Klimareporter°: Frau Fiedler, heute will das Klimakabinett über den CO2-Preis diskutieren. Dutzende Gutachten gibt es dazu inzwischen. Muss man nicht langsam sagen: Der Papiere sind genug gewechselt, lasst uns Taten sehen?
Swantje Fiedler: Tatsächlich ist es höchste Zeit, dass der CO2-Ausstoß einen Preis bekommt und die Bundesregierung sich auf ein Konzept einigt. Ich bin da optimistisch gestimmt, wo es jetzt gefühlt jede Woche zwei neue Vorschläge gibt.
Die Unterstützung für einen CO2-Preis wird größer. Zudem gehen die meisten Vorschläge in eine ähnliche Richtung. Insofern kann ich mir vorstellen, dass es einen Kompromiss geben kann.
Die Debatte fokussiert sich auf die Frage, ob eine CO2-Steuer sozial gerecht ist. Umweltverbände wie auch die Gewerkschaft IG Metall verlangen, zuerst müsse es Alternativen geben. Muss der neue Rufbus vorm Haus halten oder das E-Auto in der Garage stehen, bevor man die Haushalte mit einem CO2-Preis belastet?
Natürlich wäre es ideal, hätte man erst die Alternativen und würde dann den Preisanreiz geben. So funktioniert das aber eben in der Realität nicht. Und so viel Zeit haben wir auch nicht mehr.
Klar müssen die Alternativen gefördert und ausgebaut werden, aber diese müssen auch wirtschaftlich sein und sich am Markt durchsetzen. Genau dafür brauchen wir dringend den CO2-Preis. Der muss zeitgleich in einen Politikmix eingebettet sein, der die Alternativen zusätzlich fördert.
Deutschland hat nicht nur den CO2-Preis für Wärme und Verkehr über Jahre verschleppt, auch um die Alternativen kümmerte sich die Regierung kaum. Die Bahn schrumpfte, Radverkehr und Gebäudesanierung dümpelten vor sich hin. Macht nicht dieses doppelte Defizit die Einführung eines CO2-Preises jetzt so schwierig?
Das stimmt, macht aber eben auch deutlich: Solange wir dieses Preissignal nicht haben, wird kaum etwas passieren. Bei der Wirkungsweise eines CO2-Preises – wie der Klimapolitik überhaupt – ist das Grundproblem, dass man der Bundesregierung die Ernsthaftigkeit nicht abnimmt, mit der sie die Klimaziele verfolgt. Das Klimaschutzgesetz ist ja das beste Beispiel dafür.
Zur Person
Swantje Fiedler hat Politik- und Wirtschaftswissenschaften studiert und ist wissenschaftliche Leiterin beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Bei dem Thinktank befasst sie sich seit zehn Jahren mit der Konzeption und Wirkungsanalyse umweltpolitischer Instrumente und Strategien, speziell dem Abbau umweltschädlicher Subventionen und der Ausgestaltung marktwirtschaftlicher Instrumente in der Energiepolitik.
Immer wird die Hoffnung genährt, für uns wird es am Ende ganz so schlimm doch nicht kommen.
Wir befinden uns in einer großen Krise und so muss man auch handeln. Schaffen wir es nicht, die Emissionen wirklich drastisch zu senken, wird das zur eigentlichen Gefahr für unseren Lebensstandard. Klar ist aber auch: Egal, mit welchen Maßnahmen jetzt versucht wird, die Klimaziele zu erreichen – so oder so wird sich unsere Lebens- und Wirtschaftsweise tiefgreifend ändern.
Dafür braucht man die Unterstützung der Bevölkerung. Die kann man aber nur mitnehmen, wenn man deutlich macht, wie groß die Klimagefahren sind, aber auch, wie die Instrumente funktionieren. Schaut man sich die Wirkung des CO2-Preises genau an, ist der gar nicht so schlecht. Wenn man es richtig macht, werden ja gerade die ärmsten Haushalte unterm Strich bessergestellt.
In Deutschland nehmen die reale und noch mehr die gefühlte Ungerechtigkeit zu. Und jetzt kommen Umweltpolitiker und versprechen, Heizen und Autofahren würden zwar teurer, die ärmeren Haushalte aber dank einer Rückzahlung bessergestellt. Kann man das für bare Münze nehmen? Leidet die Akzeptanz der CO2-Steuer nicht vor allem an ungerechten sozialen Verhältnissen?
Das sehe ich genauso. Die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft ist ein Problem, an dem der Klimaschutz am Ende auch scheitern kann. Die reichen Haushalte werden immer leichter mit den Veränderungen klarkommen. Die können sich das Elektroauto, die Hausdämmung oder die Wärmepumpe leisten. Die CO2-Steuer soll das Problem aber nicht verschärfen. Daher ist es richtig, dass vor allem die ärmsten Haushalte finanziell profitieren und beim Klimaschutz unterstützt werden.
