Als sich Vattenfall vor drei Jahren ein grüneres Image zulegen und die störende, vor allem in der Lausitz beheimatete Braunkohlesparte loswerden musste, ließ der schwedische Staatskonzern sich das einiges kosten: 1,7 Milliarden Euro überwies Vattenfall am Ende den neuen Eignern, dem tschechischen Versorger EPH und dem tschechisch-britischen Finanz- und Investmentunternehmen PPF-Investments (PPF‑I). Mit dem Geld sollte die Sanierung der durch die Tagebaue umgewühlten Landschaft bezahlt werden.
Vor Jahresfrist schon wurden Vorwürfe laut, dass davon beim Vattenfall-Nachfolger, der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag), nur eine Milliarde Euro angekommen sei. Das hatte eine Analyse von Wirtschaftsprüfern im Auftrag von Greenpeace ergeben. Allein mit der Milliarde würden bei einem Kohleausstieg nicht mehr genügend Rückstellungen gebildet werden können, um die Tagebaue zu rekultivieren, befanden die Prüfer.
Dieses Problem verschärft sich, weil die Gewinne der Braunkohlekraftwerke stark fallen und das ganze Braunkohlegeschäft – also auch das Betreiben der Tagebaue – nicht mehr rentabel und die Insolvenzgefahr größer ist, warnt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer jetzt veröffentlichten Ausarbeitung.
Dem Thinktank zufolge lagen 2018 die bergbaubedingten Rückstellungen für die Lausitz, ohne den Tagebau Cottbus-Nord gerechnet, bei 1,38 Milliarden Euro und für das Rheinland bei 2,53 Milliarden Euro. Dies sagt aber nichts darüber, welche Summen überhaupt zur Sanierung nötig sind, kritisieren die beiden FÖS-Autorinnen.
Auch das FÖS kann sich hier nur auf die einzige bisher bekannte offzielle Schätzung beziehen: Brandenburgs Wirtschaftsministerium beziffert die Rekultivierungskosten allein für das Lausitzer Revier auf drei Milliarden Euro – möglicherweise.
Braunkohlekonzerne haben auf geschickte Weise vorgebaut
Das größte Risiko für die öffentliche Hand, auf den Kosten sitzen zu bleiben, besteht aus Sicht der FÖS-Expertinnen derzeit in der "mangelnden Haftung" der Mutterkonzerne der Bergbauunternehmen. Sowohl der RWE-Konzern im Rheinland als auch die Eigentümer der Leag haben hier in ihren Augen vorgebaut.
RWE zum Beispiel habe mit der geschickten Ausgliederung der profitablen Tochter Innogy dafür gesorgt, dass die Gewinne der Innogy nicht mehr als Absicherung der RWE-Verbindlichkeiten damit für die Folgekosten der Braunkohle zur Verfügung stehen. Innogy wurde bekanntlich inzwischen an Eon verkauft, wofür RWE wiederum Eon-Anteile erhielt.
Bei den Leag-Eignern ist nach wie vor unklar, schreibt das FÖS, inwieweit EPH und PPF‑I bei einer Insolvenz der Braunkohle-Töchter zur Finanzierung der Verbindlichkeiten herangezogen werden können.
Zwar spitze sich die wirtschaftliche Lage der Braunkohle zu, aber zum Handeln sei es nicht zu spät, sagt Swantje Fiedler, Mitautorin und wissenschaftliche Leiterin des FÖS, gegenüber Klimareporter°. "Die Unternehmen, die jahrelang gutes Geld mit der Braunkohleverstromung verdient haben, müssen auch für die Folgekosten aufkommen", betont sie.
Die entscheidende Frage sei dabei, ob die Landesregierungen bereit seien, die rechtlichen Regelungen zu ändern. "Die neu gewählten Regierungen in Brandenburg und Sachsen haben jetzt die Chance, die Verursacher nicht aus der Verantwortung zu entlassen", so Fiedler.
Die Bergbaubehörden müssten dazu endlich Sicherheitsleistungen von den Betreibern einfordern. Für den Fall einer Insolvenz sei zudem eine langfristige Haftung der Mutterkonzerne zu sichern. Und sollte es im Zuge des Kohleausstiegs Entschädigungen geben, müsse das Geld, fordert Fiedler, "ohne Ausnahme" für die Rekultivierung zur Verfügung stehen. Es könne direkt in Sicherheitsleistungen überführt werden, die vor Insolvenz geschützt seien.
Korruptionsvorwürfe gegen Eigentümer der Lausitzer Kohle
Damit nicht genug, gerät der Verkauf der Lausitzer Kohle jetzt auch noch unter Korruptionsverdacht. Die Umweltverbände Grüne Liga und Greenpeace sowie das Bündnis Klima-Allianz verbreiteten am Donnerstag entsprechende Vorwürfe. Sie beziehen sich dabei unter anderem auf schwedische Regierungsdokumente.
Die Papiere aus dem Jahr 2016 würden belegen, zitieren die drei Organisationen aus einem Bericht der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter, dass der schwedischen Regierung Informationen über Geldwäsche, Steuerbetrug, Bestechung und Korruption gegen das tschechische Unternehmen EPH vorlagen, dem Vattenfall sein Braunkohlegeschäft verkaufte.
Diese Angaben hätten der schwedischen Regierung eigentlich genügen müssen, um den tschechischen Investor nach den Regeln des EU-Vergaberechts vom Kauf auszuschließen, so die Umweltverbände. Sie fordern, dass die Unterlagen nun auch in Deutschland unabhängig ausgewertet werden.
Es gebe unzählige offene Fragen an die Leag, sagte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz. "Werden die Fragen weiter verschleppt, führt das im schlimmsten Fall zu einem Milliardenloch in den Landeskassen. Gelder, die für den sozialverträglichen Strukturwandel dringender gebraucht werden."