Ende Juni ging es los bei Forbach, einer Schwarzwald-Gemeinde im Landkreis Rastatt. Zufahrtstollen werden in den kommenden Monaten in den Berg gesprengt, später zwei große Kavernen, eine für einen unterirdischen Wasserspeicher, eine weitere für Kraftwerksanlagen.
In der Technikkaverne will der Energiekonzern EnBW eine Turbine mit über 50 Megawatt Leistung unterbringen. Sie soll Wasser in das neue sowie in bereits vorhandene Becken heraufpumpen. Das gespeicherte Wasser kann die Turbine später umgekehrt zum Stromerzeugen nutzen.
Die Leistung des Forbacher Wasser- und Pumpspeicherkraftwerks soll so um zehn Prozent auf 77 Megawatt steigen. Für 2027 ist die Fertigstellung geplant. Der Ausbau seiner Anlage ermöglicht es EnBW, die schwankenden Preise am Strommarkt besser auszunutzen.
Von denen leben die "Wasserkraftwerke mit Batterie", wie Medien die seit Langem bekannte Technologie der Pumpspeicherwerke bildlich zu umschreiben versuchen. Die Wasser-"Batterie" hat aber auch Schwächen: Sie ist groß und aufwendig und benötigt viel Fläche, meist von der Natur. Und das Wasser muss eben auch erstmal hochgepumpt werden.
Ein Jahrzehnt Krise bei Pumpspeicherwerken
Das kostet Energie und im Schnitt 20 Prozentpunkte beim Wirkungsgrad. Um den Verlust auszugleichen, benötigen die Betreiber entsprechend große Preisunterschiede am Markt. Der eingekaufte Strom fürs Hinaufpumpen muss möglichst billig sein, der abgegebene Strom möglichst teuer.
Im alten System der Großkraftwerke nutzten die Pumpspeicherwerke vor allem die Differenz zwischen billigem Nachtstrom und dem hohen Strompreis, der morgens und abends in Spitzenzeiten gezahlt wurde.
Der Unterschied wurde zu gering, als die Erneuerbaren aufkamen und der deutsche Strommarkt unter Überkapazitäten ächzte. Besonders von 2010 bis 2017 kriselte es bei den Pumpspeicherwerken heftig. Erweiterungen und Neubauten wurden auf Eis gelegt, alte Anlagen nicht modernisiert.
In einer Analyse von 2017 wurden 20 zurück- oder eingestellte Projekte gezählt. Inzwischen sind Pumpspeicherwerke in Deutschland in der Regel älter als 30 Jahre und größtenteils sogar schon in den 1950er bis 1970er Jahren gebaut worden.
Indes schwankt der Strompreis jetzt wieder ausreichend, so im Januar 2024 im Tageshandel von unter 50 bis auf über 400 Euro je Megawattstunde. Es gibt auch mehr und mehr Zeiten mit negativen Börsenstrompreisen, in denen die Betreiber es bezahlt bekommen, wenn sie Strom abnehmen. Da ist es gut, wenn man wie in Forbach Pumpleistung und Speicher vergrößert.
Branche rechnet jetzt wieder mit Zuwachs
Dass Pumpspeicherwerke wieder zunehmend interessant sind, betont auch EnBW-Sprecherin Regina König. Es sei grundsätzlich sinnvoll, in den kommenden Jahren auch in Deutschland neue Projekte zu planen oder wiederaufzunehmen, so König gegenüber Klimareporter°.
Auch das Lobbying findet wieder Gehör. Anfang Juli erzählte Wirtschaftsminister Robert Habeck abends beim jährlichen Branchentreff des Erneuerbaren-Verbandes BEE, er habe sich am selben Tag mit Pumpspeicher-Unternehmen getroffen.
Weitere zwei- bis dreitausend Megawatt Pumpspeicher könnten zu den bestehenden 10.000 hinzukommen, stellte Habeck in Aussicht. Dazu müssten Genehmigungen beschleunigt werden, da gehe es um Wasserrecht, um Natur- und Artenschutz oder ums Bergrecht, zählte er auf.
Und das sei keineswegs "trivial", räumte der grüne Wirtschaftsminister ein. Den Auftrag dazu habe sein Haus aber angenommen.
Auf eine spätere Nachfrage hin, mit wem Habeck den Auftrag beraten habe, zeigt sich das Ministerium zugeknöpft. Das Gespräch mit Betreibern von Pumpspeicherwerken sei nicht presseöffentlich gewesen, gibt ein Sprecher zu verstehen. Deswegen könne auch nichts über die Beteiligten mitgeteilt werden.
Inzwischen bestätigt nicht nur EnBW die Teilnahme eines Unternehmensvertreters am Treffen mit Habeck (dessen Staatssekretär Philipp Nimmermann war wohl auch dabei), auch Vattenfall und Uniper nahmen nach eigenen Angaben daran teil.
Ab 2028 Teil des Kapazitätsmarktes
Nicht mit am Tisch bei Habeck saß offenbar der BDEW, der größte Energie- und Wasserwirtschaftsverband. Ihm sei das Treffen nicht bekannt gewesen, lässt der BDEW nur wissen.
