Europa, China und die USA haben in diesem Sommer extreme Dürre- und Hitzewellen erlebt, deren Ausmaß von Expert:innen dem Klimawandel zugerechnet wird. Pakistan mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern hingegen steht derweil vor der womöglich schlimmsten Überschwemmungskatastrophen des Landes durch einen extremen Monsun.
Die Zeitung Dawn berichtete, "mehr als die Hälfte Pakistans" stehe derzeit unter Wasser, Millionen Menschen seien obdachlos geworden. Klimaministerin Sherry Rehman sprach von einem "Monstermonsun". Es handle sich um eine Katastrophe "epischen Ausmaßes". Die Wasserfluten folgen auf eine extreme Hitzewelle, die Pakistan und Indien im Frühjahr heimgesucht hatte.
Laut Daten der pakistanischen Katastrophenschutzbehörde NDMA leiden derzeit fast 33 Millionen Menschen, also etwa 15 Prozent der Bevölkerung, in 110 der 150 Bezirke des Landes unter den Überschwemmungen. Damit ist die Lage schlimmer als während der "Superflut", die das Land 2010 erlebte. Damals wurden rund 20 Millionen obdachlos, und rund 2.000 verloren ihr Leben.
Die aktuellen Opferzahlen werden bisher mit mehr als 1.000 angegeben, doch sie dürften weiter steigen. Die Regierung in Islamabad hat den Notstand ausgerufen und die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten.
Besonders betroffen sind Regionen im Süden des Landes. Dort haben die Fluten Häuser und Brücken zerstört, ganze Orte unter Wasser gesetzt und Berghänge hinuntergerissen. Laut Augenzeugenberichten wurden Menschen, vor allem Kinder, vom Wasser mitgerissen. Andere kamen bei Hauseinstürzen ums Leben, ausgelöst durch Sturzfluten und Erdrutsche in den hügeligen Gebieten.
Laut NDMA wurde mehr als eine halbe Million Menschen evakuiert und an sicherere Orte gebracht, auch mit Hilfe des Militärs. Anfangs hätten sich viele geweigert, ihre Häuser zu verlassen, berichtet der Rettungsdienst "Rescue 1122". Als das Wasser gestiegen sei, hätten sie jedoch eingewilligt. Die Geflüchteten leben in Schulen, Moscheen oder Zelten.
Seit dem Wochenende sind auch Zehntausende im Norden Pakistans auf der Flucht vor den Wassermassen, nachdem sich dort Flüsse in reißende Ströme verwandelt haben. Mehrere Bezirke dort sind von der Außenwelt abgeschnitten, nachdem eine wichtige Brücke fortgerissen wurde.
"Das ist eine Sintflut"
Der jährliche Monsun, der in Indien und Pakistan kräftigen Regenfälle mit sich bringt, dauert gewöhnlich von Juni bis September. Für die Wasservorräte und die Landwirtschaft spielt er eine sehr wichtige Rolle, allerdings führt er immer wieder auch zu verheerenden Überflutungen und Verwüstungen.
In diesem Jahr ist die Lage extrem. In Pakistan sind in dieser Monsun-Saison im Schnitt bereits über 350 Millimeter Regen gefallen, mehr als das Dreifache des Normalwerts von 113,7 Millimetern bis zu diesem Zeitpunkt. Im Monat August hat es in der Provinz Sindh im Südosten des Landes sogar achtmal mehr geregnet als normal, in Belutschistan im Südwesten fünfmal so viel. Pakistan besteht insgesamt aus vier Provinzen.
Klimaministerin Rehman zufolge erlebt Pakistan derzeit die achte Regenperiode in dieser Saison, üblich seien in einer kompletten Saison etwa vier bis fünf davon. "Pakistan hat noch nie einen ununterbrochenen Zyklus des Monsuns wie diesen gesehen", schrieb sie auf Twitter. "Das ist keine normale Jahreszeit. Das ist eine Sintflut, die mehr als 33 Millionen Menschen betrifft, was der Größe eines kleinen Landes entspricht."
Die Ministerin warnte davor, dass für September weitere Regenfälle angesagt seien. Dann könne ein Drittel des Landes unter Wasser liegen.
In einem Interview mit der Deutschen Welle nannte Rehman die extremen Wetterbedingungen, die Pakistan in diesem Jahr heimgesucht haben, einen Beweis für die Klimakrise. "Das begann buchstäblich Ende Februar, Anfang März, als wir direkt vom Winter in den Frühling übergingen."
Pakistan sei da zu einem der heißesten Orte der Welt geworden, mit über 53 Grad Celsius im Süden des Landes. Das habe eine ganze Serie von Waldbränden ausgelöst, "die wir in Gegenden bekämpfen mussten, in denen es ohnehin schon wenig Wald gibt."
Erderwärmung spielt eine Rolle
Das weitere Monsun-Land Indien ist insgesamt von Überflutungen aktuell nur wenig betroffen. Im August lagen die Niederschläge im Durchschnitt nur um knapp sechs Prozent über normal. Allerdings gab es regional ebenfalls sintflutartige Regenfälle, so in den nördlichen Bundesstaaten Himachal Pradesh und Uttarakhand. Durch Sturzfluten und Erdrutsche kamen hier über 30 Menschen ums Leben.
Pakistan ist besonders anfällig für Klimaveränderungen. Laut dem Klima-Risiko-Index der deutschen NGO Germanwatch findet es sich auf Platz acht der Länder, die im Zuge der globalen Erwärmung am stärksten von extremen Wetterereignissen bedroht sind. Für die extremen Hitzewellen, die Pakistan genauso wie Indien häufiger treffen, hat die Klimaforschung inzwischen den Zusammenhang mit dem Klimawandel klar nachgewiesen.
So haben die Klimaforscherinnen Friederike Otto und Mariam Zachariah vom Imperial College London in diesem Frühjahr in einer Studie gezeigt: Vor dem Anstieg der globalen Temperaturen wäre eine Hitzewelle wie im April auf dem Subkontinent etwa einmal in 50 Jahren aufgetreten, inzwischen kommt ein solches Ereignis viel häufiger vor, nämlich etwa alle vier Jahre.
Auch im Fall des Sommermonsuns wurde seit Längerem eine Intensivierung und stärkere Unberechenbarkeit infolge der Erwärmung vermutet, dies war aber mit Unsicherheiten verbunden. Mehr Klarheit brachte hier im vorigen Jahr die Untersuchung eines Forschungsteams der Universität München und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, in der über 30 aktuelle Klimamodelle dazu analysiert wurden.
Ergebnis: Geht die globale Erwärmung ungebremst weiter, stehen dem indischen Subkontinent mehr extrem nasse Sommer bevor. Was das bedeuten kann, sieht man jetzt.
Ergänzung am 16. September: Laut einer neuen Studie hat der menschengemachte Klimawandel die extremen Regenfälle wahrscheinlich mitverursacht. Der UN-Generalsekretär warnt die Industriestaaten vor einem Weiter-so.
Redaktioneller Hinweis: Klimaforscherin Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.