Zeitlich fällt der Zusammenfall ins Auge. Mitte August musste die Landwärme GmbH Insolvenz anmelden, der führende Biomethan-Anbieter in Deutschland. Als Grund nennt das Unternehmen mit Sitz in München den seit Anfang 2023 anhaltenden Preisverfall bei den sogenannten Treibhausgas-(THG‑)Quoten.
Nicht nur die 140 Arbeitsplätze seien gefährdet. Landwärme kündigte auch an, "ungünstige" Verträge zu kündigen. Das alarmierte postwendend den Verband kommunaler Unternehmen (VKU): Würden zugesagte Lieferungen von Biomethan nicht eingehalten, drohe Stadtwerken ein hoher finanzieller Schaden, warnte VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing.
Aber Abhilfe scheint in Sicht. Wenige Tage nach der vorläufigen Landwärme-Insolvenz kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein umfassendes Biomasse-Paket an. Biogasanlagen, die flexibel nach Bedarf produzieren, sollen damit künftig stärker gefördert werden. Geregelt werden soll das im Zuge der Reform des Energiewirtschaftsgesetzes.
Über Habecks Ankündigung geriet die Agrarenergie-Branche aus dem Häuschen. Lange habe es den Anschein gehabt, als planten die Bundesregierung und vor allem das Wirtschaftsministerium die Energiewende ohne Biomasse – umso erfreulicher sei es nun, dass Habeck endlich die Bedeutung von Biogas für eine sichere Strom- und Wärmeversorgung erkannt habe, lobte der Geschäftsführer des Fachverbands Biogas, Stefan Rauh.
Wirtschaftsministerium bremst Biogas-Euphorie
Der Forderungskatalog der Branche ist über die Zeit lang geworden. Zuletzt waren mehrere Ausschreibungen für Biogasanlagen zur EEG-Anschlussvergütung dreifach überzeichnet, viele Betreiber gingen leer aus. Der Bau neuer Anlagen liege nahezu bei null und es gebe zu wenig Anreize für eine flexiblere Fahrweise, beschwerten sich Branchenvertreter mehr als einmal. Allein die Ausschreibungsmenge müsse von derzeit jährlich 480 auf 1.800 Megawatt erhöht werden.
Zu viel ist von Habeck aber nicht erwarten. Die überzeichneten Biomasse-Ausschreibungen der letzten Jahre seien im Wirtschaftsministerium "nicht unbeobachtet" geblieben, teilt ein Sprecher auf Nachfrage mit und bremst zugleich mögliche Euphorie: Gehe es um die geforderten höheren Ausschreibungsmengen, seien immer auch die hohen Kosten der Stromerzeugung aus Biomasse sowie die aktuelle Haushaltslage zu beachten.
Die künftige Rolle der Biomasse-Verstromung als steuerbare Erzeugung in einem von Wind- und Solarstrom dominierten System ordnet das Ministerium auch in seine anstehende Kraftwerksstrategie ein. Für steuerbare Leistung im Allgemeinen, aber auch für Biomasse im Speziellen verweist der Sprecher auf die für 2028 geplante Einführung eines Kapazitätsmarktes. In diesem solle auf verfügbare steuerbare Leistungen geboten werden. Daran könnten nicht nur "klassische Kraftwerke", sondern auch Speichertechnologien und flexible Lasten teilnehmen, betont der Sprecher.
Die meisten Biogasanlagen sind noch nicht flexibel
Kurzfristig will das Haus Habeck, wie zu hören ist, nur verhindern, dass Biogasanlagen auch dann noch Strom erzeugen, wenn Sonne und Wind für volle bis übervolle Netze sorgen. Bildhaft formuliert: Strom aus Bioenergie soll eine Mittagspause einlegen.
Die allermeisten Anlagen können dies bisher nicht. Rund 90 Prozent der Biogasanlagen erzeugen Strom und Wärme meist im Dauerbetrieb. "Damit belasten sie auch dann die Netze, wenn viel Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht", schrieben Branchenexperten schon vor Jahren.
Damit sich das ändert, braucht es die finanziellen Anreize, und das nicht zu wenig. Die Branche fordert hier, den sogenannten Flexibilitätszuschlag auf 120 Euro pro installiertes Kilowatt nahezu zu verdoppeln. Biogasanlagen sollen damit in die Lage kommen, etwa in zusätzlichen Gasspeichern mehr von ihrem Brennstoff "aufzuheben" und genau dann einzusetzen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Bisher dienen die Speicher, vereinfacht gesagt, als Puffer für Ausfälle, Wartungszeiten oder schwankende Verfügbarkeit der Biomasse. Was aber an Speichern und sonstigen Investitionen dazukommen muss, hängt eben davon ab, was die Politik mit der Bioenergie anfangen will.
Kleine zusätzliche Speicher würden nach Branchenangaben einen flexiblen Betrieb über einen Tag ermöglichen. Die Anlagen könnten dann also vom Netz gehen, wenn mittags die Photovoltaik auf vollen Touren läuft.
