Limousine vor Villa, düsterer Himmel
Mein Haus, mein Auto, mein CO2-Fußabdruck. (Foto: Fard Muhammad/​Artistic Operations/​Pixabay)

Die Wirtschaftsmächte der G20 gehören wohl auf absehbare Zeit weiter zu den CO2-Schwergewichten der Welt: Nach wie vor wächst der durchschnittliche Treibhausgasausstoß der 19 Industrie- und Schwellenländer sowie der EU. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Gruppe einen Anstieg um 1,8 Prozent.

Das ist ein Ergebnis des diesjährigen "Brown to Green"-Reports, den Climate Transparency heute veröffentlicht hat, ein Netzwerk aus mehreren Thinktanks. In der seit 2015 jährlich erscheinenden Studie werten die Wissenschaftler und Umweltschützer die Klimapolitik der G20 aus.

Als die zwei größten Baustellen identifiziert der "Brown to Green"-Report die Sektoren Gebäude und Verkehr. Insgesamt sind die CO2-Emissionen durch Heizen und Kühlen von Häusern im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent gestiegen, beim Verkehr waren es 1,2 Prozent.

"Deutschland gehört zu den Negativbeispielen"

Auch Deutschland steht in beiden Feldern nicht gut da. Gebäude verursachen in der Bundesrepublik mehr als drei Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr – doppelt so viel wie im ohnehin problematischen G20-Schnitt. Nur in Neubauten ist der Energiestandard im Vergleich zu anderen Ländern gut, wenn auch der Studie zufolge immer noch nicht ausreichend.

Was die verkehrsbedingten Pro-Kopf-Emissionen angeht, liegen nur riesige Flächenstaaten vor Deutschland: USA, Kanada, Australien, Saudi-Arabien. Beim Autofahren liegt Deutschland auf dem unrühmlichen Spitzenplatz. Nicht weniger als 84 Prozent der gereisten Kilometer werden hierzulande mit dem Auto zurückgelegt.

"Insbesondere in den Sektoren Gebäude und Verkehr gehört Deutschland zu den Negativbeispielen unter den G20-Staaten", sagte Lena Donat von Germanwatch, die an der Studie mitgearbeitet hat. Mögliche Effekte des neuen Klimapakets seien zwar noch nicht eingerechnet, räumte sie ein. "Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Deutschland ohne massive Nachbesserung seine Klimaziele deutlich verfehlen wird", so Donat. "Und die bisherigen Klimaziele Deutschlands entsprechen noch nicht den Erfordernissen des Paris-Abkommens."

Eine zwiespältige Entwicklung attestieren die Studien-Autoren dem Energiesektor der G20. Zwar sei die Versorgung mit Öko-Energie um fünf Prozent gestiegen, gleichzeitig werde aber nicht weniger fossile Energie produziert, weil die Nachfrage insgesamt steige. Zwischen den Ländern gibt es deutliche Unterschiede. Während in Saudi-Arabien weniger als fünf Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, sind es in Brasilien vor allem durch den Einsatz von großen Wasserkraftwerken 82,5 Prozent.

Durch seine Pionierrolle bei der Energiewende schneidet Deutschland mit 37 Prozent Öko-Anteil bei der Stromerzeugung in diesem Bereich gut ab. Die Studienautoren warnen allerdings: Durch den massiven Einbruch beim Ausbau der Windkraft könne das bald anders aussehen.

Die Welt steuert derzeit auf etwa drei Grad Erhitzung zu. Daran sind natürlich nicht nur die G20-Länder schuld, aber doch zum größten Teil. Sie verursachen etwa vier Fünftel der globalen Treibhausgas-Emissionen. Lange ging die Staatengemeinschaft davon aus, dass sich eine Katastrophe verhindern lässt, indem die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt wird. Das ist auch Hauptziel des Pariser Klimaabkommens von 2015.

Seither hat der Weltklimarat IPCC allerdings in einem Sonderbericht deutlich gemacht, dass auch schon bei einer Zwei-Grad-Erwärmung unkontrollierbare Folgen der Klimakrise drohen. Sicherer wäre es, wenn bei 1,5 Grad Schluss wäre – ein Nebenziel aus dem Paris-Abkommen. Da die Atmosphäre aber schon um ein Grad wärmer ist als vor der Industrialisierung, ist die Zeit knapp.

Wie kann die Welt unter 1,5 Grad bleiben?

Ein Forschungsteam um Joeri Rogelj von der britischen Universität Imperial College hat vor einigen Monaten die Menge an Kohlendioxid ermittelt, die dafür höchstens noch in die Atmosphäre gelangen darf.

Wenn die Menschheit weiter so wirtschaftet wie bisher, also jährlich mehr als 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freisetzt, reicht das Budget noch sechs Jahre. Wenn sie dann schlagartig aufhören würde, CO2-Emissionen zu verursachen, gäbe es eine Chance von zwei Dritteln, die 1,5-Grad-Marke nicht zu reißen.

Der Übergang zur Klimaneutralität ließe sich natürlich weniger hart gestalten, indem ab sofort kontinuierlich Treibhausgase eingespart werden. Dann würde das Budget etwas länger reichen, nämlich bis Ende 2030.

Das gilt allerdings nur für den Fall, dass alle Länder gleichzeitig auf null kommen. Im Paris-Abkommen hat man sich darauf geeinigt, dass Fairness berücksichtigt werden muss. Länder, die besonders gegen Armut zu kämpfen haben, sollen mehr Zeit bekommen als andere. Das bedeutet, dass reiche Länder wie Deutschland und der Rest der G20 eine noch steilere Kurve hinbekommen müssen.

Selbst wenn man sich mit einer Fifty-fifty-Wahrscheinlichkeit zufriedengibt, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss man sich mittlerweile wahnsinnig beeilen. Geht man wieder von einer linearen Absenkung der Emissionen aus, wäre nach Rogeljs Budget-Rechnung noch bis Ende 2038 Zeit, um die Menschheit klimaneutral zu machen.

Es gibt "ungenutztes Potenzial"

Derartige politische Ziele fordern zwar Umweltschützer – Staaten verfolgen sie bislang aber nicht. Deutschland etwa hat sich erst in diesem Jahr dazu durchgerungen, überhaupt ein konkretes Jahr zu nennen, ab dem es keine Emissionen mehr geben soll, und zwar 2050. Es ist kaum wahrscheinlich, dass so das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen ist.

Climate-Transparency-Chef Alvaro Umaña zieht dennoch ein optimistisches Fazit. "Zum ersten Mal hat unser Report ungenutztes Potenzial ausgemacht", sagte er. Umaña meint damit, dass laut dem Report etliche Länder ihre Ziele erreichen oder übertreffen werden – und sich neue Herausforderungen suchen könnten. Es ist die Idee des Paris-Abkommens, dass die Staaten freiwillig ihre Klimaziele nach und nach verschärfen. Im kommenden Jahr soll das zum ersten Mal geschehen

Alvaro Umaña zeigt sich optimistisch. "Ein Jahr vor der wichtigen Deadline geben uns unsere Ergebnisse Hoffnung, dass die Staaten den politischen Willen finden werden, ihre Klimaziele zu erhöhen, wie sie es im Paris-Abkommen versprochen haben."

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