In Europa fallen die Strompreise immer häufiger unter null. Das Jahr "2023 sah eine Explosion negativer Preise in der EU", heißt es in einem aktuellen EU‑Bericht. Besonders ausgeprägt war dieses Phänomen in den skandinavischen Ländern, aber auch in Deutschland bekamen Stromkäufer letztes Jahr während 300 Stunden Geld dafür, Strom zu beziehen.
Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieses Problem immer häufiger auftreten, denn Solar- und Windkraftanlagen produzieren alle gleichzeitig, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Und dann fallen an der Strombörse die Preise – im Extremfall bis unter null.
Die Erneuerbaren "kannibalisieren" so ihre eigenen Erträge und machen den weiteren Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen unattraktiver. "Der Effekt ist mittlerweile so stark, dass das Interesse an Investitionen in Solarparks stark zurückgeht", sagt Alexander Hauk vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Die offensichtliche Lösung für dieses Problem sind Batterien, die praktischerweise auch immer billiger werden: "In weniger als 15 Jahren sind die Batteriekosten um mehr als 90 Prozent gefallen", schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in einer aktuellen Studie: Das sei "eine der schnellsten Kostenreduktionen, die man je im Bereich der sauberen Energien gesehen hat".
"Grundlegende Abkehr von der netzzentrierten Sicht"
Der Zuwachs bei den Batterien ist denn auch rasant: Letztes Jahr hat sich in Europa die Ausbaurate zum dritten Mal verdoppelt. Doch der Großteil der neuen Batterien hat höchstens einen indirekten Einfluss auf den Börsenstrompreis, sondern dient einzelnen Haushalten dazu, den eigenen Solarstrom in den Abendstunden nutzbar zu machen.
Was fehlt sind "Gigabatterien", die Stromangebot und -nachfrage auf Ebene des Stromnetzes in Einklang bringen und damit die Preisschwankungen an der Strombörse glätten, sodass negative Strompreise vermieden werden.
Derartige Batterien sind sehr groß: Die im Bau befindliche Großbatterie des Energiekonzerns RWE in Neurath und Hamm besteht etwa aus 690 containergroßen Batterieblöcken, die sich auf die Fläche von drei Fußballfeldern verteilen. Zusammen haben sie eine Leistung von gut 200 Megawatt, was etwa einem Fünftel der Leistung eines Kohlekraftwerks entspricht.
Und trotz des rapiden Kostenverfalls bei Batterien ist eine solche Anlage auch nicht ganz billig: RWE investiert in Neurath und Hamm nach eigenen Angaben zusammen 140 Millionen Euro. Diese Investition soll sich aus zwei Finanzströmen amortisieren: zum einen durch den Kauf und Verkauf von Strom an der Strombörse und zum anderen durch die Bereitstellung von Regelenergie.
Mit Regelenergie werden kurzfristige Spannungsschwankungen im Stromnetz ausgeglichen. Dafür eignen sich Batterien besonders gut, da sie innerhalb von Sekunden anspringen und ihre volle Leistung entfalten. Deshalb gehen viele Beobachter davon aus, dass Gigabatterien großen Einfluss auf den Strommarkt der Zukunft haben werden.
Walburga Hemetsberger vom Interessenverband Solar Power Europe, sagt etwa: "Die zunehmende Batteriespeicherung bedeutet eine grundlegende Abkehr von unserer derzeitigen netzzentrierten Sicht auf den Markt. Dies wirkt sich nicht nur auf die Art und Weise aus, wie wir die Infrastruktur planen und das System betreiben, sondern auch auf die Märkte, auf denen wir tätig sind."
Batterien drängen Gaskraftwerke aus dem Netz
Und Auke Hoekstra von der niederländischen Universität Eindhoven sagt: "Ich glaube, dass billige stationäre Batterien ein unterschätzter Wegbereiter für den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien sind."
Hoekstra unterscheidet drei Phasen im Aufbau eines Stromnetzes, das zu 100 Prozent auf Grünstrom beruht. In der ersten Phase, ohne Batterien, sind 60 bis 70 Prozent Grünstrom möglich. In der zweiten, mit Großbatterien, sind es 90 Prozent.
Erst in der dritten und letzten Phase muss Elektrizität dann etwa in Wasserstoff umgewandelt werden, um auch in tagelangen und europaweiten "Dunkelflauten" genug Strom produzieren zu können.
Trotzdem haben es Batterien in Deutschland noch schwer. Bislang sind erst Großbatterien mit einer Leistung von 1,2 Gigawatt, also 1,2 Millionen Kilowatt, am Netz.
Das liegt nicht zuletzt am unsicheren regulatorischen Umfeld: Batterien gelten gleichzeitig als Stromverbraucher und ‑produzenten und müssen daher beim Ein- und Ausspeichern das Netzentgelt bezahlen. Aktuell ist diese Doppelbelastung bis 2029 ausgesetzt, aber für die Zeit danach fehlt Investoren die Rechtssicherheit.
Wie es besser geht, zeigt Kalifornien, wo bereits Großbatterien mit einer Leistung von zehn Gigawatt am Netz sind. Diese sorgen dort für eine höhere Stromnachfrage, wenn die Sonne scheint, und ein größeres Stromangebot nach Sonnenuntergang.
Dadurch wird der Strompreis über den Tag geglättet und Strom von Gaskraftwerken aus dem Netz gedrängt, wie eine Analyse der Firma Grid Status zeigt. Gigabatterien haben also genau den erwünschten Effekt – wenn man sie erst einmal hat.