Freitagmorgen in Berlin: Allem Widerstand zum Trotz nimmt das Bundesparlament den Hafen Mukran bei Sassnitz in das LNG-Beschleunigungsgesetz auf. Dadurch kann auf der Ostseeinsel Rügen künftig Flüssigerdgas (LNG) entladen werden.

369 Abgeordnete des Bundestages stimmen für den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Bei vier Enthaltungen votierten 300 Abgeordnete gegen die Gesetzesänderung. Am selben Tag billigt auch der Bundesrat das Vorhaben, den Standort Mukran im Gesetz zu ergänzen.

 

Geplant sind zwei schwimmende LNG-Terminals in dem Hafen, die mit einer Pipeline durch die Ostsee mit dem Gasanschlusspunkt Lubmin verbunden werden sollen. Das Terminal soll schon für den kommenden Winter zur Verfügung stehen, um die Versorgungssicherheit beim Erdgas zu erhöhen.

Zwar seien die Gasspeicher zu über 80 Prozent gefüllt, aber "wir sind noch nicht durch", warnt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)  im Bundestag. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass immer alles gut gehe, und müsse vorausschauend planen.

Mit Blick auf Russland ergänzt der energiepolitische Sprecher der FDP, Michael Kruse: "Wir brauchen mehr Infrastruktur, weil wir sonst angreifbar sind." Von einem "Sicherheitspuffer" spricht auch Bengt Bergt von der SPD. Mukran solle vor allem der Gasversorgung von Ost- und Mitteleuropa dienen, betonte der Energiepolitiker.

Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat sich einen Tag vor der Abstimmung gegen die Pläne gestellt. Grundsätzliche Kritik ist in der Bundestagsdebatte am Freitag aber selten zu hören, jedenfalls nicht aus den Reihen der größten Oppositionsfraktion.

"Wir brauchen nicht mehr fossile Ressourcen"

Oliver Grundmann von der CDU kritisiert lediglich die "Hauruck-Politik" der Ampel-Koalition und stellte klar: "Wir brauchen LNG, wir brauchen Flüssiggas. Es geht nicht um das Ob, es geht hier allein um das Wie." Die CDU/CSU-Fraktion hatte einen Antrag für eine Offshore-Anlage vor der Küste Rügens gestellt, der im Bundestag abgelehnt wurde.

Ina Latendorf von der Linksfraktion prangert einen "ignoranten und katastrophalen" Umgang mit den Bürger:innen, der Natur und den Klimazielen an. Das kritisieren auch schon seit Monaten Anwohner:innen auf Rügen sowie Umweltverbände.

LNG-Terminals wie hier in Świnoujście an der polnischen Ostseeküste sind das Gegenteil von Naturschutz und Naturerlebnis. (Bild: Wojciech Wrzesień/​Shutterstock)

Am Freitagmorgen demonstrieren vor dem Bundesrat etwa 40 Menschen von der Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen, mehreren Umweltorganisationen und von Fridays for Future. Sie fordern vom Bundesrat, das LNG-Beschleunigungsgesetz abzulehnen.

"Wir brauchen nicht mehr fossile Ressourcen, um unseren Energiebedarf zu decken", kritisiert Steffen Laube vom Naturschutzbund Nabu. Er erinnert an ein im Februar veröffentlichtes Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dem zufolge der Bau weiterer LNG-Terminals "weder energiewirtschaftlich noch klimapolitisch sinnvoll" ist.

"Das Gesetz ist komplett gegen unsere Klimaziele", betont Nadine Bethge von der Deutschen Umwelthilfe. Es treibe den Ausbau der fossilen Energieversorgung voran, obwohl das gar nicht nötig sei. Statt weiter auf alte Strukturen zu setzen, sollten endlich erneuerbare Energien konsequent ausgebaut werden, fordert Bethge.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass das LNG-Terminal in Mukran langfristig auf Wasserstoff umgerüstet werden soll. Aber auch das erntet Kritik bei den Umweltverbänden. "Wir brauchen den Wasserstoff letztlich in der Industrie. Und die Industrie ist nicht auf Rügen", erklärt Bethge. Wasserstoff-Infrastruktur müsse dort aufgebaut werden, wo sie zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen könne.

LNG gefährdet Natur und Tourismus

"Wir auf Rügen müssen zusätzlich zahlen, obwohl uns unsere Zukunft genommen wird", bringt Rainer Utermann von der Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen an diesem Morgen vor dem Bundesrat seinen Zorn auf den Punkt. Wie viele andere auf der Insel befürchtet er katastrophale Folgen für den Naturschutz und den Tourismus auf Rügen.

Menschen mit bunten Schildern und Transparenten demonstrieren vor dem Bundesratsgebäude gegen LNG-Terminals auf Rügen.
Rainer Utermann (rechts) von der BI Lebenswertes Rügen will den Widerstand gegen LNG fortsetzen, wie viele andere auch. (Bild: Laura König)

Das Gesetz mache den Weg frei für eine beschleunigte Genehmigung und damit für den Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung, kritisiert Milena Pressentin, Energiereferentin der Deutschen Umwelthilfe. So führe die geplante Pipeline von Mukran nach Lubmin durch den Greifswalder Bodden, ein "extrem sensibles Schutzgebiet", das durch den Bau zerstört werden könnte, befürchtet Pressentin.

Denn ist das Terminal einmal in Betrieb, nimmt der Schiffsverkehr zu und die Fahrrinne muss ausgebaggert werden. Das gefährde neben dem Naturschutz auch den Inseltourismus, sagt Pressentin. "Die Menschen kommen, weil es Schutzgebiete und unberührte Natur gibt, nicht um sich LNG-Schiffe anzugucken." Die Industrialisierung der Ostsee bedrohe so die Haupteinnahmequelle der Insel.

Auch wenn das Gesetz nun beschlossene Sache ist – für Rainer Utermann ist das nur zusätzlicher Ansporn, weiter Widerstand gegen das Vorhaben der Bundesregierung zu leisten. Nadine Bethge von der Umwelthilfe hat bereits rechtliche Schritte angekündigt.

Auch Rechtsanwalt Reiner Geulen, der das Ostseebad Binz vertritt, erklärte: "Wir werden gegen die geplante Errichtung der Anlagen vor dem Bundesverwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel des vorläufigen Baustopps beantragen."

 

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