Trotz aller Bedenken genehmigte die EU-Kommission Mitte des Monats die Aufspaltung der RWE-Tochter Innogy. Der Energiekonzern Eon kann nun Anfang 2020 die gewinnträchtigen Sparten Netz und Vertrieb von Innogy übernehmen.
RWE erhält dafür die gesamte Stromerzeugung beider Konzerne. Durch eine 16,7-prozentige Beteiligung von RWE an Eon sichern sich beide Konzerne in ihren Strategien gegeneinander ab.
"Der Zusammenschluss der zwei mit Abstand größten deutschen Energiekonzerne ist eine weitere Zäsur für den deutschen Energiemarkt", kritisierte Gero Lücking, Geschäftsführer beim Ökostromunternehmen Lichtblick, den Deal. Die Zeche hätten die Verbraucher und der Industriestandort Deutschland zu zahlen, Wettbewerb und Innovation blieben auf der Strecke. "Eine solche Machtkonzentration hat es im deutschen Energiemarkt noch nie gegeben."
Die Auflagen der EU-Kommission für den deutschen Markt sind für Lücking "geradezu lächerlich". Von insgesamt 14 Millionen Strom- und Gaskunden müsse die neue Eon ganze 266.000 Heizstromkunden abgeben, außerdem den Betrieb von 34 Ladesäulen an deutschen Autobahnen.
Mit dem Rückenwind der EU-Entscheidung trat RWE am heutigen Montag mit einer neuen Konzernstrategie an die Öffentlichkeit. Bis 2040 solle der Konzern "klimaneutral" sein, verkündete Vorstandschef Rolf Martin Schmitz. Das soll durch einen "dreistufigen CO2-Minderungsplan" geschehen.
Von 2012 bis 2018 habe RWE seinen CO2-Ausstoß bereits um rund ein Drittel oder 60 Millionen Tonnen reduziert, sagte Schmitz. Bis 2030 sei eine weitere Verringerung um rund 70 Prozent im Vergleich zu 2012 vorgesehen.
RWE-Plan: In 20 Jahren klimaneutral
Dafür werde der Konzern 2020 in Großbritannien sein letztes Kohlekraftwerk stilllegen. In den Niederlanden soll die Kohleverstromung politisch gewollt bis 2030 beendet werden. Dort ist RWE dabei, die Steinkohlekraftwerke in Eemshaven und Amer auf Biomasse umzurüsten.
In Deutschland würden, teilte RWE weiter mit, "weitere Kohlekraftwerke des Konzerns entsprechend den Empfehlungen der Strukturwandelkommission schrittweise vom Netz" genommen. Bis 2040 soll die Stromproduktion aus fossilen Brennstoffen schließlich so umgestellt sein, dass Klimaneutralität erreicht ist. Neben einem großen Portfolio mit Wind- und Solaranlagen setze RWE dann auch auf Speicher, Biomasse und vornehmlich mit "grünem" Gas betriebene Gaskraftwerke.
Den Kurswechsel von RWE hält der Umweltverband BUND für ein durchschaubares Manöver. Der Energieriese wolle sich ökologischer geben, ohne wirklich einen Schlussstrich unter die Kohleverstromung zu ziehen. "Der Konzern bleibt so lange unglaubwürdig, wie er zugleich Braunkohle auf Hochtouren verstromt und seine Bagger weiter ungebremst Richtung Hambacher Wald und Dörfer vorstoßen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
BUND: Uralt-Blöcke abschalten, Dörfer und Wald retten
Konzernchef Schmitz habe, so Weiger, die Umsiedlungen am Tagebau Garzweiler seit letztem Jahr sogar noch vorangetrieben, obwohl die Dörfer mit dem Kohleausstieg gerettet werden könnten. "RWE muss jetzt mindestens die uralten Kraftwerksblöcke in Neurath und Niederaußem vom Netz nehmen", forderte der BUND-Chef.
Die Garzweiler-Dörfer und auch der Hambacher Forst könnten gerettet werden, betonte Weiger, für den klar ist: "Spätestens mit der heutigen Ankündigung der Tagebau-Betroffenen darf RWE mit starkem Widerstand rechnen."
Denn zeitgleich mit der RWE-Ankündigung, klimaneutral zu werden, kündigten heute Anwohnerinnen und Anwohner des Tagebaus Garzweiler II juristischen Widerstand gegen die von RWE geplante Zerstörung von Keyenberg und weiteren Dörfern im Randbereich des Tagebaus an.
Von der nordrhein-westfälischen Landesregierung, der Bezirksregierung Arnsberg und der Konzerntochter RWE Power fordern die Betroffenen eine Klarstellung, dass angesichts der Klimakrise und des beschlossenen Kohleausstiegs keine Dörfer mehr für Tagebaue zerstört werden dürfen.
Notfalls, so die Anwohnergemeinschaft, werde sie dafür auch vor Gericht ziehen, um einen rechtlichen Präzedenzfall zu schaffen. "Nach einer so langen Zeit der Unsicherheit wollen die Anwohnerinnen und Anwohner endlich rechtliche Klarheit", sagte Birgit Cichy aus Wanlo bei Keyenberg. "Aber auch die Öffentlichkeit soll wissen, was heute noch im Namen der Kohle passiert."
Nach Plänen von RWE sollen die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich sowie die Holzweiler Höfe noch für den Braunkohletagebau Garzweiler II abgerissen werden.
Anwalt: Dorfzerstörung für Kohle verfassungswidrig
Nach Ansicht der Anwohner kann in Zeiten des Klimawandels das Interesse von RWE am Abbau der klimaschädlichen Braunkohle nicht mehr höher stehen als ihre eigenen Rechte.
"Das eigene Wohnhaus und den Heimatort aufgeben zu müssen, ist ein gravierender Eingriff in die Grundrechte", sagte Rechtsanwalt Dirk Teßmer, der die Anwohner juristisch vertritt. "Dass dies in Zeiten des Klimawandels und Kohleausstiegs für den Abbau klimaschädlicher Braunkohle von ihnen verlangt wird, ist absolut nicht mehr zeitgemäß und aus unserer Sicht sogar verfassungswidrig."
Sollten RWE und die Landesregierung nicht einlenken, bleibt der Gemeinschaft nur noch, von den Behörden und notfalls den Gerichten klären zu lassen, ob die Zerstörung von Dörfern am Rand des Tagebaufelds Garzweiler II unter diesen Umständen überhaupt noch rechtmäßig ist.
Auch nach einem aktuellen Rechtsgutachten für den BUND bestehen daran erhebliche Zweifel. Der BUND Nordrhein-Westfalen hält seine Klagen gegen den RWE-Konzern wegen dessen Aktivitäten rund um den Hambacher Forst ebenfalls aufrecht. Seit 2016 klagt außerdem sogar ein vom Klimawandel betroffener Peruaner gegen RWE auf Beteiligung an den Folgekosten.
"Die Zeichen stehen gegen die Kohle, politisch, rechtlich und wirtschaftlich", so BUND-Chef Weiger. Konzernchef Schmitz müsse eine Strategie vorlegen, wie RWE bis 2030 aus der Kohle aussteigt. "Erst das wäre ein nachhaltiger Konzernumbau."
Redaktioneller Hinweis: Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking ist Kuratoriumsmitglied von Klimareporter°.