Porträtaufnahme von Aysel Osmanoglu.
Aysel Osmanoglu. (Foto: Patrick Tiedtke/​GLS)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Aysel Osmanoglu, Vorstandssprecherin der GLS Bank.

Klimareporter°: Frau Osmanoglu, im Streit um ein angebliches Verbot neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 hat Wirtschaftsminister Habeck jetzt "große soziale Unterstützung" beim Einbau klimafreundlicher Heizungen zugesichert. Reicht die Ankündigung, um die Verbotsdebatte zu beenden, und welche Hausbesitzer brauchen diese Unterstützung überhaupt?

Aysel Osmanoglu: Grundsätzlich teile ich die Haltung: Mehrkosten durch die dringend notwendige Transformation der Wirtschaft dürfen nicht pauschal auf Menschen abgewälzt werden, die ohnehin gerade finanzielle Unsicherheit erleben. Das ist auch eine Frage des sozialen Miteinanders und der Solidarität.

Ob es nun um Wärmepumpen oder um andere Anpassungen geht, die erst einmal Investitionen erfordern, aber letztlich alternativlos sind: Wir müssen jetzt füreinander einstehen und die Kosten gerecht verteilen, damit wir die ökonomische Transformation gemeinsam schaffen. Ohne sozialen Zusammenhalt kann es keine ökologische Wende geben.

Als Konzeptvorschlag hat die GLS Bank gemeinsam mit dem Wuppertal-Institut die Einführung eines einkommensabhängigen "Transformationsgeldes" entwickelt. Ziel muss es sein, dass vor allem verletzliche Gruppen, beispielsweise Menschen mit geringen Einkommen und Vermögen, aktiv an der Transformation teilhaben können.

Der Klimawandel könnte in Deutschland Schäden von über 30 Milliarden Euro pro Jahr verursachen, ergibt eine jetzt veröffentlichte Studie. Die gesellschaftlichen Verluste ließen sich durch vorbeugende Klimapolitik und rechtzeitige Anpassung aber verringern.

Lässt sich die Finanzwirtschaft von solchen Prognosen beeindrucken? An den europäischen Börsen erlebten wir ja zuletzt eine Kursrallye.

Was die Kursrallye in Wirklichkeit zeigt, ist: Menschen am Finanzmarkt denken noch immer in alten Wirtschaftsmodellen. Der Gewinn steht vor dem Sinn.

Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Unternehmen auch in einem schwierigeren Umfeld weltweit mehr Dividenden ausgegeben haben als zuvor. So sorgte die anhaltende Energiekrise vor allem bei Öl- und Gasanbietern für steigende Dividenden. Im Schnitt wuchsen diese um zwei Drittel.

Daran lässt sich ablesen, dass Klimarisiken noch nicht Teil von Börsen-Spekulationen sind. Die Börse ist nicht unbedingt der beste Indikator für die notwendigen Anpassungen. Trotz des Wissens um die Risiken, trotz Konsens über den Ausstieg aus den Fossilen wird hier weiter kurzfristig spekuliert.

Stattdessen müssen wir eigentlich massiv in die nachhaltige Transformation investieren. Und zwar alle Banken.

Der Weg in die Klimaneutralität muss Optionen des Weniger berücksichtigen, fordert Anke Weidlich, Energieprofessorin in Freiburg, im Interview mit Klimareporter°. Sie plädiert für eine aktive Suffizienzpolitik, um den Verbrauch von Energie, Ressourcen und Natur absolut zu senken. Wie käme ein Finanzinstitut wie die GLS Bank mit Suffizienz geschäftlich zurecht?

Die Klimawirkung der von uns vergebenen Kredite entspricht dem Pariser Klimaabkommen. Das lassen wir jährlich prüfen. Davon ausgehend, kämen die GLS Bank und die Geschäftsmodelle ihrer Kund:innen wahrscheinlich besser mit Suffizienz zurecht als andere Banken.

Für den Finanzmarkt ist die Prognose schwer zu treffen. Wenn wir davon ausgehen, dass Suffizienz mit der Entlastung der Umwelt von Wirtschaftsschäden einhergeht, braucht es Finanz-Regulation: Klima- und Umweltschäden bedeuten auch wirtschaftliche Einbußen.

So planen etwa die EZB und andere Zentralbanken Klimastresstests, um diese Risiken benennen und letztlich auch vermeiden zu können. Das Bewusstsein dafür wächst also, ist jedoch im Markt noch zu wenig vorhanden.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Dass es eine als Debatte getarnte Empörungswelle über das "plötzliche" Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen gab. Statt längst festgelegte Veränderungsprozesse anzustoßen, wird Angst geschürt und mit existenziellen Sorgen der Menschen Stimmung gemacht.

Diese künstliche Empörung hat mich doch überrascht und auch verärgert. Immerhin wurden die grundlegenden Inhalte des Gesetzes im Koalitionsvertrag festgehalten und der Konsens war und ist: Wir müssen weg von fossilen Energieträgern.

Daran hat sich nichts geändert. Deshalb wünsche ich mir statt Empörungsdebatten lieber konstruktive Diskussionen über Lösungen. Denn die gibt es bereits.

Fragen: Jörg Staude

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