Ist vom CO2-Preis die Rede, wird meist über einen Aufschlag auf die bisherigen Preise von Strom, Gas, Öl und Wärme nachgedacht. Man kann sich zunächst aber auch fragen, inwieweit schon bestehende Steuern und Abgaben auf Strom, Gas, Öl und Wärme zu hoch oder zu niedrig sind.
Man spricht dann von einer "impliziten CO2-Belastung". Dazu gehören Preisaufschläge wie EEG-, KWK- und Offshore-Umlage, aber auch die schon vor fast 20 Jahren eingeführte Ökosteuer und anderes mehr.
Ein durchschnittlicher Stromkunde in Deutschland muss im üblichen Strommix derzeit rund 2.200 Kilowattstunden verbrauchen, damit eine Tonne CO2 emittiert wird. Dafür zahlte er 2017 eine "implizite CO2-Abgabe" von 200 Euro, wie eine jetzt im Auftrag des VKU vorgelegte Studie angibt.
Für dieselbe Tonne Treibhausgas hatten Besitzer einer Ölheizung jährlich gerade mal zehn Euro zu zahlen, rechnen die Studienautoren von der Kölner Beratungsfirma R2B Energy Consulting vor. Im Schnitt über alle Sektoren – Strom, Wärme und Verkehr – wurden die Verbraucher demnach 2017 mit "Energiewendekosten" von 94 Euro je Tonne CO2 belastet.
Weil Strom, der hierzulande schon zu rund 40 Prozent Ökostrom ist, damit über Gebühr verteuert wird, sehen die Studienautoren die "Verursachungsgerechtigkeit" bezüglich der CO2-Emissionen nicht gegeben. Auch würden Preissignale verzerrt. Der relativ hohe Preis behindert auch den Einsatz des Stroms für die Elektromobilität oder die Herstellung "grünen" Gases, wie die Ökostrombranche lebhaft beklagt.
Strom, Gas, Öl und Wärme gleichmäßig belasten
Die VKU-Studie schlägt deshalb vor, die "implizite CO2-Abgabe" gleichmäßig auf alle Energieformen zu verteilen. 2030 hätten dann alle Energieverbraucher – sofern sie nicht am Emissionshandel teilnehmen und außen vor sind – laut der Studie für eine Tonne CO2 89 bis 98 Euro zu zahlen.
Strom, der zum Beispiel Wärmepumpen oder E-Autos antreibt, könnte dann laut den Berechnungen pro Kilowattstunde um 4,5 Cent billiger sein. Heizöl- oder Erdgas-Kunden würden hingegen draufzahlen – mit plus 2,6 beziehungsweise 1,8 Cent je Kilowattstunde. Der Liter Benzin würde zehn Cent und der Liter Diesel 13 Cent teurer.
Für die Energiewirtschaft insgesamt soll die VKU-Preisreform aufkommensneutral sein. Was den einen gegeben wird, wird den anderen genommen. Bei einzelnen Verbrauchern, die mit Öl oder Gas ihr Haus heizen, kann das natürlich anders aussehen. Deswegen spricht sich der VKU für eine "sozialverträgliche Umsetzung" aus. So könnten spezielle Förderprogramme finanziert oder für einkommensschwache Gruppen Teile der gezahlten CO2-Abgabe erstattet werden.
Woher das Geld dafür kommen soll, sagt die Studie nicht. Konkrete sozialpolitische Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Studie gewesen, erklärt ein VKU-Sprecher auf Nachfrage von Klimareporter°. Die Verbraucher benötigten aber Zeit und bessere steuerliche Förderung für die Umstellung, etwa beim Kauf von Mobilen mit elektrischem oder sonstigem alternativen Antrieb oder bei der energetischen Gebäudesanierung.
Selbst darüber, wie groß die Lenkungswirkung sein wird, gibt es in der Studie keine konkreten Angaben – die CO2-Reduktion, heißt es nur, entfalte sich "in der Wahl des Energieträgers beim Endverbraucher" und damit zwischen Strom, Wärme und Verkehr. "Eine qualitative Berechnung der CO2-Minderung ist im Rahmen der Studie bisher nicht erfolgt", räumt der VKU-Sprecher ein.
BDEW sieht 65-Prozent-Ziel scheitern
Mehr Strom, vor allem grünen, für Mobilität und Wärme einzusetzen bedeutet auch, dass genügend erneuerbarer Strom verfügbar sein muss. Dessen Anteil am Strommarkt soll nach dem Willen der großen Koalition bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Bleibt es aber bei den aktuellen politischen Vorgaben, werden in einem Jahrzehnt höchstens 54 Prozent erreicht, sagt der Branchenverband BDEW in einer heute präsentierten Prognose voraus.
Für das 65-Prozent-Ziel müssen nach den Worten von BDEW-Chef Stefan Kapferer bis 2030 zwischen 100.000 und 120.000 Megawatt Ökostrom neu installiert und damit die heutigen Kapazitäten praktisch verdoppelt werden. Für den BDEW kommen dafür vor allem Windkraft an Land und auf See sowie Photovoltaik infrage, letztere vor allem auf Freiflächen.
Kapferer plädierte entsprechend dafür, die bisherigen Deckelungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien aufzuheben: keine Beschränkung der EEG-Förderung auf Solarstrom-Anlagen bis zehn Megawatt, kein Photovoltaik-Deckel bei insgesamt 52.000 Megawatt, keine Begrenzung des Windkraft-Ausbaus auf See auf 15.000 Megawatt bis 2030.
Angesichts der sinkenden Akzeptanz für Windkraft an Land schlägt der BDEW vor, sich auf Windkraft auf See (Ausbau auf 20.000 Megawatt) sowie Solarstrom zu konzentrieren. Allerdings könne deren forcierter Ausbau eine mögliche bundesweite Vorschrift, dass Windkraft an Land nur noch im Abstand von mindestens 1.000 Metern zu Wohngebäuden errichtet werden darf, nicht ausgleichen. Eine solche Regelung würde die Flächenverfügbarkeit aus Sicht des BDEW so einschränken, dass das 65-Prozent-Ziel nicht mehr zu schaffen ist.
"Pauschale Flächenrestriktionen sind kein gangbarer Weg, um die Ausbauziele zu erreichen", betonte Kapferer. Die Forderungen der Branchen stellten dabei kein "Wunschszenario" dar, sondern einen "klaren Weckruf". Es gehe um Entscheidungsnotwendigkeiten.