Keine Frage: Zu den Gewinnern des politischen Tauziehens um das "Heizungsgesetz" gehört die fossile Gaswirtschaft.

Unter dem Radar bleibt bisher, dass es mindestens noch eine Gewinnerbranche gibt: die Bioenergie, vor allem das Biogas.

 

Der ursprüngliche Referentenentwurf für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) schloss für Neubauten das Heizen mit Biomasse gänzlich aus. In der Gesetzesfassung, die im September zur Abstimmung steht, ist das nicht mehr so.

Ab Januar kommenden Jahres soll jede neu eingebaute Heizung möglichst mit 65 oder mehr Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Dabei sind Bioenergien nunmehr voll akzeptiert.

So kann die berühmte H2-ready-Gasheizung problemlos eine Biomethan-ready-Heizung sein. Viel Readyness ist dafür auch gar nicht nötig. Fossiles Erdgas besteht zu 90 und mehr Prozent aus Methan. Eine Umstellung auf Biomethan bekämen die Kunden im Grunde gar nicht mit.

Ähnliches gilt für die Gasverteilnetze: Auch mit Biogas können Kommunen auf "klimaneutral" umstellen.

Auch für Biomasse-Heizungen in Bestandsgebäuden gilt: Diese mit Biogas, Holz, Holzschnitzeln oder Pellets betriebenen Heizungsanlagen können weiterlaufen und dürfen, wenn sie kaputtgehen, auch repariert werden.

Biogas wird für Nahwärmenetze attraktiver

Wie stark im Heizungssektor speziell die Nachfrage nach Biomethan steigen wird, sei bisher schwer abzusehen, erklärt Jörg Schäfer vom Fachverband Biogas auf Nachfrage. Künftig würden aber Biogasanlagen, die heute noch Strom erzeugen, mehr und mehr in die Biomethan-Aufbereitung einsteigen, sagt er.

Das Gebäudeenergiegesetz mache auch den Einsatz von Biogaswärme in Nahwärmenetzen attraktiver, so Schäfer weiter. Das hänge aber auch von der Ausgestaltung des kommenden Gesetzes zur kommunalen Wärmeplanung ab.

"Einige Biogasanlagen haben heute noch keine perfekte Wärmenutzung, da der Markt dies in den vergangenen Jahren nicht besonders nachgefragt hat", erläutert der Verbandsexperte. Derzeit werden rund drei Viertel der in Biogasanlagen anfallenden Wärme genutzt. Bei der Abwärme ist also noch Luft nach oben.

Wie beim Wasserstoff stellt sich beim Biomethan die Frage, wie viel davon künftig verstromt wird (und Wärme miterzeugt) und wie viel unmittelbar zum Heizen dient. Biomethan könne im Wärmesektor dennoch als eine Art "Brückentechnologie" dienen und den Wasserstoff-Hochlauf klimaneutral unterstützen, betont Schäfer.

Also etwa nach dem Motto: Solange kein Wasserstoff verfügbar ist und die Heizungen nicht umgerüstet sind, nehme man einfach Biomethan.

Verbraucherschützer: Biomethan reicht nicht zum Heizen

Vor so einer "Brücke" warnt indessen der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Die Verbraucherschützer bezweifeln, dass Biomethan in den kommenden Jahren in nennenswerter Menge zum Heizen zur Verfügung steht.

Biomethan sei schließlich Biogas, das in mehreren Schritten auf Erdgasqualität aufbereitet wird, merkt der VZBV in einer Stellungnahme zum Gebäudeenergiegesetz an. Der Einsatz von Biomethan in Gebäuden konkurriere damit direkt mit dem Einsatz von Biogas in Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Die Verbraucherschützer sehen dabei die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme per KWK im Vorteil. Entsprechend verlangen sie, die Option aus dem Gebäudeenergiegesetz zu streichen, dass Erdgasheizungen später mit Wasserstoff oder Biomethan betrieben werden können.

Als "Königsweg" zwischen Strom und Heizen betrachtet auch die Branche selbst flexible Biogasanlagen mit KWK-Blockheizkraftwerken, die vor Ort Strom bereitstellen und die anfallende Wärme hundertprozentig nutzen. Solche Anlagen könnten auch beim Ausgleich der schwankenden Stromerzeugung von Wind und Sonne helfen.

Forscher sehen langfristig abnehmende Biogasmenge

Die Potenziale hier sind beachtlich. Bei konsequenter Flexibilisierung könnten aus Biogas jährlich rund 28 Milliarden Kilowattstunden Strom weitgehend bedarfsgerecht bereitgestellt werden, rechnet Daniela Thrän vor. Sie leitet die Bioenergie-Abteilung beim Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Ihren Angaben zufolge könnte der Biogas-Anlagenpark bis auf eine Leistung von knapp 13.000 Megawatt ausgebaut werden. Das wären 44 Prozent der derzeitigen Leistung der Erdgaskraftwerke in Deutschland.

