Es wird brenzlig in Deutschland. Mit der Klimakrise werden heiße Tage mit mehr als 30 Grad Höchsttemperatur immer häufiger auftreten. In Lingen im Emsland ist das Thermometer im vergangenen Jahr sogar auf 42,5 Grad geklettert – ein neuer Temperaturrekord für Deutschland. Der Deutsche Wetterdienst warnt gerade vor der ersten längeren Hitzewelle in diesem Sommer. Ärzt:innen und Pflegekräfte kritisieren nun: Darauf ist das Gesundheitssystem hierzulande nicht vorbereitet.
"Deutschland ist für Hitzewellen nicht gerüstet", meint der Arzt Martin Herrmann von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (Klug). "Es gibt kein für alle verbindliches Alarmsystem, keine Identifizierung von Gefahrenzonen und Risikogruppen, keine Hitzeleitstellen, keine Kühlzonen und keine Fortbildung für Niedergelassene, Krankenhaus- und Pflegeheim-Angestellte, mit ganz wenigen Ausnahmen."
Dass Anlass zur Sorge besteht, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018. Die Ökonomen Martin Karlsson von der Universität Duisburg-Essen und Nicolas Ziebarth von der US-amerikanischen Cornell University errechneten aus Daten des Statistischen Bundesamts und des Deutschen Wetterdienstes, dass die Sterbequote an heißen Tagen um etwa zehn Prozent zulegt. Die Krankenhauseinlieferungen nehmen um fünf Prozent zu. Der Effekt steigert sich noch, wenn es mehrere Hitzetage in Folge gibt.
"Viele Hitzetote lassen sich verhindern"
Der Arzt Ralph Krolewski, Vorstand im Hausärzteverband Nordrhein und Mitglied bei Klug, hat angesichts dieser Ergebnisse eine eigene Klimasprechstunde für seine Patient:innen eingerichtet. Auch er meint aber: Unabhängig vom Engagement einzelner Ärzt:innen müsste Deutschland seinen Hitzeschutz besser koordinieren.
Was macht die Hitze mit dem Körper?
Thrombose, Überhitzung, Herzschwäche, Nierenversagen – heiße Tage befördern Krankheiten, die sogar zum Tod führen können. Auch Sonnenstich, Sonnenbrand und Kreislaufprobleme sind typisch.
Was tun bei Hitze?
Erst mal das Naheliegende: den Schatten suchen und körperlich anstrengende Aktivitäten vermeiden. Um gesund durch die Hitzewelle zu kommen, sollte man außerdem viel trinken – und zwar am besten lauwarme oder sogar warme Getränke. Eiskaltes erschwert dem Körper die Temperaturregulierung. Alkohol befördert die Gefahr eines Kreislaufkollapses, sollte also mit Vorsicht konsumiert werden.
Wer ist besonders gefährdet?
Kleine Kinder sowie alte Menschen leiden an heißen Tagen besonders. Für Menschen mit Vorerkrankungen ist das Risiko ebenfalls größer.
"Dass man viele der Hitzetoten verhindern kann, zeigt das Beispiel Frankreich", sagt Krolewski. Dort lösen Temperaturen ab 32 Grad schon die erste Alarmstufe in Kommunen und Gesundheitswesen aus, ab 38 Grad wird der Zivilschutz aktiv. Es gibt einen nationalen Hitzeschutzplan, nach dem sich die einzelnen Amtsbezirke richten. "Warum geht das nicht in Deutschland?", fragt Krolewski.
In Deutschland gibt es zwar seit 15 Jahren ein bundesweites Hitzewarnsystem, das der Deutsche Wetterdienst betreibt. Es gibt Kanäle zu Alten- und Pflegeheimen, Gesundheitsämtern und Landesministerien. "In der Praxis funktioniert es aber nur eingeschränkt und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich", kritisiert Krolewski.
Schon die Ausbildung von medizinischem Personal müsse die Klimakrise stärker einbeziehen, findet die Klimaaktivistin Vanessa Ruan. Sie ist Medizinstudentin in Aachen und Teil der Gruppe Health for Future, einem Ableger von Fridays for Future für das Gesundheitswesen.
"In den letzten Jahrzehnten sind die Temperaturen immer weiter gestiegen", sagt Ruan. "Aber in der Ausbildung erfährt das medizinische Personal wenig zu den gravierenden Folgen." Viele Ärzt:innen wüssten beispielsweise nicht, dass Medikamente anders auf den menschlichen Organismus wirken, wenn es heiß ist.
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