Drei Windradtürme liegen nebeneinander auf dem Boden, ein vierter ist neben einem Kiefernforst schon aufgerichtet.
Auch die Stahl- und Zementproduktion für die Ökostromanlagen geht in die Ökobilanz der "grünen" Kraft- und Brennstoffe ein. (Foto: Tobias Arhelger/​Shutterstock)

Das neue Zauberwort in der Energietechnik heißt Power-to-X. Dabei geht es um synthetische Energieträger, die Erdöl, Erdgas und Kohle klimafreundlich ersetzen können.

Eingesetzt werden sollen sie als Kraftstoffe vor allem für Flugzeuge und Schiffe, denkbar ist das aber auch für Verbrenner-Pkw, zudem als Rohstoff für die Chemieindustrie oder als Speichermedium für erneuerbare Energien.

Eine neue Untersuchung zeigt nun: Die "Öko-Kraftstoffe" sind nicht automatisch so grün, wie viele denken. Es besteht die Gefahr, dass Luft, Gewässer und Böden sogar stärker belastet werden als durch die fossilen Energien.

Klimafreundlicher sind die synthetischen Kraftstoffe, wenn sie unter Verwendung von Ökostrom aus den Komponenten Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden. Das steht außer Frage. Daher zielt die jüngst vom Bundeskabinett verabschiedete "Wasserstoffstrategie" auch darauf, das Gas auf diese Weise und nicht etwa aus fossilem Erdgas zu gewinnen, was technisch auch möglich ist.

Die sonstige Umweltbelastung durch die Produktion der Power-to-X-Energieträger spielte in der Debatte bisher kaum eine Rolle. Das Umweltbundesamt (UBA) hat sie deswegen vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg untersuchen lassen.

Das Ergebnis ist eine Art Pflichtenheft für die künftige Wasserstoff-Industrie. Sie kann sich nicht auf der positiven CO2-Bilanz ausruhen, sie muss auch eine Minimierung der anderen Umweltbelastungen anstreben.

60 verschiedene "Pfade" analysiert

Unter Power-to-X werden unterschiedliche Energieträger zusammengefasst – synthetische Gase (Wasserstoff, Methan) oder flüssige Kohlenwasserstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin, Methanol). In den meisten Bereichen ist es am effizientesten, Ökostrom direkt zu nutzen, etwa gespeichert in einer Batterie im E-Auto.

In einigen Sektoren, wie dem Flugverkehr und der internationalen Schifffahrt, ist das technisch aber kaum möglich, da die Batterien zu schwer wären und zu viel Platz bräuchten. Hier bietet sich der "Öko-Sprit" als Lösung an, obwohl die Herstellung sehr verlustreich ist. Aber auch in der Industrie werden weiterhin gasförmige oder flüssige Energieträger als Rohstoff, Reduktionsmittel und Brennstoff benötigt.

Für das UBA-Projekt wurden mehr als 60 Wege analysiert, PtX-Energieträger herzustellen – und, sofern es im Ausland geschieht, sie dann nach Deutschland zu transportieren.

Ein Beispiel: Synthetischer Diesel wird in Saudi-Arabien mit Solarstrom aus Wasser und aus CO2 hergestellt, das in dortigen Zementwerken anfällt, und dann per Tankschiff in die Bundesrepublik geschafft. Ein weiteres: Methanol wird in Schweden mit Strom aus Wasserkraft und aus Waldrestholz (für die Kohlenstoff-Komponente) produziert.

Andere untersuchte Herstellungs-"Pfade" waren die Wasserstoffgewinnung mit Ökostrom in Deutschland und die Erzeugung von Biomethan aus landwirtschaftlichen Rohstoffen.

Überdüngte Böden, versauerte Gewässer

Das positive Ergebnis: Auf allen untersuchten Pfaden, die mit 100 Prozent Ökostrom arbeiten, lassen sich Treibhausgase einsparen – anders als etwa beim heutigen Strommix. Die Herstellung der Power-to-X-Energien ist aber nur dann nachhaltig, wenn auch die Herstellung der Anlagen zur Grünstrom-Erzeugung und der Transport unter Umweltgesichtspunkten optimiert werden.

Ein Großteil der Belastung, die den synthetischen Kraft- und Brennstoffen zugerechnet wird, stammt nämlich aus der Herstellung von Stahl, Zement und Metallen, die für Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie die Syntheseanlagen benötigt werden. Weitere entstehen, wenn der für die Herstellung der Kohlenwasserstoffe nötige Kohlenstoff als CO2 aus Abgasen, der Luft oder aus Biomasse gewonnen wird. Mögliche Folgen sind je nach Produktionsart: Ausstoß von Feinstaub, Überdüngung oder Versauerung von Böden und Gewässern.

Wird die Produktion nicht optimiert, so die Quintessenz der Studie, wird zwar der Klimawandel gebremst, aber die Umwelt – und damit auch die Gesundheit der Menschen – stärker belastet. Momentan ist es etwa so, dass synthetischer Diesel in fast allen Ökokategorien, von Flächenbedarf über Feinstaub bis Wasserverbrauch, schlechter abschneidet als fossiler Diesel.

Die Ergebnisse bedeuteten "nicht das Todesurteil" für die synthetischen Energien, sagte Studien-Autor Daniel Münter vom Ifeu gegenüber Klimareporter°. Aber es sei entscheidend, die ganzen Prozessketten unter Effizienz- und Umweltgesichtspunkten zu optimieren, bevor sie breit eingesetzt werden.

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