, dass die große Koalition das Klimaschutzgesetz erst mal auf Eis legt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Denn was soll in einem solchen Gesetz jetzt noch stehen?
Erst hatte sich die Regierung beim Klimaschutz den ganz großen Chor geleistet. Die brenzligen, aber nötigen Entscheidungen selbst vorzubereiten traute sie sich nach dem klimapolitischen Schweigen der letzten Jahre nicht mehr zu. Die Zivilgesellschaft sollte die versteinerten Verhältnisse aufbrechen.
Also lagerte die schwarz-rote Koalition den Klimaschutz in Kommissionen aus. Auch wenn große Teile der Klimabewegung darin den Versuch sehen, sich als Regierung aus der Verantwortung zu ziehen und Zeit zu schinden – wie nun klar ist, völlig zu Recht –, lassen sich Gründe für das Vorgehen finden. Es hat in Deutschland Tradition und steht für einen bedachten Politikstil, für Versachlichung und breiten gesellschaftlichen Konsens.
Damit die Strategie aufgehen kann, müsste die Bundesregierung die von ihr eingesetzten Gremien aber zumindest ernst nehmen. Das tut vor allem die Union offenbar nicht.
Union torpediert Kohle-, Verkehrs- und Gebäudekommission
Die Kohlekommission hat im Januar geliefert. Mit Verspätung zwar, aber immerhin. Klimapolitisch schwach, natürlich, aber zumindest mit gesellschaftlichem Konsens für ein politisch forciertes Ende der Kohle. Genau den stellte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus aber gleich Anfang Februar in Frage. Er erklärte, man könne beim Kohleausstieg zur Not auch noch einmal "eine Ehrenrunde drehen".
Diese Abwehrhaltung zieht sich durch die Sektoren. Beispiel Verkehrskommission. Die soll Wege finden, wie der Klimaschutz endlich in das Verkehrswesen einziehen kann, wo die Emissionen zuletzt laut Klimaschutzbericht sogar wieder um einige Millionen Tonnen gestiegen sind. Im Januar sickerte ein Papier an die Öffentlichkeit durch, in dem sämtliche Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Treibhausgasminderung gesammelt waren. Ausdiskutiert waren sie noch nicht.
Das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium schien ohnehin nicht auf die Ergebnisse warten zu wollen. Sein Sprecher Wolfgang Ainetter erteilte Tempolimit und Spritpreissteigerung direkt eine Absage per Twitter – mit dem flapsigen Schlagwort "#kommtnicht".
Die angekündigte Gebäudekommission, die sich um Klimaschutz beim Bauen und Dämmen drehen sollte, kommt nun erst mal gar nicht, wie am gestrigen Freitag bekannt wurde. Und für die Landwirtschaft ist bislang nicht mal eine Kommission geplant.
Man muss also nüchtern feststellen: Zurzeit wäre ein Klimaschutzgesetz der großen Koalition wohl ziemlich inhaltslos. Ein Akkord ohne Grundton. Die Mehrheit der Bürger ist laut Umfragen viel weiter: Einen schnellen Kohleausstieg finden die meisten Menschen sehr wichtig oder wichtig. Selbst mit dem im Autoland Deutschland ungeliebten Tempolimit können sich viele Leute anfreunden.
Als gäbe es kein Umweltministerium
Das ständige Verzögern des Gesetzes unabhängig von dessen Inhalt kommt einer politischen Demontage von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gleich. Schulze bietet das geplante Klimaschutzgesetz seit ihrem Amtsantritt auf hiesigen und internationalen Bühnen als Universalantwort auf jede Frage nach dem deutschen Klimaschutz an. Unvergessen ihr "Interview" mit dem ZDF, in dem sie mehrmals direkt nach ihrer eigenen Position zum Tempolimit gefragt wurde und jedes Mal auswich.
Das Klimaschutzgesetz ist Schulzes großes Projekt, das man sie nicht einmal offiziell vorstellen lässt. Schon mehrfach musste sie die Präsentation eines Entwurfs für das Gesetz verschieben, weil der Union die ganze Richtung nicht passt. Dabei spricht der Koalitionsvertrag eine deutliche Sprache. Für dieses Jahr verspricht die Regierung ein Gesetz, "das die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet". Nun probt die Groko den Abgesang auf das Klimaschutzgesetz noch vor der ersten Strophe.
Auch das Plädoyer der Ministerin für einen CO2-Preis interessiert bei der Union wohl niemanden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beruft sich dabei gern auf den Koalitionsvertrag, in dem kein CO2-Preis vorkommt. Klar, wenn man nicht mal die Dinge macht, die man sich vorgenommen hat, bleibt erst recht keine Zeit für Extras.
Vielleicht könnte Schulze es ihrem früheren französischen Amtskollegen Nicolas Hulot nachtun und zurücktreten, um ihre Glaubwürdigkeit zu retten und ein Zeichen zu setzen. Ob das die Herren aus dem Wirtschafts- und Verkehrsressort zu mehr als einem müden Schulterzucken bewegen würde, ist natürlich fraglich – schließlich machen sie schon jetzt so Politik, als gäbe es gar kein Umweltministerium.