Als eigentlicher Initiator des Pumpspeichertreffens gilt der VDMA, die Spitzenorganisation des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus. Dessen Fachverband Power Systems vertrete die Hersteller von Energieumwandlungstechnologien, darunter auch die von Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke, begründet der stellvertretende VDMA-Geschäftsführer Gerd-Dieter Krieger die Rolle seines Verbandes. Auch haben weltweit führende Pumpspeicherbauer ihren Sitz oder wichtige Standorte in Deutschland.
Das Treffen mit Habeck hänge insbesondere mit der Speicherstrategie zusammen, an der im Wirtschaftsministerium derzeit gearbeitet wird, erläutert Krieger weiter. Zu dieser gehöre es, Hemmnisse für Pumpspeicherkraftwerke zu erörtern. "Derzeit stehen wir mit dem Ministerium im Austausch, um zu klären, wie die vom Minister beim BEE‑Sommerfest genannten etwaigen Beschleunigungspotenziale zu heben sind", gibt Krieger Einblick in den Fortgang.
Für die Zeit bis 2030 liegen nach Analysen des VDMA konkrete Planungen für Pumpspeicherprojekte im Umfang von 2.000 Megawatt vor. Rein technisch liegt für den Verband das Ausbaupotenzial sogar über den 4.000 bis 8.000 Megawatt, die hiesige Betreiber üblicherweise angeben.
Dass vorbereitende Arbeiten zur Klärung und Lösung der rechtlichen Fragen begonnen haben, betont auch der Ministeriumssprecher. In der Perspektive verweist er auf den für 2028 geplanten technologieneutralen Kapazitätsmechanismus auf dem Strommarkt. Dabei seien ausdrücklich auch Pumpspeicher einbezogen, so der Sprecher.
Pumpspeicherwerke in überragendem öffentlichen Interesse?
Den Goodwill der Politik haben die Betreiber schon eingepreist. Für neue Investitionen hält Vattenfall zunächst eine klare Willensbekundung für nötig, dass die Erweiterung von Pumpspeicherkapazitäten durch Repowering und Neubau politisch gewollt ist, wie der Pressesprecher des Konzerns, Christian Jekat, erklärt.
Vattenfall verfügt aktuell mit 40 Prozent über den größten Anteil an der Leistung der deutschen Pumpspeicherwerke. Im Süden Thüringens will der schwedische Staatskonzern ein neues 500-Megawatt-Pumpspeicherwerk bauen. Dieses kann bereits den Status eines europäischen Vorzeigeprojekts ("Project of Common Interest") vorweisen. Geplanter Baubeginn ist 2030, Fertigstellung 2035.
Um solche Projekte zu realisieren, halten die Betreiber aber auch gesetzliche Änderungen für nötig. "Für eine erfolgreiche Energiewende sind auch für Pumpspeicherkraftwerke Beschleunigungsmaßnahmen analog zu Wind und Solar oder aktuell nach dem Muster des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes erforderlich", verdeutlicht der Vattenfall-Sprecher.
Im Kern geht es dabei offenbar um das "überragende öffentliche Interesse". Dieser Status wurde im Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2023 den Erneuerbaren generell zugebilligt und brachte deren Ausbau tatsächlich voran.
Vattenfall will diese Einstufung auch für Speicheranlagen wie Pumpspeicherwerke erreichen, wenn nicht für alle, so doch für bestimmte Projekte. "Die Priorisierung von Anlagen zur Speicherung von Energie, die im überragenden öffentlichen Interesse stehen, darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern sollte auch in der Praxis gelebt werden", so formuliert es Jekat.
Liegt der Ausbau von Pumpspeicherwerken wirklich in einem überragenden öffentlichen Interesse? Darüber wird sich Minister Habeck Gedanken machen müssen.
Die Zeit drängt dabei. Im Energiemarkt konkurrieren die Wasser-"Batterien" mit anderen Kurzzeitspeichern – vor allem mit echten Batterien: Die Leistung von elektrischen Mega-Batteriespeichern stieg bis Ende 2023 auf 7.500 Megawatt und ist damit bereits größer als die von Pumpspeicherwerken, stellt der jüngste Monitoringbericht zur Energiewende fest.
Der Bericht, den ein Expertengremium vorlegte, veranschlagt dabei die Pumpspeicher-Leistung auf lediglich 6.300 Megawatt, weil nur die sogenannte Turbinenleistung berücksichtigt wird, die letztlich der Stromerzeugung dient.
Und zu den festen Batteriespeichern werden sich bald auch weitere Speicher wie E‑Autos oder Home-Batterien gesellen, oder flexible Lasten wie die Smart-Meter-gesteuerten Haushalte.
Wie die Wasser-"Batterien" wollen auch diese Lösungen von den Preisdifferenzen auf dem Strommarkt profitieren, verringern diese damit aber zugleich. Das aktuelle Preisfenster für Pumpspeicherwerke könnte sich so bald wieder schließen.