GUD-Kraftwerk
Jahrelang haben die Marktbedingungen das GuD-Kraftwerk in Hamm für Betreiber Trianel kaum rentabel gemacht – der gestiegene CO2-Preis hat das geändert. (Foto: Possi88/​Wikimedia Commons)

Wer Kohlendioxid ausstößt, muss immer mehr dafür zahlen. Im vergangenen Jahr war der Preis für eine Tonne CO2 stetig nach oben geklettert – von acht Euro auf bis zu 25 Euro. Derzeit liegt er bei 22 Euro.

Inzwischen wirkt sich der deutlich höhere Preis für die Emissionszertifikate auch auf den Energiemarkt aus: Die Merit Order verändert sich, also die Reihenfolge, in der die Kraftwerksarten zum Zuge kommen. Das gilt besonders für Steinkohlekraftwerke und für Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD). "Einige effiziente Gaskraftwerke haben sich sogar schon vor Steinkohlekraftwerke geschoben", sagt Energiemarktexperte Fabian Huneke vom Berliner Analyse-Institut Energy Brainpool.

Viele Jahre zogen die Gaskraftwerke gegenüber den deutlich klimaschädlicheren Kohlekraftwerken den Kürzeren – schließlich produzierten die Kohlekraftwerke einfach billiger.

Das hatte zur Folge, dass etwa das GuD-Kraftwerk des Stadtwerkeverbunds Trianel im westfälischen Hamm seit 2015 im "optimierten Minimalbetrieb" fährt. Das bedeutet: Es wird nur in Ausnahmefällen hochgefahren, und zwar dann, wenn der Preis an der Strombörse ordentlich steigt, etwa weil im Winter viel Energie benötigt wird, aber wenig Wind weht und kaum die Sonne scheint.

Auf ganze 1.500 Betriebsstunden im Jahr 2018 kam das moderne Gaskraftwerk, das etwa halb so viel CO2 ausstößt wie ein Steinkohlekraftwerk und weniger als ein Drittel der Menge eines Braunkohlekraftwerks.

Weil nun der CO2-Preis steigt, verbessern sich allmählich die Bedingungen für GuD-Kraftwerke wie in Hamm. Eine Rolle spielen dabei immer auch die aktuellen Gas- und Kohlepreise, die allerdings sind beiderseits gestiegen. "Steinkohlekraftwerke und GuD-Kraftwerke sind in der Merit Order näher zusammengerückt", erläutert Trianel-Sprecher Maik Hünefeld gegenüber Klimareporter°.

Durch die neuen Bedingungen komme das Kraftwerk auf mehr Betriebsstunden. "Vereinzelt schieben sich Gaskraftwerke schon vor Steinkohlekraftwerke – das ist aber noch nicht die Regel." Dafür müsste der CO2-Preis noch deutlicher anziehen.

"Neuausrichtung der Investitionen"

Laut dem Marktanalysten Huneke hat der Preis aber schon eine Größenordnung erreicht, in der er erste Anreize für eine Neuausrichtung von Investitionen setzt. Das liege nicht nur an der deutlichen Preissteigerung, sondern auch an den starken Schwankungen, denen der CO2-Preis seit etwa einem halben Jahr unterworfen ist. "Es gibt eine fundamentale Unsicherheit im Markt."

Die Folge: Wer wenig oder gar kein CO2 verursacht, verdient nun mehr. "Die Investitionen werden in Richtung klimaneutraler Technologien gelenkt", sagt Huneke.

Die Profiteure sind neben den Betreibern von Atomkraftwerken vor allem Erneuerbare-Energien-Unternehmen. Diese könnten nun leichter an Kredite kommen und angesichts der neuen Marktbedingungen mittelfristig womöglich auch ohne staatliche Förderung bestehen, schätzt Huneke.

Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (BNE) Robert Busch spricht gegenüber Klimareporter° von "ersten Erfolgen", die sich durch die Reform des EU-Emissionshandels eingestellt hätten. "Seit einigen Monaten ist ein Anstieg der spezifischen Marktwerte für erneuerbare Energien zu beobachten." Inwieweit CO2-Zertifikatspreise die Marktwerte aber tatsächlich beeinflussen, sei nicht einfach zu beantworten.

Eine grundlegende Verschiebung auf dem Strommarkt ergebe sich erst bei einem Zertifikatepreis jenseits von 35 Euro pro Tonne CO2, heißt es beim BNE, der Energiehändler und -dienstleister ohne eigene Netzinfrastruktur vertritt.

Laut einer Analyse der Londoner Denkfabrik Carbon Tracker aus dem vergangenen Jahr bräuchte es einen CO2-Preis von 45 bis 55 Euro pro Tonne, um sowohl Braunkohle- als auch Steinkohlekraftwerke aus dem Markt zu drängen und die EU auf den Kurs der Ziele im Pariser Klimaabkommen zu bringen.

Gründe für den Preisanstieg: Brexit, Kohleausstieg, Marktreform

Was aber sind die Gründe für den Preisanstieg? Einer liegt sicher in der jüngsten Großreform des EU-Emissionshandels. Ab 2023 kommt es zur Löschung eines erheblichen Teils an überschüssigen Zertifikaten. Diese Verknappung dürfte die Preise steigen lassen.

Viele Marktteilnehmer decken sich deshalb schon jetzt mit Zertifikaten ein, die sie erst später brauchen – so sparen sie Geld. "Das passiert immer, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden", sagt Huneke. "Und das facht weitere Preissteigerungen an."

Hinzu kommt laut Huneke ein weiterer Aspekt der Reform: Inzwischen dürfen einzelne EU-Länder CO2-Zertifikate löschen, wenn sie durch eigene Maßnahmen mehr Klimaschutz betrieben haben als zugesagt.

Deutschland könnte etwa nach einem Ausstieg aus der Braunkohle die Menge an Zertifikaten, die für die Braunkohleverstromung bereitgestellt war, während der folgenden Ausschüttungen einfach löschen. Derzeit tagt noch die Kommission zum Kohleausstieg, ein entsprechender Passus ist aber, so heißt es, durchaus wahrscheinlich.

Eine weitere Frage ist, wie sich der Brexit auf den EU-Emissionshandel auswirkt. Verfallen die Mengen an CO2-Zertifikaten, die Großbritannien zugeordnet sind, oder können die britischen Unternehmen sie behalten und zum Beispiel verkaufen?

Es ist also noch viel Unsicherheit im Spiel. Das erklärt, warum die Preise seit etwa einem halben Jahr zwischen 15 und 25 Euro schwanken.

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