Abkühlung an heißen Tagen: Eine Stadttaube am Brunnen
Abkühlung an heißen Tagen: Eine Stadttaube am Brunnen. (Foto: Edith Lüthi/​Pixabay)

Die Hauptstadt trocknet aus. Viele Rasenflächen haben eine gelbe Farbe angenommen. Auch die Blätter vieler Bäume erinnern stellenweise mehr an Herbst als an Hochsommer. Das Technische Hilfswerk fährt mit großen Einsatzfahrzeugen durch die Straßen und wässert die Bäume. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte die Stadtbewohner bereits vergangene Woche gebeten, den Stadtbäumen "einige Eimer Wasser" zu spendieren. Und der Naturschutzbund Nabu ruft dazu auf, Tränken im Garten oder auf dem Balkon für durstige Vögel aufzustellen.

Meteorologen halten es für möglich, dass dieser Sommer sogar den Rekordsommer von 2013 in den Schatten stellt. Zugleich erwarten sie, dass es in Zukunft immer öfter zu solchen Hitzemonaten kommen wird – vor allem in den Städten. Also dort, wo heute drei Viertel aller Deutschen leben.

In den Ballungszentren entstehen sogenannte städtische Hitzeinseln. Grund ist eine verdichtete Bauweise, die verhindert, dass Regen versickern und wieder verdunsten kann, aber auch, dass sich Luft austauscht. Gleichzeitig sorgen die dunklen Oberflächen der Hausdächer, Plätze und Straßen dafür, dass Sonnenenergie gespeichert und in der Nacht wieder als Wärme abgestrahlt wird. Die Folge: Die Städte kühlen in den Sommernächten gar nicht mehr richtig ab und können bis zu zwölf Grad heißer werden als das Umland.

"Die Statistik zeigt ganz klar, dass die Hitze in der Stadt zunimmt", sagt Beate Profé von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. "Bei großer Hitze sehen wir die Unterschiede zwischen Innenstadt und Außenstadt besonders stark."

Berlin bekommt Sommer wie in Bukarest

Schon heute leiden viele Menschen unter der Hitze. Studien zufolge sind in den Jahren 2001 bis 2010 deswegen etwa 1.400 Berliner pro Jahr zusätzlich gestorben, vor allem an Herz- oder Kreislauferkrankungen.

Einer Studie im Fachblatt PLOS Medicine zufolge führen hohe Temperaturen außerdem dazu, dass die kognitive Leistung eingeschränkt wird. Forscher der Harvard-Universität hatten 44 College-Schüler aus Massachusetts in zwei Gruppen eingeteilt: Eine lernte in Räumen mit Klimaanlagen, die andere in unklimatisierten Räumen. In kognitiven Tests schnitten die Schüler besser ab, die in den gekühlten Räumen gelernt hatten.

Sollte es die Welt es nicht schaffen, den CO2-Ausstoß rasch und deutlich zu reduzieren, könnten in Berlin die durchschnittlichen Sommertemperaturen von 22,1 Grad Celsius auf 28,1 Grad steigen – und damit das heutige Niveau von Bukarest erreichen, wie eine interaktive Karte der US-Wissenschaftsorganisation Climate Central zeigt. Auch mit einer weniger ehrgeizigen CO2-Minderung würde Berlin immer noch ungarische Sommer zum Ende des Jahrhunderts bekommen – mit durchschnittlich fast 25 Grad.

Ein Bericht im Auftrag der Berliner Umweltverwaltung prognostizierte im Jahr 2016, dass sich zusätzlich zur bisherigen Erwärmung die Sommer bis Mitte des Jahrhunderts im Schnitt um etwa ein weiteres Grad erwärmen und bis Ende des Jahrhunderts um etwa drei Grad.

Wände begrünen – oder weiß streichen

Ganz ausgeliefert sind die Städte der Hitze aber nicht – es gibt erprobte Gegenmittel. Um die Städte zu kühlen, können Grünflächen helfen. Weil der Stadtraum knapp ist und der Trend eher zur Nachverdichtung als zur Schaffung offener Flächen geht, müssen die bisherigen Grün- oder Brachflächen aufgewertet werden. Oder eben Dächer und Fassaden begrünt werden.

Zusätzlich lassen sich versiegelte Böden wieder auflockern und für den Regen durchlässiger machen – etwa mit Kopfsteinpflaster oder besonderem Belag auf dem Bürgersteig. Die Dächer und Fassaden könnten alternativ zur Begrünung auch weiß gestrichen werden. So werden Sonnenstrahlen nicht mehr geschluckt, sondern zurückgeworfen – die sogenannte Albedo, das Rückstrahlvermögen der Oberflächen, steigt.

Auch hilft es, mehr Orte zu schaffen, wo es Wasser gibt – Wasserspender, Wasserzwischenspeicher in Parks, aber auch Flussläufe oder kleine Seen, die für Kühlung sorgen. Im Brunnenviertel im Berliner Stadtteil Mitte haben die Bewohner im Rahmen des Projekts "Kiezklima" in den Innenhöfen Hochbeete angelegt, ein Trinkstationen-Netz aufgebaut und einen Trinkbrunnen errichtet. Außerdem sollen Bäume und Sonnensegel Schatten spenden, begrünte Fassen die Luft filtern und Nachbarschaftsgärten an die Stelle von versiegelter Fläche treten.

Und bei einzelnen Projekten bleibt es nicht. Inzwischen muss in Berlin die Hitzebegrenzung bei jedem neuen größeren Projekt mitgedacht werden. "Bei jedem neuen Bebauungsplan muss ein Umwelt- und Klimabericht vorgelegt werden", sagt Profé. Grundlage ist der "Stadtentwicklungsplan Klima" aus dem Jahr 2011 mit seiner Konkretisierung von 2016.

Wird zum Beispiel ein neues Stadtquartier errichtet, muss geprüft werden, inwiefern Stadtklima und Luftleitbahnen in der Stadt beeinflusst werden und ob Kompensationsmaßnahmen nötig sind – also eine Begrünung oder Wasserstellen. Profé empfiehlt vor allem eine kleinteilige Begrünung mit Straßenbäumen, aber auch eine Begrünung von Höfen, Fassaden und Dächern.

Eine Ausnahme ist Berlin bei alldem nicht. "Die großen, verdichteten Städte beschäftigen sich fast alle mit dem Thema", sagt Profé. Das gilt auch für New York, das vergangenes Jahr einen 106 Millionen Dollar schweren Plan aufgelegt hat, der den Namen "Kühle Nachbarschaften" trägt und die Gesundheitsbelastung infolge der Hitze senken soll. Geplant ist, die Fassaden von Gebäuden weiß zu streichen oder zu begrünen und mehr Bäume zu pflanzen. Die Stadt der Zukunft: Sie dürfte grün-weiß aussehen.

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