Aufschwung mit Wasserstoff statt Diamanten? In einem Nationalpark in Namibia nahe der Hafenstadt Lüderitz soll mit deutscher Hilfe bald eines der bisher größten Wasserstoff-Projekte weltweit entstehen.

 

In dem früheren Sperrgebiet für den Diamantenabbau in der Wüste ist es extrem trocken, es wächst nichts außer ein paar Büschen. Dafür gibt es hier, im Südwesten Afrikas, zwei Ressourcen, die in einer postfossilen Welt immer wichtiger werden: jede Menge Sonne und viel Wind.

Daraus lässt sich günstig Wasserstoff herstellen, der umgewandelt in Ammoniak, auch nach Europa und Deutschland exportiert werden kann. Und genau dafür wurden nun die Weichen gestellt.

Namibias Regierung will das Land zu einem der Zentren der globalen Wasserstoffwirtschaft machen. Der Einstieg ist nun erfolgt: Sie beauftragte das Unternehmen Hyphen Hydrogen Energy mit der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb des milliardenschweren Wasserstoff-Pilotprojekts. In einer offiziellen Zeremonie in der Hauptstadt Windhuk wurde eine entsprechende Machbarkeits- und Umsetzungsvereinbarung unterzeichnet.

Die Anteilseigner der Firma sind das deutsche Ökoenergie-Unternehmen Enertrag sowie der in Europa und Afrika aktive britische Infrastrukturentwickler Nicholas Holdings. Geplant sind Gesamtinvestitionen in Höhe von rund zehn Milliarden US-Dollar, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung der namibischen Regierung und von Hyphen heißt.

Damit werden Dimensionen erreicht, wie man sie im Afrikageschäft bisher allenfalls von China kennt. Der Betrag entspricht in etwa dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt Namibias. Die Regierung in Windhuk kann sich laut dem Vertrag mit bis zu 24 Prozent an dem Projekt beteiligen.

Enertrag ist einer der führenden Entwickler und Betreiber von Windparks in Deutschland. Das Unternehmen mit Sitz bei Prenzlau in Brandenburg ist seit Längerem auch bei der Wasserstoff-Elektrolyse aktiv.

Wasserstoff für 2,50 Euro pro Kilo

Die zukünftigen Windparks und Solarfelder bei Lüderitz sollen im Endausbau 7.000 Megawatt Ökostrom liefern können. Rechnerisch entspricht das der Kapazität von etwa zehn konventionellen Großkraftwerken.

Außerdem sollen nahe der Hafenstadt eine Elektrolyseanlage mit einer Kapazität von 3.000 Megawatt zur Wasserstoffgewinnung sowie eine Meerwasserentsalzungsanlage entstehen, um in der trockenen Region überhaupt die benötigten Mengen an Wasser bereitstellen zu können.

So sollen die Solarparks aussehen, die den Strom zur Wasserstoffherstellung in Namibia produzieren. (Bild: Hyphen)

Hinzu kommt ein Chemiewerk, um aus dem Wasserstoff besser transportable Derivate wie Ammoniak zu machen, die dann über ein neues Verladeterminal bei Lüderitz verschifft werden sollen.

Angepeilt ist eine Produktionsmenge von bis zu zwei Millionen Tonnen "grünem" Wasserstoff jährlich für den nationalen und den internationalen Markt. Der Vollbetrieb soll noch vor 2030 erreicht werden. Am Zielort kann der "grüne" Ammoniak direkt eingesetzt werden, etwa in der Chemieindustrie, oder wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.

Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende in der Industrie sowie für Anwendungen im Flug- und Schiffsverkehr. Auch Deutschland versucht, sich günstige Wasserstoff-Quellen im Ausland zu erschließen, da die benötigten H2-Mengen so groß sind, dass sie mit heimischem Ökostrom allein kaum herstellbar sind.

Weltweit gibt es mehrere Regionen, in denen Wasserstoff per Grünstrom billig produziert werden könnte, da die Sonne oft scheint oder viel Wind weht oder sogar beides. Dazu zählen vor allem Australien, Chile, die Arabische Halbinsel – und eben Afrika.

Die Potenziale dort sind riesig. Laut einer Untersuchung des Bundesforschungsministeriums von 2021 ließe sich allein in Westafrika jährlich die gigantische Menge von bis zu 165.000 Milliarden Kilowattstunden grünem Wasserstoff herstellen. Das entspreche der 110-fachen Menge, die Deutschland im Jahr 2050 voraussichtlich werde importieren müssen.

Weiteres Argument: die niedrigen Kosten. Der Wasserstoff kann laut Schätzungen dort für 2,50 Euro pro Kilogramm produziert werden, während es bei in Deutschland hergestelltem H2 selbst 2050 noch rund 3,80 Euro sein dürften.

Kein Wunder, dass auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Namibia setzt. Er besuchte das Land Ende letzten Jahres, um das aktuelle Projekt zu promoten.

Neun von zehn Arbeitskräften sollen aus Namibia kommen

Hyphen und die namibische Regierung preisen ihr Lüderitz-Projekt in den höchsten Tönen. Es sei ein Schritt, um das Land als "weltweit führendes Zentrum für grünen Wasserstoff" zu etablieren, und solle eine "Benchmark für die nachhaltige Entwicklung großer grüner Wasserstoffprojekte auf globaler Ebene" sein – fair, gerecht, wirtschaftlich inklusiv und ökologisch nachhaltig.

Namibias Präsident Hage Geingob ließ sich mit den Worten zitieren: "Vielen Dank an Hyphen dafür, dass Sie unserem politischen System und unserer Regierungsform vertrauen. Lassen Sie uns nun zum Wohle des namibischen Volkes zusammenarbeiten."

Und Enertrag-Chef Gunar Hering sagte gar: "Hyphen ist mehr als nur ein Unternehmen. Wir legen die Grundlage für eine gerechte Energiewende in Namibia und dienen als Blaupause für andere Länder des globalen Südens."

Das soll wohl Sorgen zerstreuen, mit der neuen Wasserstoff-Welt könne ein neuer grüner Kolonialismus etabliert werden, in dem Afrika Europa mit Energierohstoffen versorgt und selbst außer Umweltschäden nichts davon hat.

Tatsächlich wurde verabredet, dass von den über 3.000 Dauer-Arbeitsplätzen im Lüderitz-Projekt 90 Prozent mit namibischen Arbeitskräften besetzt werden sollen. Außerdem sollen 30 Prozent der benötigten Waren, Dienstleistungen und Materialien lokal beschafft werden. Und die Meerwasser-Entsalzungsanlage werde so dimensioniert, dass auch die wachsende Stadt Lüderitz mit besserer Frischwasserversorgung davon profitieren wird.

Anzeige