Mögliches "Backup" für klimaneutrales Stromsystem
Mit Speichern von 60 Stunden Reichweite sei es sogar möglich, sogenannte Dunkelflauten auszugleichen, rechnet die Branche weiter vor und hofft, dass die Politik ihre Anlagen als "Backup" in einem erneuerbaren Stromsystem in Betracht zieht. Es sei möglich, bis 2030 schon 12.000 Megawatt und langfristig bis zu 24.000 Megawatt steuerbare Bioenergie-Leistung zu bekommen.
Die Biogasleute werben zudem damit, dass die flexibel laufenden Anlagen dann nur zu anderen Zeiten, aber insgesamt nicht länger in Betrieb wären – also werde auch nicht mehr Biomasse benötigt, die zur Ernährung und für die Biodiversität wichtig ist.
Nicht zuletzt finanziere sich der Umbau teilweise selbst, argumentiert die Branche, weil der Strom zu Zeiten eingespeist wird, in denen der Strompreis an der Börse höher ist. Flexibilität zahlt sich künftig aus.
Ob das alles so realisierbar ist, darf man schon hinterfragen. Noch fragwürdiger erscheint allerdings die Absicht der Ampel, in der Kraftwerksstrategie 5.500 Megawatt neue fossile Erdgaskraftwerke bauen zu lassen und mit Milliarden zu bezuschussen.
Mit alldem hat die Pleite der Landwärme GmbH wenig zu tun. Der Preisverfall bei den Treibhausgas- oder THG-Quoten traf das Unternehmen auch deshalb so hart, weil es das Biomethan nicht nur real verkauft, sondern vor allem auch europaweit mit entsprechenden Zertifikaten handelt.
Streit um Preisverfall bei THG-Quote
So ein Biomethan-Zertifikat bescheinigt dem Besitzer, dass er seinen CO2-Ausstoß um eine Tonne vermindert. Mit den Zertifikaten können insbesondere Mineralölunternehmen nachweisen, dass sie ihre Pflicht erfüllen, die CO2-Emissionen der von ihnen verkauften Kraftstoffe zu senken.
Die Treibhausgasminderungsquote, wie sie genau heißt, steigt dabei gesetzlich vorgeschrieben von sechs Prozent im Jahr 2021 auf 25 Prozent 2030. Das garantiert eigentlich eine steigende Nachfrage auch nach Biomethan.
2021 hatte Landwärme, wie der letztverfügbare Geschäftsbericht ausweist, einen Bestand an Biomethan-Zertifikaten im Wert von fast 48 Millionen Euro. Anfang 2023 war so ein Zertifikat um die 420 Euro wert, seitdem sank der Preis auf unter 100 Euro. Leicht auszurechnen, dass sich da das Geschäft einer solchen Firma buchstäblich in Luft auflöst.
Gestritten wird jetzt, was die Gründe für den Preisverfall sind. Landwärme sieht diese in falsch deklariertem Biodiesel, der zumeist aus Asien in die EU importiert worden sein soll, sowie im großflächigen Betrug mit CO2-Einsparprojekten in China, den sogenannten UER-Projekten. Allein durch die UER-Fälschungen sei der hiesigen Branche ein Schaden von geschätzt 4,5 Milliarden Euro entstanden, behauptet Landwärme.
Dem widersprach inzwischen das Bundesumweltministerium. Die genannten Milliardensummen würden bedeuten, dass sämtliche Projekte in China gefälscht seien. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte, teilte das Ministerium mit.
Auch ist der Preisverfall für das Umweltministerium nicht allein ein inländisches Phänomen. In ganz Europa seien die Preise gefallen, auch weil Schweden Anfang 2023 die vorgeschriebene Beimischung von Agrokraftstoffen von 30 auf sechs Prozent gesenkt habe. In Finnland sei die THG-Quote eingefroren worden und in Frankreich dürfe nun auch Strom aus Elektrofahrzeugen bei der Quote angerechnet werden.
Aus Sicht des Ministeriums konnte auch der von Landwärme vermutete Import falsch deklarierter Biokraftstoffe bisher weder in Deutschland noch in anderen EU-Staaten nachgewiesen werden.
Unabhängig davon untersuche die EU-Kommission zurzeit auch Einfuhren günstiger Biokraftstoffe, die möglicherweise zulasten europäischer Produzenten gehen, so das Umweltministerium weiter.
Tatsächlich hat die EU-Kommission kürzlich auch vorläufige Anti-Dumping-Zölle gegen chinesische Biodieselproduzenten verhängt, wie der Biokraftstoff-Industrieverband VDB einräumt. Die Regelung biete aber noch Schlupflöcher, weil sogenanntes Biokerosin ("Bio-SAF") nicht von den Zöllen abgedeckt wird.
Weil Biokerosin auf derselben Basis hydrierter Pflanzenöle ("HVO") wie der inzwischen bekannte Biodiesel hergestellt wird, könne letzterer als Bio-SAF deklariert und zollfrei in die EU eingeführt werden. Dort werde er dann aber als Straßenkraftstoff verkauft und trage zu den Marktverwerfungen bei, vermutet der VDB.
Nicht nur beim Biogas, auch bei der THG-Quote dürfte der Streit demnächst ohne Pause weitergehen.