Vor dem Ausgang warten die Medienvertreter, die draußen bleiben mussten. Der Saal war nicht groß genug.
Vor dem Ausgang warten die Medienvertreter, die draußen bleiben mussten. Der Saal war nicht groß genug. (Foto: von Brackel)

Der Paris-Vertrag – ein Wendepunkt in der Geschichte des Planeten? Der Jubel am Samstagabend, als das neue globale Klima-Abkommen ohne Gegenstimme angenommen wurde, war groß. Die französische Gipfelpräsidentschaft hat ein Meisterstück der Diplomatie abgeliefert. Und gerne würde man auch Frankreichs Präsident François Hollande in seinem Urteil folgen, der darin einen "großen Sprung nach vorn für die Menschheit" erkannte. Das Papier, auf dem das Abkommen zum globalen Klimaschutz steht, ist trotzdem nur normales Papier. Und das ist geduldig.

Der Vertrag, der jetzt auf dem UN-Klimagipfel verabschiedet wurde, fixiert zwar ein unerwartet ambitioniertes Ziel: Das Limit der Erderwärmung soll "deutlich unter zwei Grad" liegen, die Temperaturkurve möglichst sogar unter 1,5 Grad gedrückt werden. Leider stellt der Rest des Abkommens nicht sicher, dass dieses Ziel auch erreicht wird.

Das Abkommen ist damit zwar ein wichtiger Startpunkt, um einen nicht mehr beherrschbaren Klimawandel noch zu stoppen. So gesehen, stimmt es schon: "Paris" war ein welthistorischer Moment und bedeutet die Sanierung nach dem klimadiplomatischen Super-GAU bei der Kopenhagen-Konferenz von 2009. Trotzdem gilt: Die eigentliche Arbeit beginnt erst.

Das Signal "1,5 Grad" im Vertrag ist wichtig. Noch zu Gipfelbeginn galt als unwahrscheinlich, dass das niedrigere Limit überhaupt darin auftauchen würde – es stellt eine Art Schutzklausel dar für die kleinen Inselstaaten und andere besonders vom Klimawandel bedrohte arme Länder, die bei zwei Grad von der Weltkarte verschwinden oder weitgehend unbewohnbar würden.

Welt auf Drei-Grad-Pfad

Dass dieses Ziel nun benannt wird, bedeutet: Die Weltgemeinschaft hat endlich realisiert, wie ernst die Warnungen sind, die die Klimaforscher aufgestellt haben. So weit, so gut, aber auch so unzulänglich. Denn diese Erkenntnis wird – zumindest noch – nicht ausreichend in konkretes Handeln umgesetzt.

Fakt ist: Die Treibhausgas-Limits, die die Länder der Erde sich gegeben haben und die die Basis des Paris-Vertrags bilden, bringen die Welt nur auf einen Drei-Grad-Pfad – also auf einen Kurs, bei dem Elemente des Klimasystems destabilisiert würden, darunter der Grönland-Eisschild, die Permafrostböden und die Regenwälder. Höhere Ansprüche trauten sich die Architekten des Paris-Deals nach dem Kopenhagen-Debakel nicht mehr zu stellen.

Immerhin wird nun ein Mechanismus installiert, der Überprüfung und Steigerung der nationalen Klimaziele alle fünf Jahre vorschreibt, beginnend 2023. Die Koalition der "ambitionierten" Staaten, die in Paris von der EU, den USA, Brasilien, Kanada und den bedrohten Ländern aus Afrika, Karibik und Pazifik gebildet wurde, konnte sich hier durchsetzen. Ob das den nötigen Druck aufbaut, ist noch unklar. Denn bereits ab etwa 2020 müssten die globalen CO2-Emissionen deutlich sinken, um im Korridor von 1,5 bis zwei Grad zu bleiben.

Der Test für den Klimapakt wird also sein, wie schnell die großen globalen Einheizer wie China und die USA, aber auch die EU ihre CO2-Ziele nachschärfen. Keiner zwingt sie dazu, bis 2023 zu warten.

Die Hoffnung, dass es so kommt, ist nicht unbegründet. Das Langfristziel für den nötigen Umbau des globalen Energiesystems wird in der finalen Version des Paris-Abkommens zwar nicht mehr direkt benannt. Vor allen die Ölstaaten und das Schwellenland Indien, das weiter auf Kohle setzt, legten sich quer. Die "Dekarbonisierung", das Schlagwort vom G7-Gipfel in Elmau, wurde gestrichen.

Trotzdem enthält der Text ein starkes Signal für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas in den nächsten Jahrzehnten. Statt Dekarbonisierung heißt es im Vertrag nun noch abstrakter (oder wissenschaftlicher), es solle eine "Balance" zwischen menschengemachten Treibhausgasen und der Bindung von CO2 durch sogenannte Senken – etwa Wälder – hergestellt werden. Klar ist aber: Ohne ein drastisches Absenken der Emissionen aus dem Energiesystem funktioniert das nicht. Ergo: Mit fossilem business as usual ist auf Dauer kein Geschäft mehr zu machen.

"Paris" dürfte den Umbau beschleunigen. Die erneuerbaren Energien haben in den letzten zehn Jahren dank rasanter Kostensenkung weltweit einen unerwarteten Aufschwung genommen. Inzwischen werden pro Jahr mehr Öko-Kraftwerke gebaut als fossile. Das Signal des Paris-Vertrags kann ihnen endgültig zum Durchbruch verhelfen. Immer mehr Großinvestoren haben sich im letzten Jahr von den fossilen Energien abgewandt – darunter global agierende Banken, Versicherer und Kommunen. Diese "Divestment-Bewegung" wird beschleunigt wachsen, und das könnte den nötige Systembruch mit der fossilen Welt auslösen.

Der große Schwachpunkt des Paris-Vertrags ist der Finanzteil. Das Versprechen der Industrieländer, den armen Ländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Umstellung auf Öko-Energien und die Anpassung an den Klimawandel zu stellen, wird zwar bekräftigt. Doch erst ab 2025 ist eine Steigerung dieser Mittel vorgesehen.

Zudem konnten China und andere reiche "Entwicklungsländer" wie Saudi-Arabien Verpflichtungen abwehren, hier mitzuzahlen. Sie werden nur dazu "ermutigt". Dabei ist längst klar, dass 100 Milliarden bei Weitem nicht reichen, um den Menschen zu helfen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am stärksten unter ihm zu leiden haben. Das darf bei allem Jubel über den erfolgreichen "Paris-Deal" nicht vergessen werden.

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