Arbeitspferde der Energiewende: Windräder. (Foto: Jan Barkmann/​Pixabay)

Wie müsste man Menschen finanziell beteiligen, damit sie neue Windkraftanlagen akzeptieren? Bei einer Forsa-Umfrage im Herbst 2018 lautete die klare Präferenz: durch billigeren Strom. Zwei Drittel der Befragten nannten vergünstigte Strompreise für lokal Betroffene. Auf dem zweiten Platz mit 41 Prozent Zuspruch landeten Investitionsmöglichkeiten für Bürger und Kommunen, in deren Nachbarschaft die Windräder sich drehen. Knapp ein Drittel sprach sich bei der Umfrage, die von der Fachagentur Windenergie an Land in Auftrag gegeben worden war, für Sonderabgaben an betroffene Kommunen aus.

Die Akzeptanz von Windrädern ist ein Knackpunkt der Energiewende. Damit gemäß dem Ziel der Bundesregierung im Jahr 2030 mindestens 65 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien durch die deutschen Netze fließen, braucht es einen weiteren kräftigen Zubau der Windkraft, auch an Land. Und der funktioniert nur, wenn Menschen und Kommunen in ganz Deutschland mitziehen. Um das zu erreichen, gilt ihre Beteiligung an den Gewinnen aus der Windkraft als gutes Instrument.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Möglichkeiten dafür zu verbessern und eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. Eine koalitionsinterne Arbeitsgemeinschaft, die AG Akzeptanz/​Energiewende, hat die Aufgabe, die konkrete Ausgestaltung dieser Beteiligung zu entwickeln. Sie hätte eigentlich am 20. März Ergebnisse vorlegen sollen, geht jetzt aber in die Verlängerung, weil ihre acht Mitglieder, jeweils vier aus Union und SPD, miteinander im Clinch liegen.

Konzepte liegen vor

Dem Gremium liegen mehrere Vorschläge von Verbänden, aus Wissenschaft und Politik dazu vor, wie die Beteiligung geregelt werden könnte (siehe Infokästen). Denkbar ist auch, dass am Ende verschiedene Modelle angewendet werden dürfen – je nachdem, was in der jeweiligen Situation am besten passt.

Modell 1: Die Sonderabgabe

Vorgeschlagen vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem) als Ergebnis einer Studie im Auftrag von Agora Energiewende. Die Sonderabgabe besteht nach diesem Konzept aus einer Einmalzahlung bei Inbetriebnahme, deren Höhe sich aus Kapazität und Anlagenhöhe ergibt, und einer jährlichen Zahlung, die sich aus Anlagenhöhe und Stromerträgen berechnet. Das Geld soll zweckgebunden in die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen vor Ort fließen.

Wer zahlt? Der Betreiber.

Wer profitiert? Die Standortkommune und Gemeinden in einem bestimmten Umkreis der Windräder. Bürger werden in dem Modell nicht individuell beteiligt.

Alle Konzepte, die in der Diskussion sind, kosten Geld. Wenn Betreiber in Zukunft Teile ihres Umsatzes abgeben müssen, zum Beispiel an die Standortkommunen von Windparks, liegt die Vermutung nahe, dass sie die Mehrkosten in ihre Gebotspreise bei Auktionen einrechnen werden.

Der Strompreis könnte also dadurch steigen. Das wäre auch bei einer Konzessionsabgabe für eingespeisten Strom der Fall, wie sie der Städte- und Gemeindebund Brandenburg ins Spiel gebracht hat.

Politisch ist eine Verteuerung des Stroms nicht gewollt. Der Staat könnte sie zum Beispiel auffangen, indem er andere Preisbestandteile reduziert, etwa die Stromsteuer; denkbar sind auch staatliche Beihilfen für Ärmere. Andere Vorschläge zielen darauf ab, an der Mehrwert-, Gewerbe- oder Grundsteuer zu drehen.

Der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern hat sich beispielsweise dafür ausgesprochen, bundesweit eine eigene Grundsteuer für Erneuerbaren-Anlagen einzuführen, die sogenannte "Grundsteuer E". Im Gespräch sind 5.000 Euro pro Megawatt Kapazität. In dem Fall würden die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Windräder stehen, finanziell belastet. Oder die Gewerbesteuereinnahmen werden anders verteilt, sodass mehr – oder alles – in der Standortgemeinde ankommt und nicht am Firmensitz der Betreiber.

Druck aus den Bundesländern

Einzelne Bundesländer sind schon vorgeprescht. So hat die brandenburgische Landesregierung im September eine Abgabe angekündigt, die Windkraftbetreiber in Zukunft an die Kommunen zahlen müssten, in denen die Anlagen aufgestellt werden. Ende Januar folgte ein Gesetzentwurf.

Modell 2: Regionale Wertschöpfung

Vorgeschlagen vom Bundesverband Windenergie. Ein bis zwei Prozent des Umsatzes der Anlagen sollen nach dieser Idee in Maßnahmen der regionalen Wertschöpfung in den Standortgemeinden fließen, davon 30 Prozent direkt an die Kommunen und 70 Prozent in weitere Maßnahmen, beispielsweise vergünstigte Strompreise, die Mitfinanzierung kommunaler Einrichtungen oder Sponsoring von Vereinen und Bürgerstiftungen.

Wer zahlt? Der Betreiber.

Wer profitiert? Gemeinden und Bürger im Umkreis der zehnfachen Anlagenhöhe.

In Mecklenburg-Vorpommern sind Projektierer bereits seit Mitte 2016 gesetzlich verpflichtet, für neue Windparks eine GmbH zu gründen und mindestens 20 Prozent der Anteile Anwohnern und Kommunen im Umkreis von fünf Kilometern um die Anlagen zum Kauf anzubieten.