Wichtig ist aber auch klarzumachen, dass die CO2-Steuer nicht die Ursache für die Ungleichheit ist. Viele vergessen auch: Nicht zu handeln und dem CO2 keinen Preis zu geben wäre das eigentlich Unsoziale.
Denn die Verursacher der Krise, die mit dem großen CO2-Fußabdruck, das sind nicht die armen Haushalte. Das sind eher die reichen Haushalte mit den dicken Autos und den häufigen Flugreisen. Und dafür müssen die bisher nichts bezahlen. Und auch die Auswirkungen des Klimawandels werden die armen Haushalte zuerst treffen.
Müsste Klimapolitik dann nicht durch eine entsprechende Sozialpolitik flankiert werden?
Ja, denken wir nur an den Mindestlohn. Alle Haushalte müssten ein entsprechendes Einkommen haben, um ihr Leben finanzieren zu können, nicht nur die Kosten der CO2-Emissionen, sondern auch den täglichen Bedarf.
Inzwischen scheint mir das politische Signal – wir machen jetzt mit der Besteuerung ernst – fast wichtiger als die Höhe des Preises selbst.
Wichtig ist das Signal, dass der CO2-Preis über eine längere Zeit ansteigen wird. Deswegen finde ich die Frage, mit welchem Preis wir denn jetzt einsteigen, gar nicht so entscheidend, ob das nun 20, 35 oder 40 Euro sind. Wenn man klarmacht, wo die Reise hingeht, und auch glaubwürdig vermittelt, dass es diesen Anstieg geben wird, hat das entsprechende Wirkungen.
Das FÖS rechnet in seinem Gutachten eine Spannbreite der möglichen CO2-Einsparung im Bereich Wärme und Verkehr bis 2030 von 19 bis 74 Millionen Tonnen aus. Warum geht das nicht genauer?
Die Spannbreite ergibt sich daraus, dass man nicht genau sagen kann, wie schnell die Anpassungsreaktionen kommen. Das hängt sehr von den individuellen Investitionsentscheidungen ab. Ein Haus wird vielleicht nur alle 20 Jahre saniert. Auch ein neues Auto kauft man sich nicht jedes Jahr.
Wie schnell die Bevölkerung und die Unternehmen reagieren, hängt zudem nicht nur vom CO2-Preis ab, sondern auch von sonstigen Rahmenbedingungen: Welche Technologien sind wie teuer? Wie gut ist der öffentliche Verkehr ausgebaut, welche Infrastruktur gibt es fürs Elektroauto?
Es ist erwiesen dass ein CO2-Preis wirkt. Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen und wann.
Während die Folgen des CO2-Preise für private Haushalte recht genau ausgerechnet werden, gibt es bei der Wirtschaft mehr Unklarheiten. Unternehmen können höhere Preise, die sie wegen der Steuer bezahlen müssen, zum einen steuerlich geltend machen, andererseits aber auch an die Verbraucher weiterreichen – entweder in geringerem Maße wegen des Wettbewerbsdrucks oder in höherem Maße, wenn dieser fehlt. Gibt es bei der Wirtschaft auch Gewinner und Verlierer?
Dass klimaschädliche Produkte teurer werden, ist Sinn und Zweck des CO2-Preises. Und deshalb muss für jeden Autobauer und Ölproduzenten klar sein, welche Geschäftsmodelle sich in Zukunft lohnen und welche nicht.
Ein klarer Preispfad für CO2 gibt ihnen Zeit für die Anpassung, aber das Zeitfenster schließt sich bereits. Das haben schon viele Unternehmen erkannt und entsprechend investiert. Es ist wichtig, dass diese Unternehmen jetzt auch wirtschaftlich belohnt werden.
Das FÖS fordert seit Jahren eine Besteuerung des Umweltverbrauchs. Was kommt nach der CO2-Steuer?
Wir setzen uns dafür ein, dass die Verursacher für ihre Umweltschäden bezahlen und Preise die ökologische und soziale Wahrheit sagen. Auf dem Weg dahin ist der CO2-Preis einer der wichtigsten Bausteine. Aber es gibt noch sehr viel zu tun, beispielsweise bei anderen Schadstoffen oder beim Ressourcenverbrauch. Jedes Jahr belasten umweltschädliche Subventionen in Deutschland den Staatshaushalt mit über 57 Milliarden Euro, ein Großteil im Verkehr.
Und der Anteil der Umweltsteuern am gesamten Steueraufkommen liegt aktuell bei gerade mal 4,3 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit über 20 Jahren. Um unser Steuersystem fit für die Zukunft zu machen, muss dieser Trend dringend umgekehrt werden.