Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Aysel Osmanoglu, Vorstandssprecherin der GLS Bank.
Klimareporter°: Frau Osmanoglu, die Ampel-Koalition ist, glaubt man all den Statements, vor allem an der Frage zerbrochen, ob die Schuldenbremse eingehalten, reformiert oder aufgehoben werden soll, um unter anderem dringende Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz finanzieren zu können. Wie stehen Sie zur Schuldenbremse?
Aysel Osmanoglu: Wir stehen derzeit vor der Jahrhundertaufgabe, unsere Infrastruktur und unsere Wirtschaft klimafreundlich umzugestalten. Dafür brauchen wir Investitionen etwa in Bildung, nachhaltiges Wohnen und sinnvolle Infrastruktur.
Doch bevor wir über neue Schulden sprechen, sollte der Staatshaushalt zukunftsgerichtet sein. Damit meine ich die Frage: Was wollen wir finanzieren?
Danach können wir gerne diskutieren, wie die Umsetzung aussehen soll. Wie gehen wir beispielsweise mit den noch immer bestehenden fossilen Subventionen um? Oder eben: Welche Funktion erfüllt die Schuldenbremse heute noch? Ich denke, in ihrer aktuellen Form ist die Schuldenbremse eine Zukunftsbremse.
Bis 2035 sollen die Industrieländer ihre jährliche Klimafinanzierung für die ärmeren Staaten von derzeit 100 Milliarden Dollar auf 300 Milliarden aufstocken. Notwendig für eine gerechte und ausreichende Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung in diesen Ländern wären allerdings jedes Jahr 1.300 Milliarden Dollar. Wie würden Sie vorgehen, um die fehlenden 1.000 Milliarden aufzubringen?
Die notwendige Summe ausfindig zu machen, ist gar nicht so schwierig. Schauen wir nur mal in die Bilanzen der am meisten CO2 emittierenden Unternehmen weltweit. Weniger als 60 Konzerne sind für 80 Prozent dieser Emissionen verantwortlich, darunter die bekannten Öl- und Gasriesen.
Hinzu kommen die Überreichen. Sie stellen ein Prozent der Weltbevölkerung dar, die weit überproportional konsumieren und CO2 emittieren. Wenn wir nach diesen Verantwortlichkeiten gehen, ist die Finanzierung klar: Ein gerechter CO2-Preis würde transparent umverteilen.
Es ist inakzeptabel, dass die am heftigsten von der Klimakrise betroffenen Staaten um Geld betteln müssen.
Ich möchte aber auch sagen: Klimaanpassung ist keine Ausrede, weniger gegen die Ursachen der Erderhitzung zu tun. Wir müssen um jedes Zehntelgrad kämpfen.
Obwohl Expert:innen seit Jahren vor einer Überdimensionierung der LNG-Infrastruktur warnen, sind in den letzten drei Jahren 213 Milliarden Dollar in den weltweiten Flüssigerdgas-Ausbau geflossen, zeigt eine Analyse der Organisation Reclaim Finance. Auch Deutschland plant munter weiter neue LNG-Terminals. Dabei sind die Terminals an der deutschen Küste nur zu 40 Prozent ausgelastet. Drohen hier jede Menge "Stranded Assets"?
Gas kann nur eine Übergangslösung sein, bis die Energiewende hin zu hundert Prozent Erneuerbaren vollzogen ist. Der Einsatz und die Finanzierung von LNG-Terminals waren zunächst als Maßnahme zur Energiesicherheit gedacht, als Ersatz für das russische Erdgas. Diese Sicherheit ist schon jetzt gegeben.
Es gibt keine guten Gründe mehr für einen weiteren Ausbau. Durch das LNG-Beschleunigungsgesetz wird den Betreibern nun eine Auslastung der Terminals bis zum Jahr 2043 erlaubt. Damit gefährden wir die nationalen Klimaziele. Die Investitionen wären besser bei Solarparks oder Windkraftanlagen aufgehoben.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Mich hat eine Analyse des Vereins Finanzwende über Greenwashing überrascht. Sie zeigt, dass Greenwashing erst dann finanziell schädlich ist, wenn die Finanzaufsicht eingreift.
Konkret: Leitet die Bafin eine Untersuchung gegen ein Unternehmen ein, erwarten Investor:innen schlechte Ergebnisse. Sie ziehen ihr Geld heraus und der Börsenkurs fällt – laut der Analyse um durchschnittlich sechs Prozent. Das jeweilige Unternehmens-Management gerät unter Druck.
In der Konsequenz bedeutet das: Die Finanzaufsicht verfügt über die Macht, Greenwashing zu bekämpfen. Wenn die Aufsicht wach ist, wenn Greenwashing auffällt, dann werden Unternehmen unmittelbar abgestraft.
Fragen: Jörg Staude