Alternativ können sie eine jährliche Abgabe an die Gemeinden zahlen – wenn diese damit einverstanden sind und freiwillig auf Anteile an der Projektgesellschaft verzichten. Und auch günstigere Stromtarife für die Anwohner sind eine Option.

Ende dieses Jahres soll das erste Projekt, für das die neue Regelung greift, in Betrieb gehen. Umfangreiche Erfahrungen gebe es somit noch nicht, sagt Josef Baur, Geschäftsführer des Dienstleisters Eueco, der das Projekt betreut: "Der eigentliche Bürgerbeteiligungsprozess findet erst rund um die Inbetriebnahme statt."

Dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern das Akzeptanzproblem angepackt hat, nennt Baur einen "guten Impuls". Denn dafür gebe es bislang keine Lösung, auch wenn Bürgerbeteiligung – auf der bisherigen freiwilligen Grundlage – bereits gelebte Praxis sei.

Dass Projektierer gegen die Vorgabe sind, sei andererseits verständlich: Für sie bedeute es mehr Kosten und Komplexität. Der Windparkentwickler UKA aus Meißen hat vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz Klage eingereicht, weil er seine Eigentumsrechte und die Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sieht.

Modell 3: Die Außenbereichsabgabe

Vorgeschlagen von der Stiftung Umweltenergierecht. Diese Abgabe soll eine Art Ressourcennutzungsgebühr dafür sein, dass Windräder den Außenbereich einer Kommune in Anspruch nehmen, also nutzen. Die Verwendung der Gelder durch die Kommune ist nicht vorgeschrieben. Der Vorschlag enthält keine konkrete Höhe der Abgabe, sie soll aber nicht "nur symbolisch" sein. Bemessungsgrundlagen könnten beispielsweise die Anzahl, die Höhe und der Ertrag der Anlagen sowie der Pachtzins sein.

Wer zahlt? Der Betreiber.

Wer profitiert? Die Standortkommune.

Einigkeit besteht darüber, dass Regeln oder Gesetze zur Beteiligung bundesweit gelten sollten, um regionale Wettbewerbsnachteile zu vermeiden – so wie jetzt von der großen Koalition geplant. Die Frage, inwieweit eine obligatorische Beteiligung von Kommunen und Bürgern zu mehr Zustimmung führen wird, ist schon strittiger. Eueco-Geschäftsführer Baur ist optimistisch, dass die Akzeptanz steigen würde, denn "es wäre viel gewonnen im Interessenausgleich zwischen Projektierern, Kommunen und Bürgern".

Nur ein Baustein von vielen

Allerdings sei Beteiligung nur ein Baustein von vielen, und die Kommunen sollten bei der Form der Beteiligung mitreden können, da es große regionale Unterschiede gebe. Baur gibt aber auch zu bedenken, dass sich selbst unter optimalen Bedingungen "nicht jeder Windkraftgegner vom Saulus zum Paulus wandeln" werde.

In der Tat argumentieren viele Bürgerinitiativen gegen Windräder mit Eingriffen in die Natur und ins Landschaftsbild, mit Beeinträchtigungen durch Schall und Schattenwurf, Lärm oder Licht. Hartgesottene Gegner sind aus ideologischen Gründen gegen die Technologie und halten die ganze Energiewende für Quatsch. Ihnen ist mit Beteiligung an der Wertschöpfung vermutlich schwer beizukommen.

Bleibt die Frage, wie es bei durchschnittlichen Anwohnern aussieht, die den Anlagen vielleicht skeptisch gegenüberstehen. "Die Akzeptanz der Menschen lässt sich nicht kaufen", sagt Thorsten Stolz, Landrat des Main-Kinzig-Kreises in Südhessen, in dem der Widerstand gegen den weiteren Zubau von Windkraftanlagen groß ist.

Modell 4: Die Konzessionsabgabe

Vorgeschlagen vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg. Der Vorschlag zielt darauf ab, den ins Netz eingespeisten Strom mit in die Konzessionsabgabe einzurechnen, die die Kommunen von den Verteilnetzbetreibern erhalten und die Teil des Strompreises ist. Ins Gespräch gebracht wurden 0,33 Cent je eingespeister Kilowattstunde. Die Abgabe soll auch für Strom aus Photovoltaik oder Biomasse gelten.

Wer zahlt? Die Bürger über den Strompreis.

Wer profitiert? Die Standortgemeinde über die Konzessionsabgabe.

Michael Krug, der sich am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin seit vielen Jahren wissenschaftlich mit der Energiewende beschäftigt, pflichtet ihm bei: "Finanzielle Beteiligung ist kein Allheilmittel." Nach seiner Erfahrung könne sie zwar dazu beitragen, die Akzeptanz zu erhöhen, genauso wichtig sei es aber, die Bürger an den Verfahren zu beteiligen.

"Die Menschen müssen früher und stärker einbezogen werden", argumentiert der Verwaltungswissenschaftler, der den Win-Wind-Ländertisch mitkoordiniert, ein informelles Dialogforum zu Fragen der sozialen Akzeptanz von Windenergie. Das gelte zum Beispiel für die Ausweisung von Flächen für Erneuerbaren-Anlagen und für Genehmigungsverfahren.

Krug betont zudem, dass das richtige Vorgehen von den Umständen vor Ort abhänge: "Die Situation in jeder Kommune ist anders." Bundesweite "Minimalstandards" für eine finanzielle Teilhabe der Bürger und Kommunen an der Wertschöpfung seien trotzdem wünschenswert, um Wettbewerbsverzerrungen bei den Ausschreibungen zu vermeiden. Dass die Bundesregierung nun einheitliche Regeln für die Beteiligung schaffen will, findet Krug deshalb gut. "Es reicht nur nicht aus."

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