Immer mehr Biogasanlagen werden mit einer nachgelagerten Biomethan-Produktion ausgestattet. Entscheidend bleibt aber, wo die Ausgangsstoffe herkommen. (Bild: Ralf Geithe/​Shutterstock)

Eine Studie des Erneuerbaren-Verbandes BEE über das künftige Strommarktdesign kommt zum Ergebnis, dass die Kraftwerkskapazität von Biogasanlagen durch konsequente Flexibilisierung – ohne zusätzliche Biomasse – von heute 6.000 Megawatt auf bis zu 12.000 Megawatt im Jahr 2030 angehoben werden könnte.

Wie nahezu alle Fachleute weist auch Thrän ausdrücklich auf die Nutzungskonkurrenz zwischen der Energiepflanzenproduktion und dem Anbau von Lebensmitteln hin – die "Tank oder Teller"-Debatte. "Vor dem Hintergrund der vielfältigen Erwartungen der begrenzten landwirtschaftlichen Flächen an Ernährungssicherheit, Artenschutz und ökologische Landwirtschaft sowie an natürlichen Klimaschutz sollte der Anbau von Energiepflanzen zurückgehen", stellt die Bioökonomin klar.

Dementsprechend werde die verfügbare Menge an Biogas eher abnehmen, sagt Thrän voraus – auch wenn in gewissem Umfang biogene Reststoffe und Abfälle sowie zusätzliche Biomasse durch veränderte Anbausysteme wie Zwischenfrüchte und Untersaaten erschließbar seien.

Auch die UFZ-Expertin hebt hervor, dass Biogasanlagen und Biomethan-Blockheizkraftwerke Strom bedarfsgerecht bereitstellen können. Damit ließen sich wiederum Kosten für Speicher- oder Backup-Kapazitäten an anderer Stelle einsparen.

Zu der Aufgabe, Schwankungen bei Stromerzeugung und -bedarf auszugleichen, könnte flexibles Biogas also gut beitragen, meint Thrän – bevor das irgendwann grüner Wasserstoff übernimmt.

Auch hier könnte Biogas also eine Art "Brücke" sein, nunmehr im Stromsystem.

Aus CO2 im Biogas zusätzlich Methan gewinnen

Noch stärker auf die Methan-Idee setzt Michael Sterner, Professor für Energiesysteme an der OTH Regensburg. Rohbiogas enthält zur guten Hälfte Methan und zu bis 45 Prozent CO2. Letzteres wird bei der Biomethan-Produktion abgetrennt.

Aus dem abgetrennten CO2 kann unter Zugabe von Wasserstoff in einer Power-to-Gas-Anlage prinzipiell ebenfalls Methan erzeugt werden. Aus Sicht von Sterner könnte das gesamte so erzeugte Methan dann als vollwertiger Ersatz für fossiles Erdgas in der bestehenden Gasinfrastruktur genutzt werden.

Würde man dieses Konzept – Biomethan und zusätzliche Methanisierung des CO2 – an allen Biogas- und Klärgasanlagen umsetzen, könnten sich 75 Prozent der deutschen Gasspeicher mit heimischem grünem Gas füllen lassen – und zwar zum gleichen Preis wie fossile LNG-Lieferungen aus Katar ab 2026, gibt Sterner an.

Jörg Schäfer vom Biogasverband prognostiziert, dass neue Biomethan-Aufbereitungsanlagen künftig gerade in der Nähe großer Reststoff- und Abfallstandorte wie etwa Zuckerrübenfabriken entstehen werden. Für 2030 erwartet die Branche eine Produktion von jährlich 55 Milliarden Kilowattstunden Biomethan – gegenüber knapp zehn Milliarden heute.

Zum Vergleich: In ihrer Wasserstoffstrategie strebt die Bundesregierung an, 2030 etwa 30 Milliarden Kilowattstunden Wasserstoff zu erzeugen. Wasserstoff und Biomethan könnten also in den nächsten Jahren in ähnlicher Größenordnung wachsen.

 

Auch für Sterner ist aber die Flächenkonkurrenz von Energiepflanzen mit dem Nahrungs- und Futtermittelanbau ein großes Problem. Er weist zudem auf die ökologischen Nachteile von Maismonokulturen mit ihrer hohen Nitrat- und Pestizidbelastung hin.

Die politische Priorität müsse deswegen auf der Nutzung von Rest- und Abfallstoffen liegen, meint Sterner. "Solange wir Nahrungs- und Futtermittel in Deutschland produzieren, werden wir auch entsprechende Reststoffe haben, die wir zu Biogas verwerten können", betont er. Auch Kläranlagen würden in Deutschland stets betrieben werden.

Allerdings ist auch Sterner klar, dass das Potenzial von Abfällen und Resten kleiner ist als das des großflächigen Anbaus von Biogaspflanzen.

Am Ende bleibt die Frage: Wird Biogas nur eine temporäre Brücke zu grünem Wasserstoff sein oder langfristig über das Methan eine eigene Rolle in einem erneuerbaren Energiesystem spielen? Die Antwort hängt wohl davon, ob es der Branche auf lange Sicht gelingt, aus weniger mehr zu machen.