junge Frauen mit Transparent auf Demo, dahinter Menschenmassen mit Schildern
Wenn es jetzt keinen radikalen Wandel gibt, wird unsere Zukunft ein Kampf, der sich hinter der Formulierung "schwer absehbare Folgen" versteckt, warnt Elena Balthesen. (Foto: Jörg Farys/​WWF)

Im Dezember bin ich auf den ersten und ziemlich spontanen Bildungsstreik für Klimaschutz in München auf die Straße gegangen und wusste, dass es genau das Richtige ist, was ich tue.

Ich hatte das Video von Greta Thunberg gesehen, mit dem sie zum Streiken an jenem Freitag aufrief. Wie alle ihre Reden hat mich dieser Aufruf sehr berührt und überzeugt, zum Streik zu gehen. Wir waren nicht besonders viele, knapp hundert. Wir waren trotzdem entschlossen und motiviert, denn wir wussten, dass wir nicht die Einzigen waren. Dass in diesem Moment überall auf der Welt Gleichaltrige auf die Straße gingen.

Und es hat sich schnell weiterentwickelt: Schon der zweite Streik am 18. Januar war viel besser organisiert, es gab Redner und wir waren weit über tausend Schüler. Der 25. Januar war großartig, wir waren noch viel mehr geworden! In München hat selbst die Polizei 3.500 SchülerInnen und Studierende gezählt, in Berlin waren es über zehntausend. Auch in zahlreichen anderen Städten waren Demonstranten auf der Straße.

Ich sehe es als meine moralische Pflicht zu streiken; alles für die Bewältigung der Klimakrise zu tun, was ich kann. Das bin ich nicht nur mir selbst schuldig, sondern auch den Menschen, die schon jetzt schwer unter den Folgen der Klimakatastrophe leiden, und späteren Generationen.

Es geht darum, dass jeden Freitag jemand da ist

Jeden Freitag ist klar: nächste Woche wieder. Wir müssen jetzt dranbleiben und dürfen nicht aufgeben, wenn Politiker das Streiken als Schwänzen beschimpfen oder Schulen Sanktionen verteilen. Denn sie haben etwas ganz Wichtiges nicht verstanden: Für uns geht es um die Zukunft, in der wir leben werden. Und was man auf vielen Demo-Schildern lesen konnte: Fehlstunden lassen sich verkraften, der Klimawandel eher nicht.

Foto: privat

Zur Person

Elena Balthesen ist 17 Jahre alt und geht in die 11. Klasse einer Waldorfschule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise herauszukommen. Sie ist bei "Fridays for Future" in München aktiv.

Die Schulen müssten sich aber auch nicht querstellen. Dass es schwierig ist, jeden Freitag so viele Schüler gehen zu lassen, kann ich gut verstehen. Uns ist auch klar, dass nicht immer alle kommen können. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass jeden Freitag jemand da ist. Dass die Bewegung nicht aufhört.

Ich selbst habe mit unserer Schulleitung die Teilnahme am Streik legal geregelt. Zuerst gab es einmalig eine Art freiwillige Massenbeurlaubung, inzwischen geht es nicht mehr so einfach. Aber einige Schüler dürfen sich regelmäßig beurlauben lassen – sofern sie das Verpasste nachholen. Und auch unentschuldigte Schüler bekommen für ihr Engagement nicht gleich einen Verweis.

Ich war ein bisschen stolz. Beim ersten Mal hatte sich fast die gesamte Oberstufe meiner Schule in Listen eingetragen und war gekommen. Das hat mir deutlich gezeigt, dass viele Menschen eine Person brauchen, die eine Starthilfe gibt, um selbst aktiv zu werden. So jemand ist Greta Thunberg für die ganze Fridays-for-Future-Bewegung.

Wir verlangen viel, weil weniger nicht reicht

Greta hat aus meiner Sicht so recht mit ihrem Entsetzen darüber, dass die Klimakrise schlicht wegignoriert und geleugnet wird. Ihr klares Argument – warum für eine Zukunft lernen, die es so nicht geben wird? – hat komplett eingeschlagen. Sie ist eine Ikone für uns junge Menschen geworden und hat mit ihrem Streik einen Nerv meiner Generation getroffen.

Sie hat Wut über das schiere Nichtstun gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen geweckt. Wenn es jetzt keinen radikalen Wandel gibt, wird unsere Zukunft ein Kampf, der sich hinter der Formulierung "schwer absehbare Folgen" versteckt.

Ich finde es toll, dass sich in meiner Generation etwas bewegt. Es weckt ein Glücksgefühl und sehr viel Motivation in mir, in einer Menge aus Leuten zu stehen, die alle für dasselbe kämpfen. Das Streiken gibt mir außerdem die Hoffnung, tatsächlich etwas Grundlegendes in der Politik ändern zu können.

Aber ich habe auch eine unglaubliche Wut. Warum wehren sich die führenden Politiker so gegen diesen Wandel? Wo es doch um unglaublich viel geht. Weil es unbequem ist? Weil die meisten, bevor die absolute Katastrophe kommt, eh schon tot sind? Und ihnen die nächsten Generationen und Menschen in Inselstaaten egal sind? Oder wissen es die meisten vielleicht wirklich nicht besser?

Natürlich sind unsere radikalen Forderungen viel verlangt und werden auch viel kosten. Aber weniger reicht eben nicht. Wenn man sich die Alternative anschaut, sollte einem die Entscheidung doch leichtfallen. Klar ist, wir werden weiterstreiken. Bis sich etwas ändert.

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