Noch ist der Sommer nicht zu Ende. Für eine endgültige Bilanz ist es zu früh. Doch eines kann man schon sagen: So extrem wie in den Jahren 2018 und 2019 wird diese in Deutschland diesmal nicht ausfallen.
Weder wurde ein Hitzerekord erreicht wie im vorigen Jahr mit 42,6 Grad in Lingen im Emsland, noch hat die Trockenheit so fatale Ausmaße angenommen wie 2018, als Flüsse fast austrockneten und die Landwirtschaft gravierende Ernteausfälle verzeichnete.
Die aktuelle Hitzewelle mit ihren tropischen Nächten ließ vielerorts Erinnerungen an diese beiden Extremjahre aufkommen, doch sie geht gerade zu Ende. Für die neue Woche erwarteten die Wetterexperten wieder eher "normale" Augusttemperaturen.
Doch ist damit alles wieder gut mit Wetter und Klima?
Keineswegs. Wer durch die Städte geht, kann nicht übersehen, dass etwas nicht stimmt. Und nicht nur wegen Corona. Viele Bäume sehen aus, als wäre schon Herbst.
In Frankfurt am Main zum Beispiel müssen allein auf öffentlichen Flächen 4.000 Bäume gefällt werden, genau so viele wie 2019. "Vor so einem Desaster haben wir noch nie gestanden", sagte Heike Appel, die Leiterin des Grünflächenamts der Stadt.
Dramatisch auch die Lage in den Wäldern. Die Aussage aus der Waldzustandserhebung 2019, wonach noch 22 Prozent der Bäume ohne Schäden sind, ist längst überholt. Die Dürren der letzten drei Jahre, Hitze, Schädlinge und eingeschleppte Krankheiten machen dem Wald, wie wir ihn kennen, den Garaus.
Klimawandel live
Das ist natürlich nur ein Aspekt des Problems, wenn auch ein wichtiger. Der Klimawandel verändert zunehmend auch unser Alltagsleben, jeder spürt es.
Hitzewellen werden intensiver, die Städte heizen sich noch stärker als bisher auf, und da die Temperaturen nachts nur wenig sinken, kann man sich nur schlecht erholen. Vor allem alte und kranke Menschen sind dabei auch gesundheitlich gefährdet: Bei Hitzewellen steigt die Sterblichkeit im Schnitt um acht bis zwölf Prozent.
Die üblichen Sommergewitter wiederum fallen oft heftiger aus als früher. Gewaltige Wassermassen stürzen dann plötzlich vom Himmel, Bäche werden zu reißenden Flüssen, die Kanalisation ist überfordert. Unwetterwarnungen halten uns in Atem.
All das unterstreicht: Mit dem Klimawandel ist die Notwendigkeit entstanden, sich an eine sich rasant verändernde Umwelt anzupassen.
Selbst wenn die Klimapolitik weltweit endlich auf den Zwei-Grad-Maximalpfad einschwenken sollte, der im Pariser Klimavertrag gefordert ist, muss mit einer Verdoppelung der bisher schon festgestellten globalen Erwärmung von 1,1 Grad gerechnet werden. Ganz zu schweigen davon, wenn es bis 2100 drei oder sogar vier Grad werden – das ist leider derzeit der Trend.
Die deutsche Politik aber hat die Dringlichkeit des Problems nur in der Theorie erkannt. In der Praxis passiert entweder gar nichts oder viel zu wenig.
Angesichts der jüngsten Hitzewelle hat eine Initiative von Ärzten und Pflegern dies für das Gesundheitssystem nachgewiesen. Sie monierte: Es gibt hierzulande kein verbindliches Alarmsystem, keine Identifizierung von Risikogruppen und Gefahrenbereichen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzonen und keine einschlägige Fortbildung für Ärzte, Krankenhaus- und Pflegeheim-Angestellte.
Keine Ausreden
Es ist längst überfällig, dass Deutschland sich am Positivbeispiel Frankreich orientiert, das zeigt, wie man die vielen Hitzetoten verhindern kann. Temperaturen ab 32 Grad lösen dort schon die erste Alarmstufe in Kommunen und im Gesundheitswesen aus, und ab 38 Grad wird der Zivilschutz aktiv. Die Präfekturen reagieren dann gemäß einem nationalen Hitzeschutzplan.
Folgt man dem Diktum des renommierten Klimaforschers Hartmut Graßl – "Hitzetote zeigen die soziale Kälte einer Gesellschaft" –, schneidet Deutschland hierbei ziemlich schlecht ab.
Gegenüber anderen Feldern der Anpassung ist ein Hitze-sensibles Gesundheitswesen, wie Frankreich zeigt, noch vergleichsweise einfach und billig zu haben.
Ein ökologischer Stadtumbau zum Beispiel, der mehr Grün hereinholt, Flächen entsiegelt, Gebäude mit Sonnenschutz ausstattet, mehr Regenrückhalte-Möglichkeiten schafft, ist deutlich teurer und braucht Jahrzehnte. Doch das ist der zentrale Hebel, um die neue Lage anzusteuern. Damit endlich bundesweit anzufangen, verträgt keinen Aufschub.
Die Folgen der Coronakrise und der Bevölkerungsdruck, der weiterhin auf den Städten lastet, machen das nicht gerade einfacher. Aber anders können die Städte nicht lebenswert erhalten werden.
Ausreden, dieser Umbau müsse nun erstmal warten, gelten nicht. Was zur Anpassung getan werden muss, ist längst bekannt – vom Gesundheitswesen über Städtebau und Verkehr bis zu Landwirtschaft und Forsten.
Bisher ist das sträflich vernachlässigt worden, noch mehr sogar als die Politik zur CO2-Einsparung. Und zu der hat jüngst Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einem besonders hellen Moment eingeräumt, die Bundesregierung habe "zu spät gehandelt", und es gebe einen "enormen" Nachholbedarf.
Redaktioneller Hinweis: Hartmut Graßl ist Mitglied des Herausgeberrates von Klimareporter°.