Die Sonne hat Kraft: Im Juni zum Beispiel übernahm die Solarenergie an vielen Tagen einen Großteil der Stromversorgung in Deutschland. Am vergangenen Sonntag etwa lieferte sie um 12 Uhr mittags rund 39,8 Gigawatt, während der Gesamtverbrauch bei 54,9 Gigawatt lag. Das waren also mehr als zwei Drittel.
Die Photovoltaik soll weiter kräftig ausgebaut werden, und so wird es in absehbarer Zeit Phasen geben, in denen zumindest regional mehr Stromangebot vorhanden ist als Nachfrage. Es droht dann eine Netzüberlastung.
Doch stärker dezentral ausgerichtete Versorgungskonzepte – unter anderem mit Batteriespeichern in den Gebäuden und E-Autos als Puffer – können helfen, das zu vermeiden, zeigt eine neue Untersuchung.
Der verstärkte Ausbau von Öko-Energien erfordert eine Erweiterung der Stromnetze, etwa um Windstrom aus Norddeutschland in den Westen und Süden zu transportieren. Doch auch, wenn auf immer mehr Hausdächern Solaranlagen installiert werden, bedeutet das eine Herausforderung für die Integration der dort gewonnenen Elektrizitätsmengen ins Netz.
Die Analyse des Berliner Beratungsunternehmens Energy Brainpool zeigt nun, dass dort eine Überlastung eher vermieden werden kann, wenn Energieerzeuger und -verbraucher vor Ort besser als bisher zusammengeführt werden. Zudem kann das Netz dann 15 bis 30 Prozent mehr Erneuerbaren-Strom aufnehmen. Auftraggeber der Studie war die European Climate Foundation (ECF).
Laut den von Energy Brainpool durchgeführten Simulationen kommt es darauf an, dass der Stromüberschuss möglichst dezentral aufgefangen wird. Dazu muss die Einspeisung des Solar- und Windstroms in der betreffenden Region mit Batterie- und Wärmespeichern, Wärmepumpen sowie E-Mobilität verknüpft werden.
Je mehr flexibel steuerbare Verbrauchsanlagen und Speicher dort eingesetzt werden können, desto besser kann die sonst nötige Abregelung von Solar- und Windkraftanlagen vermieden werden. Zudem sinken laut der Untersuchung tendenziell die Netzverluste, sodass insgesamt mehr Strom aus den Öko-Kraftwerken genutzt werden kann.
Smart Meter sind Voraussetzung
Strom vor Ort zu erzeugen und zu verbrauchen, erhöhe die Effizienz der Energiewende, sagte Fabian Huneke von Energy Brainpool bei der Vorstellung der Studie. "Die Herausforderung ist es, Spitzen der Stromerzeugung aus Erneuerbaren in das Netz zu integrieren, wenn gleichzeitig der Verbrauch gering ist."
Mit dezentralen Versorgungskonzepten könne das gelingen, so Huneke. Diese eröffneten darüber hinaus große Chancen, um private Haushalte und lokale Unternehmen stärker an der Energiewende zu beteiligen.
Als größtes Hindernis sieht Huneke, dass das öffentliche Netz bisher in Deutschland für dezentrale Versorgungskonzepte nicht geöffnet sei, anders als in anderen EU-Ländern. Dies müsse geändert werden. Außerdem brauche es Anreize dafür.
So sei es sinnvoll, die Stromkosten für Verbraucher durch variable Netzentgelte zu senken, wenn sie Strom in den Zeiten eines hohen Angebots erneuerbarer Energie abnehmen – also etwa in den Mittagsstunden bei der Photovoltaik. Dazu braucht es Smart Meter, sogenannte intelligente Stromzähler, die allerdings ab 2025 bundesweit angeboten werden sollen.
Unterdessen zeichnen sich Fortschritte beim überregionalen Netzausbau ab. Die Bundesnetzagentur in Bonn teilte mit, bis Ende 2024 werde man voraussichtlich 2.800 Kilometer und ein Jahr später 4.400 Kilometer Hochspannungsleitungen genehmigt haben, die dann gebaut werden könnten. Derzeit sind es nach den Angaben erst 440 Kilometer. Man nutze "alle Möglichkeiten, die Verfahren zu beschleunigen", sagte Behördenchef Klaus Müller.
Insgesamt geht es bei dem Netzausbau auf der höchsten Spannungsebene um 14.000 Kilometer, die die bundesweite Verteilung des Ökostroms ermöglichen sollen. Die meisten dieser "Stromautobahnen" sollen unterirdisch verlegt werden, um Einsprüche aus der Bevölkerung zu verringern. Bisher lief der Ausbau sehr schleppend.