Plattenbau-Punkthochhaus von schräg unten aufgenommen, in der Sonne scheinen die Konturen zu zerfließen, alles ist in Gelb getaucht.
In schlecht gedämmten Gebäuden kann eine Hitzewelle schnell zur Gesundheitsgefahr werden. (Foto: Supmanaw Sibsi/​Shutterstock)

Wann wird's mal wieder richtig Sommer? Jetzt. Fast bundesweit, außer an den Küsten, 35 Grad und mehr, in der Spitze im Westen vielleicht sogar 40 Grad, das hat der Deutsche Wetterdienst vorausgesagt. Dazu allenfalls ein paar Schönwetterwölkchen am Himmel, und nur ganz im Norden vielleicht mal ein paar Tropfen Regen.

Das ist doch, eigentlich, eine super Sache. Ein Wetter für die Eisdiele, das Schwimmbad, den (schattigen) Biergarten. Wer sich angepasst verhält, genug trinkt, die Rollläden tagsüber schließt, den Ventilator laufen lässt, Sport mal ausfallen lässt oder in die Morgenstunden verlegt, wird damit zurechtkommen.

Zumal die extreme Hitze nur zwei Tage anhalten soll und dann wieder "normales" Sommerwetter mit Höchsttemperaturen um die 30 Grad angekündigt ist.

Also alles gut? Natürlich nicht. Rund 70 Prozent der Deutschen zeigten sich jetzt in einer Umfrage besorgt wegen Hitzewellen und Extremwetterereignissen, und immerhin jede:r Vierte gab an, wegen der hohen Temperaturen bereits gesundheitliche Probleme gehabt zu haben. Bei den Frauen sogar jede Dritte.

Das heißt, die Bundesbürger:innen sind sich schon darüber bewusst, dass sich hier aufgrund der Klimaerwärmung etwas Ungutes zusammenbraut, und viele spüren es schon am eigenen Leib.

Todesfälle unterschätzt

Die Klimaforschung liefert die Daten dazu. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich hierzulande die Zahl der Tage im Jahr mit über 30 Grad Hitze im Schnitt von vier auf acht verdoppelt, und in den Extremjahren 2018 und 2019 waren es sogar knapp 20 Tage.

 

Dabei wird vielfach unterschätzt, wie viele Opfer die Hitze kostet. 2018 um Beispiel gab es hierzulande rund 6.900 hitzebedingte Todesfälle, vor allem unter Älteren und Kranken.

Das Problem ist: Da die Klimaerwärmung ja längst nicht stillsteht, werden die Belastungen noch deutlich ansteigen. Global hat sich das Klima bisher erst um gut ein Grad erwärmt, derzeit steuert die Welt auf drei Grad bis 2100 zu.

Die halbwegs positive Nachricht lautet: Deutschland mit seinem bisher gemäßigten Klima und seiner hohen Finanzkraft kann sich an die Veränderungen anpassen. Deutlich schwieriger ist das schon für Länder am Mittelmeer, die inzwischen bereits mit Spitzentemperaturen von 45 Grad, extremer Trockenheit und Waldbrandserien konfrontiert sind.

Ganz zu schweigen von Regionen noch weiter im Süden, die bei 50 Grad und mehr zunehmend unbewohnbar werden. Indien und Pakistan erlitten in diesem Frühjahr Hitzewellen, gegen die die aktuelle in Deutschland wie ein laues Lüftchen wirkt. Wie diese Länder in einer Drei-Grad-Welt zurechtkommen sollen, ist kaum auszudenken.

Umso mehr stellt sich die Frage, wieso Deutschland auf das extremere Wetter so schlecht vorbereitet ist. Schon längst hätte auch hierzulande ein nationaler Hitzeaktionsplan mit klaren Warnketten, Akut-Hilfsangeboten wie gekühlten öffentlichen Aufenthaltsräumen und langfristigen Beratungen aufgestellt werden müssen, wie es auch die Bundesärztekammer fordert.

Frankreich hat einen solchen landesweiten Plan bereits seit 2004. Unser Nachbarland reagierte damals auf die schwere Hitzewelle in Europa, die insgesamt rund 70.000 Opfer forderte, einen nicht unerheblichen Teil, etwa 7.000, auch hierzulande.

Deutschland gibt ein miserables Bild ab

Heute, fast zwei Jahrzehnte danach, gibt Deutschland ein miserables Bild ab. Die Verantwortung ist zersplittert, manche Bundesländer arbeiten an Aktionsplänen, andere nicht, ansonsten sind die Kommunen und Träger von Gesundheitseinrichtungen zuständig. Derweil warnt Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD): "Diese Hitzewelle könnte viele Todesopfer bringen."

Zwar gibt es Vorreiter, Städte wie Berlin oder Frankfurt am Main, auch Krankenhäuser und Altersheime, die sich dem Hitzeproblem stellen. Aber es fehlt der Masterplan, und den müsste der Bund endlich liefern, statt Ratschläge zu geben, man müsse, um Ältere und Kranke zu schützen, nun mal über "Vorräte an Flüssigkeit, Ventilatoren, über die Bedeutung von Flüssigkeitszufuhr reden" (Lauterbach).

Doch es muss natürlich noch viel mehr passieren. Nötig ist der Umbau unserer Städte, um stärkere Hitze, aber auch mehr Starkregenereignisse abfedern zu können. Die Stichworte lauten: weniger Beton, mehr Bäume, Gründächer in Kombination mit Solaranlagen, begrünte Fassaden, Parks statt Parkplätze.

Auch das ist kein Hexenwerk, es muss nur endlich einmal getan werden. Beispiele, wie so etwas funktioniert, auch das Zurückdrängen eines überbordenden Autoverkehrs, gibt es. Zwar leider eher im Ausland als hierzulande, man denke an Paris, Barcelona oder Kopenhagen. Aber das kann ja auch ein Ansporn sein.

Und dann ist da natürlich noch die Klimapolitik für das 1,5-Grad-Limit, ohne die die Anpassung nur die Hälfte wert ist. Deutschland hat hier eine Verantwortung, die über seinen aktuellen Zwei-Prozent-Anteil an den globalen CO2-Emissionen weit hinausgeht.

Bundeskanzler Scholz (SPD) versprach am Montag beim Petersberger Klimadialog in Berlin, bei den Klimazielen nicht zu wackeln – trotz Ukraine-Konflikt, Kohle-Renaissance und Erdgas-Investitionen. Um das wirklich zu schaffen, muss seine Koalition ihre CO2-Einsparpolitik noch deutlich nachschärfen. Und zwar spätestens, wenn dieser Sommer vorbei ist.