Am Tag nach seiner kirchlichen Hochzeit fuhr Joachim Wille mit seiner Frau nicht in die Flitterwochen, sondern ins Erzgebirge, um das Waldsterben mit eigenen Augen zu sehen. Die Reise in die damalige Tschechoslowakei, wo er 1983 die verwüstete Wald-Landschaft sah, hat Wille geprägt. Seitdem hat ihn die Umweltpolitik nicht losgelassen.
Willes Frau Andrea saß am Dienstagabend in der ersten Reihe, als ihr Mann diese Anekdote erzählte – bei seiner Auszeichnung mit dem Ehrenpreis des Hessischen Journalistenpreises für sein bisheriges Lebenswerk.
Die Ehrung galt dem Umweltjournalisten, der seit Jahrzehnten in der Frankfurter Rundschau und seit einigen Jahren bei Klimareporter° auf die Gefahren von Umweltzerstörung und Klimakatastrophen hinweist und Lösungen aufzeigt. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Vergeben wird er vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) Hessen und der Sparda-Bank.
In seinem Dankeswort zeigte Wille seine Freude über den engagierten journalistischen Nachwuchs im Klimabereich. Es sei auch ein Ziel von Klimareporter°, diese Kompetenzen weiterzuvermitteln.
Der 67-jährige Journalist, einer der Pioniere des Umweltjournalismus in Deutschland, hat rechtzeitig gemahnt. Seit 40 Jahren schreibt Joachim Wille bei der FR über Umwelt- und Klimathemen, zugleich ist er Mitgründer und Co-Chefredakteur des seit 2018 bestehenden Portals Klimareporter°.
Die Reaktorkatastrophen in Tschernobyl 1986 und in Fukushima 2011 gehörten zu den prägenden Ereignissen des Atomkraftgegners Wille. Er ließ es sich nicht nehmen, sich 1991 vor Ort in Tschernobyl kundig zu machen – und schaute sich selbstverständlich nach alternativen Energiequellen um, etwa beim Besuch des weltweit größten Solarkraftwerk-Projekts im marokkanischen Ouarzazate.
Natürlich war Joachim Wille dabei beim wegweisenden UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992. Ob in Kyoto, Johannesburg, Durban oder Paris 2015 – Wille hat die mühseligen weltweiten Verhandlungen intensiv verfolgt, die Rückschläge ebenso wie die Erfolge der Klimapolitik.
"Er hat den Fachjournalismus in Umweltfragen geprägt"
"Er steht für einen Qualitätsjournalismus, der auf Fakten wie auf gründlichen Recherchen basiert", hob die Jury des Hessischen Journalistenpreises hervor, die unter der Leitung des Literaturwissenschaftlers Heiner Boehncke stand. Außerdem sollten journalistische Beiträge nicht nur fundiert und faktenbasiert, sondern auch gut lesbar sein – "so wie bei Joachim Wille", unterstrich die Jury.
Die frühere FR-Chefredakteurin Bascha Mika als Laudatorin schilderte Joachim Wille als einen Journalisten, der seit Jahrzehnten nicht aufhöre, "für seine Sache zu brennen und im Dauermodus zu kämpfen, zu streiten, der Unwissenheit, Dummheit und bösartigen Verleugnung entgegenzutreten".
Sie blickte zurück auf Willes journalistische Karriere. "Man wird nicht als Pionier geboren – man wird zum Pionier gemacht. Durch Eindrücke, Einblicke, Einsichten", sagte Mika. "Es sind prägende Erfahrungen, einschneidende Erkenntnisse, die dazu führen, dass jemand zum Vorkämpfer wird." So muss es bei Joachim Wille im Erzgebirge gewesen sein.
Mika erinnerte an viele wichtige Themen, die der Umweltreporter aufgegriffen hatte: "Ob Waldsterben oder Wackersdorf, ob Verkehrspolitik oder Umweltbewegung – Joachim Wille steckte bereits in den 1980er Jahren mitten drin in den existenziellen Zukunftsfragen." Seit dieser Zeit habe er "den Fachjournalismus in Umweltfragen geprägt wie kaum ein anderer".
Dafür sei Wille mit vielen Preisen ausgezeichnet worden, so Mika, 2015 auch mit dem Bundesverdienstkreuz. Zu seinen Ehrungen gehörten der Journalistenpreis des wichtigsten deutschen Umweltverbandes BUND, der Preis der Deutschen Umweltstiftung und der Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe.
Herausforderung durch Twitter und Co
Bei der Verleihung des Eduard-Bernhard-Preises des BUND Hessen an Joachim Wille in diesem Jahr hatte der langjährige BUND-Vorsitzende Hubert Weiger noch einen zentralen Aspekt hervorgehoben.
"Umweltjournalismus ist eine zentrale Säule erfolgreicher Umweltpolitik und deshalb ist sein Niedergang als Folge der Dominanz sogenannter sozialer Medien und der damit verbundenen Marktmacht von Google, Facebook, Twitter und Co eine riesige Herausforderung, weil sie nicht nur die Umweltpolitik schwächt und unterminiert, sondern auch die Axt an unsere Demokratie legt", sagte Weiger.
In seiner journalistischen Laufbahn hat Joachim Wille viele Themen beackert – auch jenseits seiner Kerngebiete. Viele Jahre war er als Reporter für die Frankfurter Rundschau unterwegs, berichtete über den Amoklauf in Winnenden oder den ältesten Akrobaten Deutschlands. Den Hessischen Journalistenpreis erhielt er bereits 2009 – mit seinem Artikel "Hessisches Staatstheater" über die letztlich vergeblichen Bemühungen von Andrea Ypsilanti, hessische Ministerpräsidentin zu werden.
Neben Wille wurden weitere Journalistinnen und Journalisten für Berichte über Klima und Nachhaltigkeit geehrt: Den ersten Platz errangen Stephanie Krüger und Maren Winter vom Hessischen Rundfunk für ihre dreiteilige Dokumentation "Challenge Nachhaltigkeit", für die sie Menschen aus Kassel eingeladen hatten, vier Wochen lang im Alltag auf Nachhaltigkeit zu achten.
Platz zwei ging an die FAZ-Multimedia-Redakteure Jens Giesel, Dana Hajek und Oliver Schlömer für den Beitrag "Wohin mit all den Windrädern?" über die Energiewende in Hessen. Den dritten Rang belegte Johannes Pennekamp von der FAZ, der für seinen Artikel einen Metzger und jemanden, der ein veganes Restaurant führt, in Frankfurt am Main zum Gespräch zusammengeführt hatte.