Auf das Repowering setzt die Branche besonders große Hoffnungen, weil dafür keine neuen Standorte ausgewiesen werden müssen. (Bild: Jens Meier/​BWE)

Die Windkraftbranche, das ist ihr zugutezuhalten, bemüht sich nach wie vor um gute Stimmung. So wurden in Deutschland im ersten Halbjahr dieses Jahres zu Lande etwas mehr als 1.500 Megawatt Windkraft neu installiert. Damit seien schon rund zwei Drittel der Leistung erreicht, die 2022 insgesamt ans Netz gegangen war, freute sich die Branche am Dienstag bei der Präsentation der Halbjahresbilanz.

Zugleich wurden aber auch Anlagen stillgelegt. Der reale Zuwachs beträgt so nur etwas mehr als 1.300 Megawatt. Fürs Gesamtjahr 2023 rechnet die Branche jetzt mit einem Plus von mindestens 3.200 Megawatt, allerdings werden auch hier stillzulegende Anlagen abzuziehen zu sein.

Die optimistischere Ausbau-Zahl von 4.000 Megawatt, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einiger Zeit in die Öffentlichkeit geworfen hatte, stamme von Regierungsseite und nicht vom Bundesverband Windenergie (BWE), stellte dessen Präsidentin Bärbel Heidebroek auf Nachfrage klar.

Was 2030, wenn Deutschland zu 80 Prozent grünen Strom im Netz haben will, bei der Windkraft an Land wirklich installiert sein wird, ist derzeit ein Blick in die Glaskugel. Die Branche selbst hält sich an das kurzfristige, im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Ziel, Ende 2024 möglichst insgesamt 69.000 Megawatt installiert zu haben. Derzeit sind es rund 59.000.

Genehmigungen haben Rekordwartezeit erreicht

Die Ausbauziele für 2024 und 2025 werden aber wohl verfehlt, das könne man schon heute sagen, erklärte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Anlagenbauer-Verbandes VDMA Power Systems, angesichts der Halbjahresbilanz. Anstelle der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) avisierten vier bis fünf Anlagen pro Tag würden derzeit im Schnitt nur ein bis zwei errichtet. Exakt sind es 1,8.

Festzustellen sei dabei, dass die bürokratischen Hürden an vielen Stellen höher geworden sind, so Rendschmidt weiter, etwa bei der Dauer der Verfahren. Vom Antrag für eine Anlage bis zum Zeitpunkt, wo der erste Windstrom fließe, vergingen immer noch vier Jahre.

Heidebroek kritisierte ihrerseits, die durchschnittliche Zeit für die Erteilung der Genehmigungen habe sich nicht verkürzt, sondern im letzten Jahr den neuen Rekordwert von 24,5 Monaten erreicht. Hier müssten die Verfahren entschlackt, gestrafft und scharfe Fristen eingeführt werden, forderte die Branchenchefin.

Die Skepsis der Windkraft-Projektierer, ob sich die Lage verbessert, ist aktuell an den Ausschreibungen abzulesen. Obwohl die im Schnitt gezahlte Förderung sich von 5,81 Cent pro Kilowattstunde 2022 auf derzeit 7,35 Cent erhöhte, blieben die ersten beiden Ausschreibungen in diesem Jahr deutlich unterzeichnet: Von den rund 5.000 Megawatt, die die Bundesnetzagentur anbot, konnte sie am Ende nur für rund 3.000 Megawatt einen Zuschlag erteilen.

Viele ihrer Forderungen trägt die Windbranche weiter vor sich her, so das Vorziehen des Ziels, dass jedes Bundesland zwei Prozent seiner Fläche für Windkraft ausweisen muss, von 2032 auf 2027. Eigentlich wünscht sich die Branche sogar 2025 als Zieljahr.

Derzeit seien nur etwa 0,7 Prozent ausgewiesen, und häufig seien das auch Flächen, die für den Windausbau gar nicht geeignet sind, beklagte sich BWE-Präsidentin Heidebroek.

Ungelöst sind weiter die Transportprobleme der Windanlagen, wo allein die Genehmigung eines Transports um die zwölf Wochen dauere, bemerkte Rendschmidt.

Unklar ist auch die Zukunft der 2022 von der Bundesnetzagentur bezuschlagten Windanlagen. Im letzten Jahr erhielten die Projektierer für die Kilowattstunde eben nur die Förderung von 5,81 Cent – zu wenig bei den in der Energiekrise enorm gestiegenen Kosten. Derzeit sind von diesen Projekten nach Branchenangaben erst vier Prozent realisiert.

Mehr "Unwuchten" im Stromsystem

Tatsächlich erhöhten sich nicht nur viele Hürden beim Windausbau, sondern auch dessen Unwuchten. So verstärkt sich das Nord-Süd-Gefälle. Drei Länder – Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen – vereinten im ersten Halbjahr zwei Drittel der neuen Windkapazität auf sich.

In den Stadtstaaten sowie in den Flächenländern Thüringen und Sachsen wurde keine einzige neue Anlage errichtet. In Sachsen ging die installierte Leistung wegen Stilllegungen sogar zurück.

Eine Folge daraus hat Bundeskanzler Scholz letzte Woche bei seiner Sommerpressekonferenz beschrieben. Der Windausbau im Norden und Osten mache es schon jetzt möglich, den Unternehmen dort subventionsfreie, sehr preiswerte Lieferzusagen zu machen, lobte er.

Die Verzögerungen beim Netzausbau in den letzten Jahren, so Scholz weiter, hätten jetzt zu der absurden Situation geführt, dass man Geld ausgebe, um diejenigen, die im Norden und Osten billigen Windstrom produzieren, dafür zu bezahlen, dass sie dies nicht tun.

Für diejenigen, die den Windstrom gekauft haben, werde im Süden dann aber Stromerzeugung mit Gas und Kohle angeworfen, erläuterte Scholz die aktuelle Engpass-Situation im Netz.

Neben dem Ausbau der Leitungen würde – was Scholz nicht erwähnte – auch ein stärkerer Windausbau im Süden die Lage entspannen. Dafür plädierte wiederum die BWE-Präsidentin am Dienstag.

Erleichtertes Repowering noch nicht in der Praxis angekommen

Eine der guten Nachrichten aus der Branche: Das Repowering – der Ersatz alter Windräder durch neue, größere – bringt derzeit mehr Zuwachs, als die Stilllegung alter Anlagen wegnimmt. Bis 2028 würden 14.000 Anlagen aus der 20-jährigen EEG-Förderung fallen und könnten dann repowert werden, betonte die BWE-Chefin.

Aus den 18.000 Megawatt, die die alten Anlagen derzeit bringen, könnte dann etwa die dreifache Kapazität von 54.000 Megawatt werden – und das an schon vorhandenen Standorten.

Dank EU-Recht sei es jetzt möglich, Repowering-Projekte sogar innerhalb eines halben Jahres zu genehmigen. Das sei aber in den Bundesländern noch nicht angekommen, beklagte Heidebroek.

Auch die Vogelwelt hätte oft etwas vom Repowering. Bei vielen neuen Anlagen befinden sich die Rotoren in einer Höhe, die über der Flughöhe gefährdeter Arten liegt.

Das ist doch auch eine gute Nachricht.

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