Schminkpalette mit grünen, gelben und anderen Farben für Lidschatten.
Eher nur Kosmetik hat offenbar die Bundesregierung im Sinn, wenn es um die Verwerfungen im Strommarkt geht. (Foto: Wolodymyr Twerdochlib/​Shutterstock)

Die Energiepreiskrise trifft die privaten Haushalte hart. Discount-Anbieter, die sich mit nicht tragfähigen Geschäftsmodellen etablieren konnten, stellten im Herbst die Lieferung von Strom und Gas kurzfristig ein, beschrieb Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) letzte Woche bei einer Online-Veranstaltung des Verbandes die Lage.

Verbraucherinnen und Verbraucher, die dadurch in die Ersatz- und dann in die Grundversorgung rutschten, seien teilweise mit Mehrkosten von bis zu 1.300 Euro im Jahr konfrontiert, so die Verbraucherschützerin. Das treffe bis zu 3,6 Millionen Menschen – und ganz besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen.

Entsprechend präsentierte der VZBV in der Debatte einen sozial orientierten Katalog von Forderungen, darunter ein Moratorium für Strom- und Gassperren mindestens bis April sowie die Abschaffung der Stromsteuer sowie der Industrieausnahmen bei den Netzentgelten.

Gut findet der Verband auch das Aus für die EEG-Umlage, sofern dies an die Kundschaft weitergereicht wird, wie Energieexperte Thomas Engelke erklärte. Die bessere Lösung sei aber das von der Ampelkoalition versprochene Klimageld. Eine volle Rückgabe der CO2-Bepreisung bedeute einen gerechteren sozialen Ausgleich, begründete Engelke. 

Auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, warnte in der Debatte vor extrem hohen Energie-Nachzahlungen und Nebenkostenabrechnungen. Wie sie das finanzieren sollen, wüssten viele Menschen nicht mehr. Auch Sozialleistungen würden die Stromkosten überhaupt nicht mehr realitätsnah abbilden.

Für Bentele ist Strom "Teil der Daseinsvorsorge". So müsse er auch behandelt werden, forderte sie in der Debatte. Um schnell und effektiv zu helfen, plädierte die VdK-Präsidentin dafür, die Stromsteuer abzusenken. Das sei ein "fairer Weg", denn damit würden die Haushalte entlastet, die wenig Geld haben und bekanntlich auch vergleichsweise wenig CO2 verursachten.

Eine ähnlich soziale Wirkung bescheinigte Bentele dem Klimageld. Einmalzuschüsse, wie jetzt beim Wohngeld beschlossen, erreichten dagegen immer nur einen Teil der Betroffenen, während ärmere Rentner, Alleinerziehende oder niedrig Entlohnte häufig außen vor blieben, kritisierte sie.

Für Energiebranche sind Discount-Tarife legitim

Derartige Appelle und Forderungen beeindrucken große Energieverbände wie BDEW und VKU allerdings wenig, wie die Debatte zeigte.

Billiganbieter haben hunderttausende Kunden im Regen stehen lassen? Das sei doch ein klar rechtswidriges Verhalten gewesen, wies Kerstin Andreae, Chefin des Energie- und Wasserverbandes BDEW, die Kritik am Marktgeschehen zurück.

Unseriöse Praktiken müssten zwar künftig erschwert werden, grundsätzlich halte der BDEW aber Discount-Tarife sowie eine kurzfristige Einkaufspolitik am Strommarkt für "legitime Geschäftsstrategien", sagte sie.

Als Abhilfe gegen die "Unseriösen" plädierte die BDEW-Chefin dafür, im Energiewirtschaftsgesetz zu regeln, dass künftig die Aufgabe der Geschäftstätigkeit mindestens drei Monate vorher bei der Regulierungsbehörde angezeigt werden muss.

Die Dreimonatsfrist findet auch Ingbert Liebing gut. Die Frist schütze zwar nicht vor dem Insolvenzfall, räumte der Chef des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) im selben Atemzug ein. In der Kündigungsphase könnten sich die Kunden aber auf dem Markt und nach anderen Verträgen umschauen.

An den liberalisierten Strommarkt glauben allerdings auch die Verbraucherschützer weiterhin. "Wir wollen den Wettbewerb nicht einschränken: Der ist gut für die seriösen Unternehmen, aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher", verkündete Thomas Engelke in die Runde.

Dem VZBV genügt auch der Drei-Monats-Ankündigungszeitraum, um die Gefahren durch Stromdiscounter in den Griff zu bekommen, machten Gurkmann und Engelke klar. Beide schlugen aber vor, zusätzlich Mindeststandards für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stromanbieter einzuführen.

"Ein Cent Strompreissenkung sind fünf Milliarden Euro"

Darauf gingen die großen Branchenverbände mit keinem Wort ein. Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es dagegen schon Überlegungen, wie sich fragwürdigen Praktiken gerade der Billiganbieter ein Riegel vorschieben ließe, wie Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Krischer in der Debatte deutlich machte.

Krischer, langjähriger Energiepolitiker der Grünen im Bundestag, will den Behörden "Instrumente" in die Hand geben, um Verdachtsfällen bei fragwürdigen Geschäftspraktiken nachgehen zu können. Allerdings wolle man keine zusätzliche Bürokratie schaffen und den Wettbewerb am Markt erhalten, entschärfte der Staatssekretär die Kontrollinstrumente vorsorglich.

Entschieden sei aber schon über eine Änderung im Energiewirtschaftsgesetz, wonach eine Geschäftseinstellung vorher anzumelden ist, machte er klar. Die von den Versorgern gewünschten Splitting-Tarife für Bestandskunden (preiswert) und Neukunden (teuer) werde das Ministerium voraussichtlich auch erlauben, allerdings zeitlich begrenzt.

Bei der Abschaffung der EEG-Umlage wolle die Regierung dafür sorgen, dass die Preissenkung auch bei den Verbrauchern ankommt, so Krischer weiter. Die Möglichkeiten dafür seien jedoch eingeschränkt. Ob das Aus für die EEG-Umlage schon im Sommer oder erst Anfang 2023 kommt, diskutiere die Regierung noch.

Im Übrigen machte Krischer klar, dass – ausgenommen die EEG-Umlage – bei den Strompreisen eher nur kosmetische Korrekturen zu erwarten sind, wie bisher auch schon. Egal worüber man diskutiere, ein Cent Strompreissenkung in Deutschland bedeute fünf Milliarden Euro und es müsse klar sein, was man mit fünf Milliarden Euro noch so tun kann, wies Krischer weitere Senkungsforderungen de facto zurück.

Man könne vieles fordern, das müsse dann aber irgendwo anders kompensiert werden. Mit der Senkung der EEG-Umlage sei der Spielraum für weitere flächendeckende Strompreissenkungen stark eingeschränkt, gab Krischer zu verstehen.

Zum grünen Vorzeigeprojekt, dem Klimageld, sagte Krischer nichts.

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