Schilder in den Händen, Kampfgeist in den Gesichtern: Schüler demonstrieren bei
So eng wie in den vergangenen Jahren können sie nicht stehen – trotzdem wollen die Jugendlichen von Fridays for Future wieder zurück auf die Straße. (Foto: Jörg Farys/​Fridays for Future/​Flickr)

Nächste Woche sind wir wieder richtig auf der Straße. Endlich. Für den 25. September hat Fridays for Future zum Großstreik aufgerufen.

Es ist klar, dass das anders aussehen wird als früher. Vor ziemlich genau einem Jahr, am 20. September 2019, haben wir mit über 1,4 Millionen Menschen auf der Straße einen Maßstab gesetzt. Der wäre ohnehin schwer zu übertreffen. In der Coronapandemie wäre es aber auch mehr als unvernünftig, das überhaupt zu versuchen.

Massenhaftes Demonstrieren ist zurzeit eine Herausforderung. Immer wieder haben wir in München überlegt, ob der Streik überhaupt stattfinden soll, ob wir diese Verantwortung übernehmen wollen. Unser Leitspruch war ja schon immer: Unite behind the science, versammelt euch hinter der Wissenschaft. Daran wollen wir uns nicht nur im Hinblick auf die Klimakrise halten, sondern natürlich auch bei Corona.

Sollten die Corona-Zahlen wieder steigen, kann es auch sein, dass wir uns noch einmal umentscheiden. Ansonsten haben wir ein aufwändiges Hygienekonzept, mit dem wir die Infektionsgefahr so gering wie möglich halten wollen.

In München werden wir zum Beispiel jeweils eine bestimmte Anzahl Demonstrant:innen in verschiedene Bereiche lotsen, wodurch der Abstand gewahrt werden soll, außerdem besteht Maskenpflicht. Andere Städte planen gleich mehrere Demozüge.

Auf dem Weg ins Worst-Case-Szenario

Die klimapolitische Lage braucht uns als Notbremse auf der Straße. Wir können nicht weiter im Netz bleiben, um dort dank profitorientierter Algorithmen mehr oder weniger in unserer eigenen Blase hängenzubleiben.

In den letzten Monaten habe ich mich immer wieder fassungslos, wütend, traurig und hilflos gefühlt, wenn ich Nachrichten über neue Waldbrände, wissenschaftliche Erkenntnisse und politisches Versagen gesehen habe. Es ist nichts Neues, aber die Intensität hat deutlich zugenommen.

Wir befinden uns gerade auf bestem Weg ins Worst-Case-Szenario, wir rasen also auf eine vier bis fünf Grad wärmere Welt zu. Was das bedeutet, möchte ich mir gar nicht ausmalen. 2020 scheint sich eine Katastrophe an die andere zu reihen. Ich komme gar nicht mehr hinterher, alles zu verarbeiten.

Elena Balthesen sitzt mit ernstem Blick vor dunklem Hintergrund
Foto: Isabel Mühlhaus

Elena Balthesen

ist 18 Jahre alt und geht in die 12. Klasse einer Waldorf­schule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise heraus­zu­kommen. Sie ist bei "Fridays for Future" aktiv.

Eine Frage wird uns trotzdem momentan bei allen Interviews gestellt: Findet ihr, dass die Klimakrise durch Corona und eure fehlenden Proteste in den Hintergrund gerät?

Als wäre es unsere Verantwortung, das Thema auf die Agenda zu setzen. Die Verantwortung liegt bei den Medien, wie die Kampagne "Klima vor acht" zeigt, und bei den Entscheidungsträger:innen.

Da das aber anscheinend nicht begriffen wird, müssen wir wieder raus auf die Straße, und zwar groß. Wir müssen wieder wachrütteln und aussprechen, was sonst nicht oder zu selten ausgesprochen wird. Die massenhaften Großdemos mit breiter Unterstützung sind unsere Stärke.

Mehr inhaltliche Klarheit

Die letzten Nachrichten von Fridays for Future schienen sich noch mehr als sonst an Einzelpersonen zu orientieren: Prominente Aktivist:innen reden mit prominenten Politker:innen, übergeben Briefe, kandidieren für den Bundestag.

Ich finde es wichtig, dass wir verschiedene Protestformen haben. Aber für mich ist FFF in erster Linie eine niederschwellige Bewegung der Straße, die durch ihre schiere Größe immer wieder beweist, dass radikaler Klimaschutz nicht nur dringlich, sondern sogar mehrheitsfähig ist. Wir dürfen uns nicht in einem institutionellen Hamsterrad verrennen.

Gleichzeitig haben wir uns inhaltlich weiterentwickelt. Wir haben daran gearbeitet, vom Klimaschutz zur Klimagerechtigkeit zu kommen. Unsere Positionen sind "intersektionaler" geworden, verbinden also den Klimawandel mit den anderen Gerechtigkeitskrisen der Welt.

Während wir im letzten Jahr mit #allefürsklima einfach möglichst groß sein wollten, sind wir jetzt mit #keingradweiter inhaltlich klarer. Wir sind bei einem Grad Erderhitzung. Es darf nicht weitergehen. Wenn wir bei einem Grad diese dystopischen Bilder aus Kalifornien, Australien oder Brasilien sehen, wie wird es dann bei zwei, drei, vier oder fünf Grad? Wir sind kurz davor, über die Klippe zu stürzen, rein in die Spirale ohne Weg zurück.

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