Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW.
Klimareporter°: Frau Kemfert, die Ampel-Koalition ist am Mittwoch geplatzt, Neuwahlen soll es bald geben. Woran ist die selbsternannte Fortschrittskoalition am Ende zerbrochen und was muss eine kommende Regierung anders machen?
Claudia Kemfert: Die Fortschrittskoalition ist am mangelnden Fortschritt gescheitert. Sie hat sich mit der Schuldenbremse unnötig Zukunftschancen genommen. Diese Krise kann aber auch eine Chance sein.
Die Bedingungen für grüne Unternehmen haben sich in den USA verschlechtert. Davon kann gerade Deutschland profitieren. Deutschland sollte die Schuldenbremse reformieren und finanzielle Anreize für Unternehmen der Klima-Transformation schaffen. Deutschland und Europa sollten unbedingt am Green Deal festhalten und die Bedingungen für grüne Märkte verbessern. Dafür ist die Auflösung der Regierung in Deutschland vielleicht eine Gelegenheit.
Ausgeweitet werden sollten die "Projects of Common Interest" in Europa, mit denen gezielt Unternehmen aus Zukunftsbereichen – erneuerbare Energien, intelligente und saubere Technologien, Batteriehersteller – angelockt und unterstützt werden können. Derartige Technologien sind weltweit gefragt. Wenn die USA als Handelspartner wegen hoher Zölle eher ausfallen, sind andere umso mehr interessiert.
Für diese wichtigen Schritte gibt es nun vielleicht endlich ausreichende politische Unterstützung. So können Unternehmen aus den USA angelockt beziehungsweise zurückgeholt, die Wettbewerbsbedingungen verbessert und zukunftsweisende Jobs geschaffen werden. Dadurch kann die deutsche Wirtschaft insgesamt profitieren und gestärkt werden.
Das wird nur möglich sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und anders als in den USA politische Verlässlichkeit vorherrscht. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland rasch stabile und verlässliche politische und ökonomische Rahmenbedingungen schafft. Wenn die USA diese schon aufs Spiel setzen, sollte Deutschland es besser machen.
Die erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten nannten Sie in einem ersten Kommentar einen schwarzen Tag für die Klimapolitik. Sieht sich Trump nicht aber auch einer anderen Welt gegenüber als noch in seiner ersten Amtszeit? Der Klimawandel verschärft sich, auch mit spürbaren Folgen in den USA. Gleichzeitig ist der Vormarsch der Erneuerbaren nicht mehr aufzuhalten – kann Trump die Zeit wirklich zurückdrehen?
Die Wahl von Donald Trump ist für die USA und für die Welt eine Katastrophe. Es ist zu erwarten, dass Trump in den USA fossile Energien stärken und erneuerbare Energien und Elektromobilität schwächen wird. Er wird, wie schon in seiner letzten Amtszeit, Umweltregulierungen und Klimapolitiken zurückdrängen, auch indem Posten in Regierung, Energieministerium und Umweltbehörde mit Klimawandelleugner:innen besetzt werden.
Eine komplette Rückabwicklung des Inflation Reduction Act mit seinen Fördermaßnahmen für die grüne Wirtschaft ist aber eher unwahrscheinlich, weil dafür eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat notwendig wäre und vor allem republikanische Staaten von dem Gesetz profitieren.
Für die internationale Klimapolitik ist Trump ein Desaster. Es ist zu erwarten, dass Trump wie angekündigt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen wird, wie schon 2019.
Außerdem könnte er dieses Mal auch aus der UN-Klimarahmenkonvention aussteigen, sodass die USA auf unbestimmte Zeit nicht an globalen Klimaverhandlungen teilnehmen würden und als wichtiger Geldgeber für die Klimakonvention wegfielen. Der Wiedereinstieg wäre enorm schwierig, weil auch dafür eine Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus nötig wäre.
Am Montag beginnt die nächste Weltklimakonferenz, die COP 29 in Baku. Nicht wenige hoffen, dass gerade mithilfe der globalen Klimapolitik die Staaten über Kriege und Krisen hinweg miteinander im Gespräch bleiben und Lösungen finden. Was erwarten Sie jetzt noch von dem Gipfel, wenn die USA und Deutschland als klimapolitische Akteure ausfallen?
Für die kommende Klimakonferenz ist der Ausfall der USA kein gutes Zeichen. Die USA sind weltweit einer der größten Treibhausgasproduzenten, sie sind für die internationalen Klimaverhandlungen unerlässlich. Wenn sie wegfallen, steuert die Welt weiter in eine ungebremste Klimakatastrophe. Das 1,5‑Grad-Ziel ist bereits nicht mehr zu halten.
Auf der COP 29 geht es vor allem um die internationale Klimafinanzierung. Ohne die USA wird es keine ausreichende und tragfähige Lösung geben. Deutschland war ebenfalls ein wichtiger Akteur für mehr Klimaschutz auf der internationalen Bühne und hat sich erfolgreich für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und einen forcierten Kohleausstieg eingesetzt.
Bei der letzten Klimakonferenz wurde vereinbart, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien verdreifacht, die Energieeffizienz deutlich verbessert und aus fossilen Energien ausgestiegen werden soll. Doch das damalige Gastgeberland, die Vereinigten Arabischen Emirate, wie auch der diesjährige Gastgeber Aserbaidschan steigern den Verkauf fossiler Energien, statt ihn zu senken.
Wenn nun sowohl die USA als auch Deutschland ausfallen, ist das ein herber Rückschlag für den internationalen Klimaschutz.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Eine? Viele! Was für eine Woche. Erst wird in den USA wieder Donald Trump gewählt, dann löst sich in Deutschland die Regierung auf. Die Lage ist ernst, wir sind in einer fundamentalen Krise. Bei allen Hiobsbotschaften gibt es dennoch Hoffnung.
Es kommen dunkle Zeiten auf uns zu, aber wie Kamala Harris treffend sagte: In der Dunkelheit leuchten die Sterne umso stärker. Und die Sterne sind wir alle, die Menschen, die gemeinsam für eine funktionierende Demokratie eintreten können, die auf Gewaltenteilung, freier Presse und wissenschaftsbasierten Fakten aufbaut.
Wir brauchen diesen Mut und die Hoffnung sowie die Erinnerung, dass Menschen nicht machtlos sind. Wir dürfen die Dinge nicht denen überlassen, die kein Interesse an dem Erhalt der Demokratie haben. The power of people is what matters.
Fragen: Jörg Staude