Die Wissenschaftler am Labor für Erdsystem-Forschung ESRL im US-amerikanischen Boulder gelten unter Klimaforschern als Wächter der Treibhausgase. Sie werten den Inhalt von Metallbehältern aus, die jede Woche zu Dutzenden in dem Forschungslabor eintreffen, gefüllt mit Luftproben aus aller Welt.
Doch die Werte eines Treibhausgases beunruhigen die Forscher ganz besonders. Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre steigt – und sie steigt immer stärker.
Laut dem jüngsten Bericht der US-amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA legte die weltweite Methankonzentration im vergangenen Jahr um 10,77 ppb (parts per billion, Milliardstel) zu, nachdem der Anstieg in den beiden Vorjahren bei etwa sieben ppb lag. Nur 2014 war der Zuwachs in diesem Jahrhundert noch größer.
Dabei hatte sich die Methankonzentration um die Jahrtausendwende herum zunächst stabilisiert. "Die in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gemessenen sehr hohen Anstiegsraten sind in den frühen 90er Jahren stark abgeflacht", sagt der Klimaforscher Hartmut Graßl. "Von 1999 bis 2007 gab es fast keinen Anstieg." 2007 kam dann aber die Wende. Seither steigt die weltweite Methan-Konzentration wieder.
Die neue Entwicklung beunruhigt die Wissenschaftler gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen sind die Gründe für den erneuten Anstieg bislang ungeklärt. Seit Jahren versucht die internationale Forschergemeinde dem Rätsel um die steigende Konzentration des Methans auf die Spur zu kommen.
Zum anderen ist Methan ein besonderes Treibhausgas. "Ein so starker Anstieg der Methan-Konzentration in der Atmosphäre ist deshalb beängstigend, weil Methan – trotz seiner sehr viel geringeren Konzentration in der Atmosphäre – ein auf das Molekül bezogen wesentlich wirksameres Treibhausgas ist als zum Beispiel CO2", sagt Ingeborg Levin vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg. Über eine Zeitspanne von 100 Jahren ist Methan etwa 32-mal so wirksam wie die gleiche Menge Kohlendioxid, gemessen am Gewicht.
Bekannte Quellen, unbekannte Mengen
Die weltweit dokumentierte Erhitzung der Erde wird also auch durch Methan verursacht. Daneben triggert die höhere Methankonzentration den Klimawandel noch zusätzlich, weil Methan auch andere Klimagase beeinflusst: "Bei höherem Methangehalt steigen auch der Wasserdampfgehalt in der Stratosphäre und der Gehalt des Ozons in der unteren Stratosphäre", sagt Graßl.
Woher das Methan kommt, ist dagegen klar. "Die wichtigsten Quellen von Methan sind zum einen natürliche Feuchtgebiete, besonders in den Tropen", sagt Levin. Zum anderen verursacht der Mensch das Treibhausgas durch sein Handeln: Methan entsteht beim Anbau von Reis auf Nassfeldern und bei der Verdauung von Wiederkäuern.
Als weitere Methanquellen gelten Mülldeponien sowie die Energieproduktion – neben der Steinkohleförderung vor allem das Fördern und Verteilen von Erdgas und Erdöl.
Auch wenn die Quellen durchaus bekannt sind, so ist ihr tatsächlicher Beitrag zur Methanfreisetzung mit großen Unsicherheiten behaftet, gibt Physikerin Levin zu bedenken. Genau diese Unsicherheiten seien auch dafür verantwortlich, dass die Wissenschaft bisher nicht sagen kann, wodurch der starke Anstieg der Methankonzentration seit 2007 verursacht werde.
Eine mögliche Ursache ist aus Sicht der Forschung, dass die sogenannten Methansenken abnehmen, also Prozesse, bei denen Methan – beispielsweise durch Bakterien im Boden – zersetzt wird.
"Das wäre eine schlechte Nachricht"
"Den größten Anteil am Abbau des Methans in der Atmosphäre hat aber das Hydroxyl-Radikal, das wichtigste Oxidationsmittel in der Atmosphäre", sagt Levin. Falls die atmosphärische Konzentration des Hydroxyl-Radikals (OH) in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, hätte dies auch Auswirkungen auf viele andere atmosphärenchemische Prozesse.
So spielt das Radikal auch eine wichtige Rolle beim Abbau anderer Luftschadstoffe und wird als "Waschmittel der Atmosphäre" bezeichnet. Möglicherweise kann es seine reinigende Funktion immer weniger erfüllen. "Wenn das OH-Radikal tatsächlich abnimmt, sind das schlechte Nachrichten", sagt der Geowissenschaftler Euan Nisbet von der Universität London.
Das Problem: Das Hydroxyl-Radikal lässt sich nicht direkt messen, weil es extrem kurzlebig ist. Die Forscher können nur indirekt Rückschlüsse auf seine Konzentration und somit auch auf den Methan-Abbau ziehen.
"Wir wissen nicht, ob der Anstieg beim Methan durch höhere Methanemissionen oder durch weniger Methan-Abbau verursacht wird oder durch beides", fasst Nisbet das Dilemma zusammen. "Was auch immer die Ursache ist, es sieht so aus, als ob die Erwärmung die Erwärmung antreibt."
Das heißt, die steigenden globalen Temperaturen haben möglicherweise schon Prozesse in Gang gesetzt, die den Klimawandel weiter befeuern.
Sicher ist bislang nur eines: Wenn die Methankonzentration in der Atmosphäre weiter wie bisher steigt, dann ist das Ziel des Pariser Klimavertrags, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, in Gefahr.
Redaktioneller Hinweis: Hartmut Graßl ist Kuratoriumsmitglied von Klimareporter°