Steinige Nordseeküste im County Suffolk, gleich hinter den Dünen stehen ein klobiges dunkelgraues und ein modernes weiß-blaues Atomkraftwerk.
Sizewell A (links) ist Geschichte, Sizewell B läuft seit 1995. Nun ist an der Nordseeküste Sizewell C geplant. (Foto: Ivor Branton/​geograph)

Sizewell C ist ein Projekt, das Atomkraft-Fans und Atomkraftgegner gleichermaßen elektrisiert. Die britische Regierung will mit dem im Bau befindlichen Atomkraftwerk an der Nordsee zeigen: Die Kernspaltung hat eine Zukunft auf der Insel und bringt den Klimaschutz voran.

Kritiker auch in Großbritannien sehen das Projekt als Beleg für die Unsinnigkeit der Technologie: Atomkraft ist viel zu teuer und ihr Ausbau dauert zu lange, um weltweit einen wesentlichen Beitrag zum CO2-Sparen zu bringen.

Doch nun hat sich London etwas überlegt, um Gegner vielleicht doch umzustimmen: Sizewell C soll genutzt werden, um das Treibhausgas CO2 aus der Luft zu saugen.

Die Regierung gibt Fördergeld, um direkt am AKW eine Anlage zu bauen, die mit der "Direct Air Capture"-Technik arbeitet. Dabei wird CO2 aus der Umgebungsluft gefiltert, um es dann entweder unterirdisch zu speichern, langfristig chemisch zu binden oder in synthetische Kraftstoffe umzuwandeln.

Die Sizewell-DAC-Anlage soll, wenn sie voll läuft, pro Jahr bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2 neutralisieren. Das wäre weit mehr, als die weltweit gut ein Dutzend bisherigen Pilotanlagen schaffen, deren Kapazität meist unter 1.000 Jahrestonnen liegt.

Bisher ist DAC extrem teuer, rund 550 US-Dollar pro aus der Atmosphäre entnommener Tonne CO2 werden genannt. Allerdings sinken die Kosten, je größer und ausgereifter die Anlagen werden. Im Laufe dieses Jahrzehnts, so schätzen Experten, könnten sie 150 bis 200 Dollar erreichen.

Vermeiden statt absaugen

Das ist immer noch teurer als andere Optionen zur CO2-Entfernung, die Aufforstung zum Beispiel kostet heute pro Tonne des Treibhausgases nur ein Fünftel bis ein Zehntel davon. Trotzdem sehen Forscher und Unternehmen Potenzial in der Technologie.

Atomkraftwerke aber braucht es nicht, um sie in Schwung zu bringen. Auch eine Nutzung von deren Abwärme für DAC-Anlagen macht die Kernkraft nicht zur Wunderwaffe gegen den Klimawandel, als die die AKW-Bauer sie so gerne anpreisen.

Joachim Wille ist Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Erneuerbare Energien können weltweit billiger und schneller ausgebaut werden, wie Studien zeigen. Und sie vermeiden damit schnell große Mengen Treibhausgase, die dann nicht mehr nachträglich wieder aus der Luft gesaugt werden müssen.

Sizewell C als ein "CO2-negatives" Kraftwerk anzupreisen, wie der Betreiber es unter Verweis auf den DAC-Anbau nun tut, ist nicht die Lösung.

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